Testostérone von Sentifique

Testostérone 2012

Naaase
20.05.2014 - 11:28 Uhr
Top Rezension
6Duft

Der dunkle Schweizer Lügendetektor

Der dunkle Schweizer Lügendetektor

Wir haben es hier also mit "Testostérone" zu tun.
"Testosteron" ist ein Sexualhormon, das bei beiden Geschlechtern vorkommt, sich dabei aber in Konzentration und Wirkungsweise bei Mann und Frau unterscheidet. Sein Name ist ein Kunstwort, das von "testis" (Hoden) und "Steroid" abgeleitet ist. Bei Männern wird Testosteron zum größten Teil im Hoden produziert. Bei Frauen produzieren die Eierstöcke und die Nebennierenrinde geringe Mengen an Testosteron. Es hat verschiedene Wirkungen auf diverse Organe: So sorgt es bei Männern für die Spermienproduktion, fördert weitgehend die Körperbehaarung und besitzt eine muskelaufbauende Wirkung. Ein hoher Testosteronspiegel fördert das sexuelle Verlangen und generell Antrieb, Ausdauer und „Lebenslust“, sowie dominante und aggressive Verhaltensweisen.

Eine Studie soll jedoch auch ergeben haben, dass die Gabe von Testosteron die Tendenz zum Lügen bei Männern reduziert.
Na, liebe Frauen, das ist doch mal eine gute Nachricht: Keine Sätze wie "... ich musste noch etwas arbeiten..." oder "... mein Auto hatte eine Panne..." vom Liebsten mehr, wenn er sich spätnachts mit einem penetranten Duft von "Nutzendiesel" und rotem Lippenstift am weißen Hemdkragen ins gemeinsame Schlafzimmer unbemerkt zu schleichen bemüht.

Und just diese paradiesischen Zustände für Frauen haben sich nun offensichtlich die Parfümeure von "Sentfique" zum Ziel gesetzt, indem sie eine Möglichkeit geschaffen haben, dem Liebsten im Wege einer "äußerlichen Anwendung" Testosteron und damit ein lügenfreies Verhalten zu verabreichen. "Sentifique" ist eine relativ junge Duftmanufaktur aus Zürich, die 2009 ins Leben gerufen wurde. Die ersten Düfte präsentierte man im Herbst 2012. Der Name „Sentifique“ setzt sich aus dem französischen „senteurs magnifiques“ zusammen und soll für das Ziel dieser Marke stehen: Die Kreation von faszinierenden und unvergleichlichen Düften auf höchstem Niveau. Die Duft-Entwürfe sind das Werk des Schweizer Designers Friedemann Ramacher. Sein Ziel ist die Schaffung von avantgardistischen Parfums für die glamourösen, sinnlichen und unvergesslichen Momente des Lebens. Zur Verwirklichung dieses Ziels arbeitet er mit jungen Shooting Stars der Parfumerie-Szene -hier Andreas Wilhelm- zusammen, denen er bei ihrem Werk
freie Hand einräumt: Ihnen stehen alle natürlichen Essenzen und die neuesten Moleküle zur Verfügung. Wie selten oder teuer diese Ingredienzen sind, spielt für Ramacher keine Rolle. Vielmehr gibt es gibt nur ein Ziel: Die kompromisslose Umsetzung extravaganter Ideen in wundervolle Parfums.

Durch das Lesen dieser Ziele gespannt wie einst die Armbrust des Schweizer Volkshelden Wilhelm Tell beim Herunterschießen des legendären Apfels mache ich mich nun an den Test von "Testostérone":
Der Duft startet würzig. Keine, aber wirklich auch keine, erfrischende Zitrusfrucht. Kein Bergamöttchen und auch kein Zitrönchen warten da auf uns. Nur Gewürze. Und das auch noch staubtrocken. Doch dann macht sich schon eine dominante Note bemerkbar: Birkenteer ! Man muss sich das so vorstellen wie die feuchte Rinde einer stattlichen Birke nach einem sommerlichen Platzregen: Holzig, feucht und doch irgendwie vertraut. Es folgt sodann eine leicht erdig-alkoholische Komponente. Das Erdige kommt wohl von dem Patchouli. Diese alkoholische Note schreibe ich dem Oud zu. Es ist kein weiches, den Träger umschmeichelndes Oud. Es ist nicht orientalisch oder geheimnisvoll. Nein, unser Oud hier soll offensichtlich der aufhellende Gegenpart für das erdige Patchouli und den hölzernen Birkenteer sein. Das Ganze in einen Kochtopf. Noch die Gewürze ganz vom Anfang dazu. Einmal umgerührt. Und schon ist es fertig: Unser "Testostérone". Es gibt auch keinen weiteren Duftverlauf: Keine Kopfnote, keine Herznote und keine Basis. Entgegen der ansonsten den Schweizern (scherzhaft) zugeschriebenen Langsamkeit entwickelt sich "Testostérone" sehr schnell in die von mir beschriebene "Scharfe (Oud)-Erde (Patchouli)-Holz (Birkenteer)-Kombi" mit ein paar Gewürzen. Und bleibt dann auch so. Und bleibt. Und bleibt. Und bleibt. Länger als die Lebensdauer eines Schweizer Uhrwerks.

Mein Fazit:
Irgendwie werde ich das verdammte Gefühl nicht los, dass der verantwortliche Parfumeur bei der Erschaffung von "Testostérone" an Pierre Bourdon's "French Lover" gedacht hat. Gerüchten zufolge soll Bourdon damals von Frédéric Malle beauftragt worden sein, den perfekten Männerduft zu kreieren. Dementsprechend entstand im Jahre 2007 auf der Grundlage von Ellena's "Angeliques sous la Pluie" aus dem Jahr 2000 rund um das Thema "Angelika" (Engelwurz) ein wahrhaft meisterliches Werk. Und -mir scheint es jedenfalls so- hat man dieses Meisterwerk mit "Testostérone" fortentwickeln wollen: Soweit Angelika "French Lover" eine "kühl-krautige" Note gibt scheint mir dieser Effekt mit dem Birkenteer und dem (medizinisch-scharfen) Oud nachzueifern versucht worden zu sein. Doch trotz aller sexy-rauchigen Noten bleibt "French Lover" stets freundlich hell, jedoch zugleich sinnlich und geheimnisvoll. Und "Testostérone" ? Die Männlichkeit in diesem Duft ist dunkel, dunkel, dunkel: Nichts Strahlendes, nichts Helles. Einfach nur dunkel und geheimnisvoll wie eine einsame Höhle unter Bäumen nach einem Platzregen.

Liebe Schweizer, der reißerische Name kann meines Erachtens nicht darüber hinweg täuschen, dass zwar zugegebenermaßen versucht wurde, etwas Neuartiges fernab vom öden Mainstream zu komponieren. Dabei wurde zweifelsohne auch nicht an den hochwertigen Rohstoffen gespart. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist jedoch nicht geheimnisvoll-erotisch, sondern einfach nur... nur "dunkel". So dunkel, dass bei dieser Dunkelheit nicht einmal Wilhelm Tell einst den Apfel getroffen hätte.

Meine Frau wird wohl die eine oder andere Notlüge von mir ertragen müssen...
5 Antworten
SeeroseSeerose vor 10 Jahren
Ich fand den absolut scheußlich. Und ja, es wär mir völlig wumpe, was der Mann vorher gemacht hat, wenn er so stinkt, soll er mir nicht zu nahe kommen:-D
TaurusTaurus vor 10 Jahren
Dabei wirkten die Eierköpfe von Miami Vice im Ferrari 365 Daytona Spyder Corvette viel cooler ... auch wenn das nur eine Replica war ... ;-)
DuftJunkieDuftJunkie vor 12 Jahren
Im Dunkeln lässt sich gut Munkeln, gell :-)
:-) Dunkel-Munkel-Pokal :-)
DuftstickDuftstick vor 12 Jahren
Toller Kommi!! Vor allem die Überschrift. Lügendetektor! Den müsste man ja überall einsetzen können. :-) Auszeichnung
YataganYatagan vor 12 Jahren
Finde ihn nicht ganz so schlecht, aber auch nicht wirklich spektakulär, was für die meisten Düfte dieser Marke gilt.