Wolf
14.06.2015 - 16:23 Uhr
11
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Jasmin d'un jour d'été

Manchmal ist es überraschend, wie anders man einen Duft wahrnehmen kann, wenn man ihn zu einer anderen Jahreszeit oder mit wahrender Dufterfahrung testet. So war mir Jasmin de Nuit als üppig-schwülstiger und klebriger Jasminduft mit Zimtkaugummi in Erinnerung. Definitiv gut gemacht und mir Achtung abnötigend, aber wirklich tragbar fand ich ihn nicht. Dennoch durfte er in der Sammlung bleiben.

Nun ist mir der Flakon heute wieder in die Hände gefallen und ich habe spontan mal einen Arm damit eingesprüht. Zunächst überfiel mich wieder diese klebrige Kopfnote, die ich in Erinnerung hatte: übersüßter Johannisbeer-Glühwein, mit künstlichem Anis-Koriander-Aroma in dem man ein Zimtkaugummi aufgelöst hat. Dazu gesellt sich eine heftige und süßlich verwesende Jasminnote.

Nach einer viertel Stunde legt sich dieses Zuckerfruchtglühweinkaugummiverwesendeblumechaos und hervor tritt ein feiner, filigraner, ganz wunderbarer Sommerduft. Vergessen ist das matschige Chaos, das sich noch vor wenigen Minuten auf meiner Haut und in meiner Nase abgespielt hat. Die Bergamotte in Verbindung mit dem Anis und einer leicht blumigen Note schafft eine gedankliche Querverbindung zum von mir heißbeliebten Après l’ondée von Guerlain. Der zunächst schräge und irgendwie quietschige Duft dreht sich um 180 Grad und zeigt plötzlich Nuancen eines großen Klassikers. Ist dies vielleicht Céline Ellenas Hommage an diesen Duft, wie ihr Vater es zuvor mit seinem L’Eau d’hiver für Frederic Malle vorgemacht hat?

Jasmin de Nuit ist nun leicht und zugleich sanft würzig, die einzelnen Noten so fest zu einem seidig schillernden Ganzen verwoben, dass sie kaum zu differenzieren sind. Kopfkino setzt ein: An einem warmen Sommertag weht eine kühle Brise durch einen Blumenhain; man meint, die wispernden Blätter und Blütenstängel förmlich zu hören. Das ist genau die gleiche erfrischende Kühle, die auch „Après l’ondée“ ausstrahlt. Zugleich duftet er aber auch nach sonnengebräunter, exotischer Haut und bringt so einen sommerlich erotischen Touch mit.
Es ist ein Spiel mit hellem Sonnenlicht und Schatten, Sommerhitze und Schattenkühle, das sich auf meiner Haut abspielt. Sexy, aber nicht verrucht, sommerschattig, aber nicht düster, leicht, aber nicht zu leise. Céline Ellena scheint hier viel von Ihrem Vater gelernt zu haben, denn der Duft zeichnet sich nun durch eine feine und luzide Transparenz aus, wie bei den besten Düften ihres Vaters.

Für mich ist dies ein ganz wunderbarer, sommerlicher Immergeher ganz abseits von den üblichen Zitrus-Erfrischern. Allerdings ist er eher für den Tag oder den Sommerabend als für die Nacht gemacht. Nicht verrucht und lüstern, wie es der Name vermuten lässt, aber sich seiner Ausstrahlung bewusst seiend und einem Abenteuer durchaus nicht abgeneigt. Und definitiv sowohl von der Damen- als auch von der mutigeren Seite der Herrenwelt zu tragen.

In der Basis schließlich wird dieser filigrane, sanft leuchtende, sexy sommerliche Hauch dann von einem zartwürzigen und sinnlichen Sandelholz- Amber-Akkord umarmt. Der Duft bekommt sogar eine leicht salzige Note wie getrocknetes Meerwasser auf sonnengebräunter Haut. Das ist zum Anschmiegen und Anbeißen und weckt die Lust und Vorfreude auf die gemeinsame Nacht, in der bestimmt nicht nur gekuschelt wird.

Am Ende also doch noch ein Nacht-Duft? Ein wunderbarer in jedem Fall!!
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