9
Ein Nachmittag im Hammam
Zohra ging mindestens einmal in der Woche mit ihrer Mutter, ihren Schwestern, Cousinen & Tanten in eines der 20 traditionellen Hamams in Paris. Es versteht sich von selbst, dass sie am Nachmittag das Hamam aufsuchten, da der Vormittag den Männern gehörte. Nachdem sie den fast schon rituell anmutenden Ablauf der verschiedenen Reinigungsprozesse, Dampfbäder und Bearbeitungen durch die Harzen genossen hatten, fanden Sie sich eine nach der anderen im Erholungsraum ein und warteten bei angeregten Gesprächen auf Tee und süße Gaben. Es dauerte nie lange bis die Harzen dampfende Kannen frischen und vor allem starken Chais und goldene Platten voller klebriger Datteln, mit Tonkasplittern durchzogenem Karamell, süßem Baklava und Obst reichten. Hier ist zu erwähnen, dass es sich bei Chai nicht wie im indischen Raum um einen Gewürztee handelt, sondern wie im türkischen und russischen Sprachgebrauch, um einen starken, schwarzen Tee. Wenn nun alle Frauen eine dampfende Tasse Tee in ihrer Hand hielten, wählten sie mit genussvoller Zurückhaltung etwas vom angebotenen Naschwerk aus und vertieften sich in friedvolle Gespräche, welche durch entspannende Wirkung des Hammambesuchs gezeichnet waren. Für Zohra gestaltete sich die Wahl des Naschwerk immer als kleine Herausforderung, da sie sich nie entscheiden konnte, welche der teuflisch gut schmeckenden Köstlichkeiten sie wählen sollte. Am liebsten war ihr zwar das Tonka-Karamell, aber genauso gern hatte sie auch die kleinen Gebäcknestchen mit Honig und Nüssen, mit Zimt und Puderzucker überzogenes Baklava und die herrlich saftigen Datteln. Heute entschied sie sich für ein mit Datteln gefülltes Stück Baklava, welches mit zimtigem Honig überzogen war. Sie nahm einen Schluck von ihrem heißen Tee, ließ das wohltuende Gebräu sie von innen wärmen und biss dann ein kleines Stück von ihrem Baklava ab. Die Mischung aus herbem Tee und klebriger Süße tat den letzten Rest der zu Zohras Entspannung nötig war. Sie hatte noch immer den zarten Duft nach Rosen des Dampfbads in der Nase und die leichten Schwaden des Räucherwerks ließen sie einen nahezu meditativen Zustand einnehmen. Zufrieden lehnte sich sich in ihr Handtuch gekuschelt zurück und lauschte andächtig den Gesprächen ihrer Schwestern, Cousinen und Tanten.
Fin.
Fin.
4 Antworten


Paris ist schon ein wunderschöner Schmelztiegel der Kulturen. Bin immer wieder gerne dort. :)