Black Orchid (Eau de Parfum) von Tom Ford

Black Orchid 2006 Eau de Parfum

DerDefcon
27.01.2019 - 18:09 Uhr
20
9Duft 10Haltbarkeit 10Sillage 8Flakon

Des Azubis erste Wochen auf Arbeit

Im September diesen Jahres ist es sechs Jahre her, dass ich meine kombinierte Aus- und Weiterbildung begann. Vielleicht wird der ein oder andere meinen Gedankengang, der mir zu diesem außergewöhnlichen Duft in den Sinn kam, bekloppt oder gar hirnrissig finden, aber ich kann einfach nicht anders, ich muss ihn digital zu Papier bringen.

Fangen wir mal ganz von vorne an. Am 01.09.2013 begann ich meine kombinierte Aus- und Weiterbildung. Jeder von euch, auch ich, wird sich an seinen ersten Arbeitstag, die auf diesen folgenden Tage und Wochen, eine Zeit mit vielen Eindrücken, erinnern - zumindest ein bisschen. Ich lernte meine Kolleginnen alle kennen. Freundlich und herzlich wurde ich aufgenommen. Die ersten Tage waren nicht ohne. Der Einzelhandel - gerade in der Möbelbranche - fordert so einiges. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich begann, waren jedoch nicht alle Kollginnen anwesend. Eine Kollegin hatte zweiwöchigen Urlaub. Ich war gespannt, wer da noch kommen sollte. Die anderen Kolleginnen grinsten mich leicht naiven, noch etwas kindlichen 18jährigen, der sein Abitur vor nur einigen Monaten hinter sich brachte, mit einem verschmitzen Grinsen an und sagten: "Du wirst sie schon noch kennenlernen.", War das jetzt gut oder schlecht?

Die vierzehn Tage Urlaub waren vorüber und die Kollegin betrat ein paar Minuten, nachdem ich in der Filiale eintraf, den Aufenthaltsraum. Sie war klein, doch strahlte sie ein unglaubliches Selbstbewusstsein aus. Ihr Kleidungsstil war lässig, offensiv, doch trotz ihres Alters von fast fünzig Jahren genau auf sie zugeschnitten. Eine Jeans, die das ein oder andere Loch hatte, eine schwarze Lederjacke, eine Uhr mit rot leuchtendem Ziffernblatt, Totenkopfohringe und eine lässige Kurzhaarfrisur. Mein erster Eindruck: Eine gestandene, offensiv und vorallem selbstbewusst auftretende Frau, deren Blicke einen durchbohrten. Sie war, wie mir gegenüber bereits angekündigt, der Trumpf, wenn man bei schwierigen Kunden nicht mehr wusste, wie man verfahren sollte. Ihre Aura fraß sich durch den gesamten Raum und ehe ich mich der Situation anpassen konnte, gab es gleich zu Beginn erstmal eine ordentliche Rüge bezüglich meiner Arbeitskleidung, die keinesfalls schreiend, aber laut, selbstsicher und bestimmend erfolgte. Diese Bestimmtheit mit der selbstsicheren, lauten, aber keinesfalls hysterischen Stimmlage war einfach nur einschüchternd. Aber wieso werde ich gerade von einer Kollegin, die mit Totenköpfen in den Ohren, schrillem Uhrenschmuck oder zerrissenen Hosen herumrennt, zur Sau gemacht? Ganz einfach: Sie kann es, sie macht es und es interessiert sie nicht, was andere über sie denken. Sie steht über diesen Dingen. Betritt sie den Raum und zieht automatisch alle Blicke auf sich, ist ihr dies keineswegs unangenehm, denn nun weiß sie, dass sie Situationen lenken und beeinflussen kann und so wird sie doch glatt noch einen ganzen Kopf größer.

Die ersten Tage mit ihr waren anstrengend. Gefühlt war sie überall. Lief ich doppelte Wege, weil ich mal wieder vergaß, Müll oder sonstige Dinge auf dem Weg ins Lager automatisch mitzunehmen und meine Wege so effizient wie nur möglich zu gestalten, bekam sie dies mit, stand schon hinter der nächsten Ecke, hinter der nächsten Tür, hinter dem nächsten Warenträger, um mir wieder bestimmend und vorallem deutlich zu erklären, was falsch lief. Dies geschieht jedoch immer mit Stil, immer im richtigen Augenblick, also nie vor Kunden, und niemals ausfallend. Ganz ehrlich ... ich wollte dort nicht mehr arbeiten. Ich hatte einfach Angst vor dieser Frau. Sobald sie in meiner Nähe war, lief es einfach nicht mehr. Geld fiel mir runter, ich vergaß einen Teil meiner Aufgaben, beim Zusammenbauen von Möbeln brach ich Schrauben ab und sobald sie in meiner Nähe war, verlangten die Kunden die mitunter kompliziertesten Dinge von mir, damit sie es auch ja mitbekam, wie ich die Situation nicht eigenständig löste. Ich machte drei Kreuze im Kalender, als es für zwei Wochen, diesmal für mich, in den Urlaub ging.

Zwei Wochen waren aber dann auch wieder schnell vorbei. Erstaunt war ich, als ich feststellte, dass meine Angstkollegin an diesem Tag nicht arbeiten war. Was freute ich mich. Doch dann, in der Mittagspause, öffnete sich die Tür zum Aufenthaltsraum. Wer diesen betrat, kann sich sicher jeder von euch denken. Schweißperlen liefen mir die Stirn runter, denn schon war der Raum von einer Aura getränkt, die ich keinesfalls vermisste. Doch anders als sonst, folgten keine Rügen, keine Verbesserungen und keine Ermahnungen. Es entwickelt sich ein Gespräch, das sehr angenehm war. So angenehm es auch war, spürte man noch immer ihre so offensive Präsens, die Blicke, die einen maßgeblich durchbohrten. Diesmal war das jedoch alles auf einem erträglichen Niveau - zwar vorhanden, aber angenehm dosiert. Ich merkte, dass ich es mit einer sehr erfahrenen Frau zu tun hatte, die gar nicht mal so schlimm ist, jedoch mit allen Wassern gewaschen war und niemals Schwäche zeigte. Man konnte sich viele Tipps von ihr holen, sich ihr anvertrauen und selbst über sehr intime Dinge, mit denen man als junger Erwachsener eher weniger gern mit seinen Eltern reden würde, sprechen. Meist war es sogar so, dass sie einem direkt ansah, wo der Schuh drückt, ohne, dass man es aussprechen musste. Sie thematisierte es und entschied einfach, worüber man jetzt spricht. So brauchte es ein paar Wochen, wenn nicht ein paar Monate, um zu erkennen, dass von der an sich so strengen, offensiven, sich von Angst umgebenen Frau eine unglaubliche Vertrautheit ausgehen konnte, der sich jeder gerne annahm - nicht nur ich, sondern auch Kunden, die man das erste Mal sah und die bereitwillig ihre Geheimnisse ausplauderten. Ich bin an eine manipulative Arbeitskollegin geraten, die der Kennenlernphase zwischen dir und ihr eine bedrohliche Atmosphäre verleihen wird - wenn du ihr denn begegnest - die irgendwie überall ist und keinen Raum für Fehler lässt, denn jeder dieser wird auf der Stelle bemerkt. Es dauert ein bisschen, bis sie dir ihre sinnliche, charmante, verständnisvolle, hilfsbereite Seite zeigt. Sie gewinnt deine Symphatie, dein Vertrauen, doch ist dir immer einen Schritt voraus. Sie hat dich in der Hand, auch wenn sie nett und lieb zu dir ist. Das glaubst du nicht? Tja, ab und an kommt neben ihrer Herzlichkeit doch wieder das in ihr hervor, was mir während unserer ersten Begegnung so viel Angst und Respekt einjagte. Diese Momente der Angst sind nun aber kein Dauerzustand mehr. Sie sind kurz, verlieren dadurch aber auf gar keinen Fall ihre Wirkung, sondern holen dich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, sobald du glaubst, mit ihr auf einerWellenlänge zu sein, denn das tust du nicht - wirklich.

Ich kann am Ende, immerhin sind wir ja ein Forum für Parfümbegeisterte, nur sagen, dass diese Kollegin das Parfüm "Black Orchid" von Tom Ford niemals nötig hätte. Warum sie das nicht sollte? Es ist ganz einfach. She is the black orchid.
1 Antwort
SensualSensual vor 7 Jahren
Ich kann dieser Vergleich ganz gut nachvollziehen - an eher zurückhaltender oder gar schüchterne Menschen ist es schwierig BO vorzustellen...Aber wunderbar ist das Duft, und so viel Angst muss man nicht haben, es passt auch sehr gut an den richtigen Mann...Verunsichernd ist der Duft allemal, wenn man den erstes mal begegnet, hat aber auch so viel Wärme, dass man doch mit den anfangen kann - auch wenn der Anfang zuerst schwierig sei. :) Pokal!