Versace L'Homme 1984 Eau de Toilette

Davide
12.07.2023 - 15:21 Uhr
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft

Zeitlos, oder durchsetzungsstark?

Kennst du diesen Moment, wenn du auf einer Party hörst, wie der DJ einen Übergang macht und du erkennst „Narcotic“ (Liquido) am Keyboardklang?

Weißt du, was ich meine, wenn du diese Melodie hörst und du genau weißt, dass das weder Gesang, noch Gitarre, noch Schlagzeug ist, sondern auf jeden Fall dieses ganz besondere Keyboard? Es gibt noch ein anderes Beispiel. Der DJ macht einen Übergang und du hörst, dass es „Jump“ (Van Halen) ist. Weißt du, was ich meine, wenn du es wieder einmal an diesem ganz speziellen Keyboard-Klang erkennst?

Plötzlich geht es weder um dich, noch um jemand anderen. Es geht um den Funken, der gerade bei allen überspringt. Dann folgt Bewegung und es ist aus mit der Langeweile.

Manchmal ist das auch mit Düften so. Es dauert nur Millisekunden und du erkennst, sie sind da, sie schneiden durch die Luft wie diese Keyboardklänge. Sie sind unersetzlich, sie sind unnachahmlich. Durchsetzungsstark = präsent. Für Kenner heißt das „gut“.

Nach diesen Millisekunden ist die ganze Aufmerksamkeit aller Menschen auf diese Düfte gerichtet, genauso wie die Aufmerksamkeit aller Menschen auf „Jump“ gerichtet ist, oder auf „Narcotic“. Ein paar Millisekunden später beginnen dann die Jubelrufe.

Die Unkenrufe von wegen „Penetranz“ verschwinden in einem Partyinferno aus Mitsummen und -singen. Da lag wohl etwas Überzeugendes in der Luft und jedes Mal genießen DJs diesen Moment. Überzeugung kann mitreißen.

Hey, man könnte sagen, die beiden Songs sind eben zeitlos, oder manche Düfte, wie zum Beispiel „L‘ Homme“ sind es auch. Es gibt etliche Gründe, warum man das sagen darf.

Tatsächlich aber spielt für mich die etwaige Zeitlosigkeit bei diesem Duft keine Rolle. Vielmehr: dieser Duft hat unglaubliche Durchsetzungsstärke.

Man kann das ja mal testen. Dazu sprüht man einfach 10 der heute angesagten Zitrusdüfte auf Papier. Einen „L‘ Homme“-Streifen legt man daneben.

Welcher dieser Düfte setzt sich durch?

Test zwei ist historischer und ausgewählter: Man vergleicht…
- Habit Rouge edP
- L‘eau D‘issey pH
- YSL pH
- Versace L‘Homme

Was bleibt? Wahrscheinlich alle. Was aber setzt sich durch?

Und mit ähnlichen Absichten gingen auch die Komponisten bei Van Halen vor und bei Liquido: Man hatte mehr als zehn Keyboardklänge und einen, der sich durchsetzt. Diese Erkennbarkeit ist der Garant des Erfolgs. Von den anderen war ebenso klar, dass sie bleiben werden.

In den achtziger Jahren wurden aus diesem Grund etliche Keyboards eingesetzt. Der Gitarrenklänge war man schon überdrüssig, da musste etwas Frisches her. „Jump“ erschien, so wie „L‘Homme“ im Jahr „1984“ und so heißt auch das gleichnamige Album der Band.

Sowohl das Lied, als auch der Duft wurden zu einem All-time-great. Die Betonung liegt auf GREAT und, wie schon gesagt, weniger auf All-time. Es geht um Power, um den so genannten „Lead-Sound“. Klar war das synthetisch: Diese Keyboards hießen Synthesizer. Und in der Duftwelt wurde nach ebenso knalligen Ästhetiken gesucht.

Das Keyboard beginnt das Stück und so beginnt auch „L’ Homme“ (der Mann) den Tanz. Vielleicht mit einem Sprung, vielleicht mit einem narkotisierend-souveränen Blick. Das ist gar nicht gendertypisch gemeint: Bei Nenas „99 Luftballons“ passiert das auch. Der Funke springt über.

100 Menschen egal welchen Geschlechts tragen Zitrusdüfte. Ein Mensch trägt „L‘Homme“ und damit den Präsenzpokal.

Schnell ist entschieden, woran wir uns am deutlichsten erinnern werden. In der Psychologie heißt das „primacy effect“. Der erste Eindruck zählt. Es ist also die „Lead-Quality“ sowohl des Klangs, als auch des Dufts, was ich aus 1984 liebe und meiner Meinung nach wird die noch Jahrhunderte nachwirken und das hat weniger mit Zeitlosigkeit zu tun, als mit einem ordentlichen Anspruch an ein Parfum mit Signature-Qualität und Charakter.

Hier ist es.

Guess what? Mein Keyboardlehrer trug es noch Mitte der 90er und somit versetzt es mich immer wieder in den Moment zurück, als ich auf meinem mitgebrachten Synthesizer zum ersten Mal „Jump“ lernte. Mit dem Originalsound - versteht sich.

Update 1:

Duft:

Kopfnote: Eine herbe, vom italienischen Zitronenbaum gepflückte Zitrone in deiner Hand, du reibst an der Schale und riechst das Zitronenöl in der Luft. Ehrlich gesagt tun mir Menschen leid, die Zitrone nur synthetisch-chemisch assoziieren können und nur aus Badezimmer-Mitteln kennen. Chanel Homme Sport Edition Blanche z.B. ist tatsächlich viel künstlicher. Hier liegt noch mehr echte Zitrussäure in der Luft und kein Zitronenkuchenteig mit Vanillin. Es geht hier nicht um Gefälligkeit, sondern eine durchsetzbare und klare Richtung.

Duft:

Herznote: Die Kopfnote ballert powerhouse-typisch weiter, während auch italienische, herbe Gewürze dazukommen. Eine dezent verborgene Ledernote bleibt im Hintergrund und ein holzig-würziger Vibe kommt dazu, leichte Seifigkeit. Erst jetzt entsteht eine Ästhetik, die durch eine gewisse Kälte auch unerreichbar wirken lässt. Diese herbe und rauhe Seite wird von nun an milder, da sich zunehmend auch blumige Frische durchsetzt (Chypre).

Basisnote: Je nach Hautchemie überwiegt entweder die zitrische Würzigkeit oder die frische Holzigkeit. Bei mir ist es die frische Holzigkeit und daher erinnert mich das an Lagerfeld Photo, lang ist‘s her, aber die seifige Blumigkeit erfrischt zusätzlich und zwar gefühlt den ganzen Tag. Die Zitrone verfliegt, ihre herbe Basis bleibt.

Haltbarkeit:

Powerhouse, auch in der Disco und/ oder einer langen Sommernacht ist das ein Traum. Ganztagskandidat. Da die Basis so erstrebenswert abzuwarten ist, nur wenig nachzusprühen, falls es denn sein muss. Geht auch auf der Arbeit, dezent, aber schreit nach Freizeit und Strandabend.

Sillage:

Am Anfang enorm. Da kommt auch die Intensität der Zitrone durch, die als Kopfnote allerdings auf die Entfernung auf andere eher so wirkt, wie die Herznote auf einen selbst nach 30min. Blicke anderer drücken aus, dass es hier keines Kompliments bedarf, weil beim Träger vorausgesetzt werden kann, dass man selbst weiß, dass es hochqualitativ ist. Leute kommen und bleiben in der Nähe. Interessanterweise haben manche Träger Angst, dass andere merken, dass sie Parfüm tragen? Einfach sparsam dosieren, denn hier gibt es noch was für den Preis.

Flakon:

Geschmackssache, steht jedenfalls in meiner Sammlung ganz vorne, direkt neben #L‘Eau d‘Issey pour Homme und #Acqua di Gio Profumo, Battistoni #Marte, Yves Saint Laurent #pour Homme… Es steht dort, wo ich nach zitronigen Freshies greife. Auch wenn es eindeutig holzig-würzig ist, gehört es meiner Meinung nach weniger in die Gewürzabteilung als z.B. Aramis Havana, trotz dessen ebenfalls herben Tabak-Leder-Vibes. Das Versace hat vor allem keinen zimtig-orientalischen Gewürz-Vibe, sondern einen herb-mediterranen. Daneben gehört somit noch das originale Aramis #Tuscany.

Und ein Post-it: „Italien-Urlaub buchen und nur ein Parfum in den Koffer packen“
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