Oud Stars

Fars 2012

JacSi9
07.05.2021 - 09:51 Uhr
33
Top Rezension
9
Duft

Von tobenden Kinskis und falschen Rosenblättern

Die faszinierendsten Düfte sind für mich solche, die nicht direkt einen Kaufreflex auslösen. Die sich Monate nach der ersten Begegnung ungeachtet dessen ohne äußeren Trigger wieder ins Bewusstsein schleichen und sagen: „Ich bin noch da. Du musst vielleicht einen halben Tag suchen. Aber ich bin da. Und du solltest es nochmal probieren.“ Darüber habe ich in der Vergangenheit schon mal geschrieben und ich tue es jetzt wieder. Oftmals sind das die Düfte, die nicht ins gewohnte Muster passen und das Bekannte aufbrechen. Die Macht der Gewohnheit ist am Anfang stärker als der Entdeckergeist. Doch die nach vorne preschende Lust auf das Neue findet irgendwann ihren Weg durchs Gehirn ins olfaktorische Gedächtnis.

Meine Probe von Fars habe ich bestimmt seit über zwei Jahren. Alle paar Monate kommt es aus dem Nichts. Das Bedürfnis, wieder nach Fars zu suchen. Nach der blassen Erinnerung, auf die ich wieder einen aktuellen Eindruck sprühen möchte. Bisher war neben der offensichtlichen Faszination immer auch der Zweifel anwesend, ob der Duft zu mir passt. Langsam muss ich mir aber eingestehen, dass ich mich dem Bann nicht mehr entziehen möchte. Der Entdeckergeist hat wieder einmal gesiegt. Aber warum ist das so?

Ich habe von Vergleichen mit Jubilation 25 von Amouage gelesen. Und obwohl die Duftnotenprofile wirklich weit voneinander entfernt sind, ergibt es Sinn. Bei beiden Düften sind die Inhalte extrem dicht verwoben. Einzelne Noten sind schwer herauszuriechen. Das berühmte Ganze, das mehr ist als seine Teile. Dazu kommt die Feierlichkeit des Auftretens, auch wenn die Extrovertiertheit hier eine andere ist. Und genau wie beim Amouage berührt mich hier etwas, das ich nicht ganz in Worte fassen kann. Dieser bestimmte Je-ne-sais-quoi-Vibe, den jeder Duftbegeisterte irgendwoher kennt. Den man nicht auf bestimmte Dufftnoten zurückführen kann. Die Summe macht hier die Musik.

Ob Fars wirklich in die Familie der Oud-Stars gehört, ist fraglich. Dass es dem Duft eher geschadet hat, wahrscheinlich. Wenn ich hier lese, Fars sei ein gewöhnlicher Rosen-Oud-Duft, tobt der innere Kinski. Oud ist hier eine tatsächlich nicht ganz unwichtige Note, hat aber eher eine umarmende Wirkung im Hintergrund. Rose und Rosengeranie sind olfaktorisch außerdem NICHT dasselbe (verdammt nochmal, aber Klaus beruhigt sich langsam wieder). Es ist eher der Rosenstiel inklusive der Blätter, der hier verbaut wurde. Ich bin ziemlich empfindlich bei Rosendüften - hier fügt sich alles reibungslos ins besagte Ganze ein und es riecht nicht klassisch nach Rose.

Wer sind hier also die Duft-Stars? Ganz ehrlich: Schwierig zu sagen. Der Lavendel ist definitiv präsent. Ich bin wirklich kein Lavendelfan, aber der ist hier so dermaßen elegant verbaut. So kühlend und rein. Die angegebene Bergamotte kann ich nicht gesondert wahrnehmen. Für mich ist Fars ein extrem enges Zusammenspiel aus dem kühlen Lavendel, einer holzigen Rosengeranie, in der sich ein bisschen Vetiver verheddert hat und einem dunklen, brodelndem Untergrund. Das klingt im ersten Moment nach einem nicht unbedingt gut zu vereinbarendem Gegensatz. Doch bei Fars passt einfach alles. Als könnte er auch anders, hat es aber nicht nötig. Das Ganze kommt extrem smooth und beinahe luftig daher trotz einer nicht zu verleugnenden Schwere. Bei der Dufttextur muss ich wirklich an Seide denken. So kitschig es klingt.

Wie oben schon angeschnitten, riecht Fars wirklich edel und feierlich. Im Gegensatz zu Jubilation 25 braucht Fars aber keinen barocken Palast, um sich zu entfalten. Fars übt sich in Understatement und kann niedrig dosiert sicherlich gut im Arbeitsumfeld getragen werden. Ein Duft für Menschen, die das Schöne schätzen, das aber nicht auf die Stirn tätowieren wollen. Allerdings kann Fars sicherlich verkleidend wirken aufgrund des luxuriösen Erscheinungsbildes. Einer der Gründe, warum ich mir erst nicht ganz sicher war. Fars trägt etwas sehr angenehm Kultiviertes in sich – ohne dabei allzu sehr in die eigene Ästhetik verliebt zu sein. Attraktiv und durchaus sexy. Vorausgesetzt der Duft passt zum Auftreten des Trägers oder der Trägerin. Für mich ist der Duft eher männlich, habe aber auch gegenteilige Meinungen gelesen.

Extrem arabisch wirkt Fars nicht auf mich. Bei einem Blindtest hätte ich ihn auf diese Weise wahrscheinlich gar nicht kategorisieren können. Was einen Teil des Reizes ausmacht. Entweder kenne ich mich auf dem Gebiet der arabischen Düfte zu wenig aus (möglich) oder das Marketing tut ihr übriges. Fars könnte auch eine arabische Interpretation eines französischen Dufthauses sein. Ich verstehe den Bezug grundsätzlich. Bei Oud denkt man natürlich an arabische Düfte. Die ganze Machart des Duftes erinnert mich aber eher an die französische Parfümerie. Ich mag falsch liegen, aber das ist mein Eindruck. Die Haltbarkeit ist sehr gut, die Sillage fein abgestimmt. Passt einfach.

So hat sich ein weiterer Duft seine Zeit genommen. Auch wenn das Ergebnis wahrscheinlich beim ersten Aufeinandertreffen bereits feststand. Die sanften Fesseln der Gewohnheit wollten es nicht zulassen, dafür ist es jetzt umso schöner. Deswegen ist dieses Hobby so schön: Weil eigene Vorstellungen immer wieder in Frage gestellt werden. Nur so bleibt der Entdeckergeist lebendig. In einer Welt aus tobenden Kinskis, zarten Rosenblättern und holzigen Rosenstielen. Eigentlich gar nicht so schlecht.

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