Shooting Stars

Jebel

Melody
24.03.2018 - 19:50 Uhr
19
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft

Slowfox

„So, Leute, der letzte Tanz für heute“, verkündete der DJ, noch ehe die Tanzpaare aus der letzten Sambadrehung, dem letzten Schwung herausgekommen waren.
„Eiiiiiiiin … ...„ Kunstvolle Pause. „………..Slowfox!“
„Schrott“, murrte ein junger Mann in stylisch ausgefransten Jeans und angesagtem Bruno Banani Hemd. „Den kann doch kein Schwein!“
„Ja, und dann auch noch als letzten Tanz“, bestätigte seine Partnerin ärgerlich, ehe sie im Gefolge der meisten anderen Paare das Feld räumten.
Schließlich standen nur noch drei Paare auf der Tanzfläche.

Ben hatte ebenfalls Anstalten gemacht, zu seiner Weißweinschorle zurückzukehren, denn eigentlich hatten sie nach der Samba nach Hause gehen wollen. Doch Marja hielt ihn zurück.
„Was meinst Du? Wollen wir?“
„Na schön“, gab er nach. „Dir zuliebe.“ Mit einem breiten Grinsen fügte er hinzu: „Aber vergiss bloß nicht, Deine Ferse abzuziehen.“
Ein Running Gag, den Marja mit einem Knuffer in seine Seite beantwortete, bevor sie automatisch in die Standard Tanzhaltung glitt. Körperkontakt, rechte Hand in seine Hand, linke Hand leicht auf seinem Oberarm, Kopf nach links geneigt.

Für einen Augenblick schloss sie die Augen und ihre Gedanken flogen um einige Jahre zurück. ...

Es war ein einfacher Übungsabend wie heute gewesen, als sie zum ersten Mal gesehen hatte, wie ein Slowfox getanzt werden konnte. Keine Profis hatten ihn getanzt– nur ein älteres Ehepaar, das wunderbar miteinander harmonierte und offensichtlich sehr viel Zeit investiert hatte, um diesen Tanz zu lernen.
Mit raumgreifenden, fließenden Bewegungen waren die Beiden über die Tanzfläche geschwebt - eins mit der Musik, eins miteinander - ein harmonisches Auf und Ab, weiche Drehungen, schwingende Wendungen mit scheinbar müheloser Leichtigkeit und samtpfötchenhafter Anmut und Rafinesse.
Zu Beginn waren vier Paare auf der Tanzfläche gewesen. Zum Schluss tanzte nur noch dieses Paar. Das übliche Gemurmel hatte plötzlich aufgehört und jeder schaute ihrer Darbietung zu. Als das Lied zu Ende war, gab es spontanen Applaus und das Paar hatte sich ziemlich verlegen verbeugt.
Und Marja, fasziniert wie die anderen, hatte sofort gewusst, dass das ihr Tanz war und sie ihn unbedingt lernen wollte.

Die Anfänge waren nicht einfach gewesen, obwohl sie und Ben bereits erfahrene Tänzer waren. Noch heute klang die Stimme des Tanzlehrers in ihrem Ohr:
„Feeeerse … Ballen, Ballen …. Feeeeerse …. Ballen, Ballen, Ballen, Ballen …“
„Ferse abziehen, Marja! Ferse abziehen! Du trampelst nicht durch einen Acker! – Gleeeiiiiiiten …“

Es gab keinen echten Grundschritt wie bei den anderen Tänzen, nur eine Grundtechnik, komplexe Figuren, die nicht komplex wirken durften, Regeln, die kompliziert waren, - englisch eben - Drehungen, die schwungvoll sein mussten, aber nicht so aussehen durften. Wendungen, die auf keinen Fall abrupt wirken durften, und immer wieder ….. üben, üben, üben…

Unversehens wurde Marja aus ihren Erinnerungen gerissen, als die Musik einsetzte undprompt verpatzte den ersten Takt. „Feeerse … Ballen, Ballen", spöttelte Ben, doch sie hatte sich schon wieder gefangen. In den Rhythmus von „Back to Black“ und Amy Winehouse wundervolle Stimme fallend, glitt sie in die Flechte, wurde eins mit Bens Bewegungen und eins mit der Musik....

Sie merkte nicht, dass sie plötzlich allein auf der Tanzfläche waren, noch dass das Gemurmel im Saal verstummt war. Erst als der letzte Akkord verklang, ringsum Applaus ertönte und Bens Hand sie in eine unerwartete Verbeugung zwang, bemerkte sie, dass die Leute sie anschauten. Das Blut schoss ihr in die Wangen. Sie lächelte verlegen, doch ihre Augen strahlten.
.......................

Jebel ist wie Slowfox – komplex, ohne das Komplexe zu zeigen. Schwungvoll, jedoch in aller Ruhe. Mit komplizierten Wendungen und Drehungen, die fließend und harmonisch wirken, schwebt Jebel über die Tanzfläche.
Englisches Understatement!
4 Antworten