Jazz 1988 Eau de Toilette

Version von 1988
Nüsternlust
04.04.2022 - 13:33 Uhr
4
Hilfreiche Rezension
8.5
Duft

Eine Brise Jazz

Ah, auf Klaviertasten soll der alte Plastik-"Flakon" also anspielen (danke, Carlitos01!), war mir nicht bewusst. Ich vermutete bisher, seine Aufmachung könnte mit der Bühnengarderobe bestimmter Ären der Jazzgeschichte, etwa Oscar Petersons Smoking (Black Tie), oder mit der größtmöglichen Formalität/Kultiviertheit, die ein krasser Schwarz-Weiß-Kontrast allgemein zur Aussage haben kann, zusammenhängen.

Zum Duft: Das Charakteristische liegt für mich in der Vielzahl von floralen Noten, die in die Komposition eingeflossen ist. Es erinnert in der Tat etwas an das, was einem beim Gießen einer Vase voller bestimmter, aparter Zimmerpflanzen in die Nase steigt (nicht, dass ich welche hätte...!). Das erzeugt einen kühlen, ins Nasse gehenden Eindruck. Der Duft scheint in Bewegung zu sein, fast "schlierenziehenderweise". Dafür, dass das Ganze dennoch mit pour homme etikettiert werden kann, sorgt als weiteres typisches Merkmal eine holzige, schön krasse Bitterkeit, die in dieser Art dem Parfümeriekunden von heute von den Parfümeuren vorenthalten oder nicht mehr zugemutet wird (je nach Ansicht).
Schon Mitte der Nuller-Jahre gab es Menschen, die sich nicht vorstellen konnten, dass Jazz' Bouquet-Winde als Ursache ein Parfüm haben könnten. So habe ich damals bei 2 verschiedenen beruflich-gesellschaftlichen Anlässen erlebt, dass in meiner unmittelbaren Gegenwart geäußert wurde: "Was riecht denn hier so?"/ "Irgendwas riecht hier...".
Dennoch dürften nicht wenige die Eleganz dieses Dufts erkannt und es zu schätzen gewusst haben, auch auf der hießigen Seite des Rheins in den Genuss vom Pariser Chic zu kommen.
Kleine Anekdote dazu: Als ich vor rund 20 Jahren meine Eltern, die in einem Feriengebiet lebten, besuchte, unternahmen wir eine kleine Wanderung um einen See. Es dürfte April gewesen sein, und ich trug eine stark spiegelnde Flieger-Sonnenbrille bei sonnigem (logisch) Wetter. Mein Vater sagte zu mir:"Wenn man Dich so sieht, könnte man Dich glatt für einen Star oder Promi halten, der hier ein Häuschen hat oder Urlaub macht..."
In der Retrospektive bin ich mir fast sicher, dass er sich zu dieser Aussage nicht zuletzt auch deswegen hat hinreißen lassen, weil ihm eine Brise des von mir getragenen Jazz um die Nase geweht war.

Übrigens, die 2011er Flaschen-Version versucht tapfer, das Ur-Jazz am Leben zu halten, ist aber im direkten Vergleich lediglich eine säuerliche Karikatur.
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