Opium 1977 Parfum

Version von 1977
Baldini
25.03.2014 - 06:56 Uhr
23
Sehr hilfreiche Rezension

Sentimentale Reminiszenz

Es gibt Momente im Leben, an denen ich ernstafte Zweifel habe, ob es wirklich Zufälle im Leben gibt. Solch ein Moment war gestern.

Vor drei Tagen war ich in der Parfümerie um mir ein After Shave Balsam zu kaufen (Hanae Mori). Während ich mich nach noch etwas umschaute, stieg mir ein Duft in die Nase, die eine andere Kundin an einem Tester probierte und der mir entfernt irgendwie bekannt vorkam. Ich sah daraufhin, dass sie den Opium-Flakon noch in der Hand hielt...

...zu Hause angekommen las ich dann auf "parfumo" die diversen Kommentare zu diesem Parfum...

...zwei Tage später begegnete ich diesem Duft abermals, an einer älteren Dame die auf der Strasse zufällig an mir vorbeiging; aber es roch anders. Ich lief der Dame einige Schritte hinterher um den Duft zu lokalisieren und fragte sie ob sie mir den Namen des Parfums verraten könne. Opium, sagte sie fügte aber fast entschuldigend hinzu, "es ist halt noch die Origianlabfüllung". Vielleicht meinte sie dieses Odeur sei in der heutigen Zeit für eine jüngere Generation zu opulent?

Und dann war sie wieder da - meine Erinnerung an diesen Duft:

Ich war 16 Jahre und man schrieb das Jahr 1979. Meine Mutter hatte in ihrer Parfümerie vom Opium ein Müsterchen erhalten. Dieses verwendete sie sparsam und zu speziellen Gelegenheiten. Der Inhalt ging bald einmal zur Neige und den Kauf des Flakons schieb sie aus rationellen Gründen immer wieder hinaus. Für ihren Geburtstag habe ich ihr dann einen 100ml Flakon gekauft. Das Geld hatte ich vorher gespart, (Taschengeld, 4-6 Arbeitseinsätze samstagnachmittags in einem Supermarkt und etwas Zustupf von meinem Vater).

Fortan konnte ich diesen Geruch wieder öfters in der Wohnung vernehmen, aber nach wie vor zu speziellen Angelegenheiten oder wenn sie mal ausging. Meine Mutter liebte es zu tanzen. Leider konnte sie dieses Vergnügen nicht mit meinem Vater teilen, da er eher ein Tanzmuffel war. So ging Sie 1-2 mal im Monat mit Freundinnen in den Ausgang um in ein Lokal um sich beim Tanzen zu vergnügen.

Etwa ein Jahre später hatten wir uns für den späteren Nachmittag in der Stadt in einem Cafe verabredet, da sie noch etwas einkaufen wollte. Wir tranken vergnügt einen Kaffee und unterhielten uns über den Tagesverlauf ausgiebig. Anschliessend lud sie mich noch zum Nachtessen ein. Nachdem Sie von der Toilette kam, vernahm ich wieder den mir bekannten Duft.

Nach dem Nachtessen fragte ich ob sie abends mit ihren Freundinnen abgemacht hätte um Tanzen zu gehen, was sie mit etwas Bedauern verneinte. Ob es der entspannte Nachmittag/Abend war oder der orientalische Duft meine Sinne bereicherte - ich weiss es nicht mehr - jedenfalls unterbreitete ich ihr daraufhin den Vorschlag, abends noch etwas auszugehen. Nach kurzem Überlegen stimmte sie dem Vorschlag etwas verschämt zu. Wir gingen danach in das Tanzlokal und nahmen an einem 2er-Tisch Platz. Ich bemerkte, dass sie etwas unsicher war; sie schien um die Gedanken des Servierpersonals besorgt, die sie mit einem so viel jüngeren und unbekannten Mann sahen und daraus wohl ihre Schlüsse zogen.

Ich bat meine Mutter dann mit Anstand um den nächsten Tanz. Anfangs noch etwas unsicher in meinen Tanzschritten fanden wir alsbald den gleichen Takt. Zunehmend schien es ihr ein Vergnügen zu bereiten mit ihrem Sohn vergnügt zu tanzen, den das übrige Publikum als einen jugendlichen Lover taxierte. Und stetig umwehten mich, wie in einem Wechselbad, die floralen und würzigen Noten, die dem Anlass noch das gewisse Etwas hinzufügten. Ob es einfach das Tanzen mit mir war oder ein leichtes Beschwipstsein von Ihr, sicherlich hat Opium seinen Teil zu diesem gelungenen Abend beigetragen. Je länger der Abend wurde, desto unbekümmerter schien sie und tanzte ausschliesslich mit mir - und ich genoss es!
Als wir gegen den Schluss des Abends noch etwas an der Bar tranken, machte sie auch keine Anstalten einigen Bekannten, die sie dort noch traf, etwas von ihrem/unserem Geheimnis zu lüften. Wir nahmen dann ein Taxi und zuhause war sie dann wieder meine Mama (wenn zuweilen auch in einem anderen Licht).

Und gestern stellte ich fest, dass es Mamas 20. Todestag war. Gibt es Zufälle?
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