AtTheScenter
16.03.2024 - 16:22 Uhr
5
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

sehnsucht nach nostalgie - oder: vom bewahren und beschwören

die morgenröte lag wie ein wärmender schleier auf der natur,
als ich auf freiem feld erwachte
und noch bevor ich meine augen öffnete, zogen mir duftende essenzen
wie ein seidenes tuch über gesicht und leib
reife blutorangen hängen golden in der spätsommersonne
wärmender safran zerstäubt und umhüllt die frucht,
auf deren schale honigsüße tropfen wie morgentau glitzern
doch die frühe frische der blutorange zieht nach dem erwachen mit dem lauf
der sonne dahin
haselnüsse fallen vom baum
bienen summen zwischen trockenem heu
unklebrige natürliche honigsüße tropft vom baum herab
auf herben trockenen tabak
hier dünsten keine feucht-dunkel-fermentierten tabakblätter aus
diese blätter wurden an der sonne getrocknet, deren wärme sie noch in sich tragen
in der holzhütte am anderen ende der wiese bäckt eine mutter süße nachspeißen,
in ihrer küche brennt ein wenig weihrauch
vor der hütte steht ein korb mit getrockneten gewürzen und edlen hölzern,
deren geruch der wind herüberträgt
ich tagträumte, daß ich eine handvoll getrockneten heues und späne edler hölzer
mit gewürzen bestreute und in ein tabakblatt wickelte,
welches ich mit honig und wachs verschloss,
doch dieses bündel entzündete ich nicht, ich hielt es nur in den lichten schleier
des von der hütte herüberziehenden gebäckgeruches und weihrauches,
um ihm nur eine ahnung von rauch zu vermitteln
wie ein potpourri aus allem, was natur bedeutet und ländlichen sommer verkörpert,
trug ich dieses bündel vor mir her und gleichsam trug dessen duft mich durch den tag,
vom morgen- bis zum abendrot
schwelgend, tagträumend, lustwandelnd

alles ist hell und warm, die sonne dieses spätsommers wirft keine schatten
doch nie ist das licht zu grell, nichts überzeichnet bis zur blendung
wo man schatten vermuten möchte, müsste man ihn suchen, denn es wird niemals kalt,
alles ist von warmem goldrot durchdrungen
es ist die angenehme sonne des nachmittäglichen spätsommers,
in die man, mit zum genuss verschlossenen augen, gerne sein gesicht hält, zufrieden lächelnd
der ummittelbare moment zwischen natur und geist,
in dem man alles denken sein lässt
und man nur noch sinnliche wahrnehmung ist, die genießt ohne zu wollen

alles ist warm, doch nichts schwitzt
es ist trocken und doch fließt es, wie ein süßharzig-herber likör,
der aus der sonne rinnt und über die hölzer und orangen tropft und zu boden fällt,
wo er auf tabakblätter und heu sich legt
die tropfen funkeln im sonnenuntergang, doch es scheint als stünde die sonne ewig dort,
sie will nicht bis zur neige sinken
die luft flirrt zwischen den tönen der natur,
das zirpen der vögel, das summen der bienen,
das wogen des windes im trockenen heu,
das knacken der aufgewärmten hölzer,
die in der sonne trocknenden tabakblätter

alles ist sich einig, nichts neidet einander

ich erinnere mich der inspiration angelos'
und ja, es gibt ein stimmiges bild
ich sehe seine vorfahren ihr tagwerk auf den tabakfeldern verrichten,
gebettet in eine unberührte natur, ein einfaches leben führend,
zuweilen hart doch zufrieden, fernab von ständtischem treiben,
eher hingebungsvoll denn aufopfernd
ich sehe eine ländliche idylle, die eine geborgenheit in sich trägt,
welche der duft auch in mir auslöst
dies ist ein sommer, wie er mir gefällt und wie er in mir leben darf

eine ode an den gelebten reinen augenblick vergangener zeiten
und im versuch, diesen zu bewahren, auch gleichzeitig eine nostalgische mahnung
an dessen vergänglichkeit
und nur das erinnern ist es, was uns ihn wieder und wieder heraufbeschwören lässt,
und sei die beschwörungsformel zuweilen ein elixier in einem glasflakon
kostbar aufgrund seiner erlesenen ingredienzien,
doch kostbarer noch aufgrund seiner fast alchemistischen fähigkeiten

fabelhaft umgesetztes konzept, ich bin glücklich diese handwerks-und-seelenkunst entdeckt zu haben, es wird sicher nicht der einzige duft des hauses sein
die mitgeschickte probe des tabac libre steht schon auf meiner liste der nächsten zu tätigenden anschaffungen
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