Monopteros 2020

Costello
10.09.2020 - 16:16 Uhr
28
Top Rezension
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Münchner Freiheit

Der Monopteros in München ist ein hübscher, von Leo von Klenze im klassizistischen Stil entworfener und im Auftrag König Ludwig I. 1836 fertiggestellter Rundtempel, der auf einem künstlich angelegten, durchaus steilen Hügel im südlichen Englischen Garten thront. Kaum ein Münchner, der nicht zumindest ab und an die paar Handvoll Stufen erklimmt, um die besonders bei Föhn herzerhebende Aussicht zu genießen. Weit erstreckt sich der Blick von hier aus in Richtung Süden, über die Stadt und die Alpen hinweg, nach Italien, Goethes „Land wo die Zitronen blühn“ und nach Griechenland mit seinen Relikten antiker Kultur, deren ästhetische Harmonie dem kunstsinnigen König zeitlebens besonders am Herzen lag. Frei atmet sich‘s hier oben, frei schweifen hier die Gedanken, alles Einengende verliert hier schnell seine Macht. Vielleicht auch deswegen wurde der Monopteros ab den 1960er Jahren zum Treffpunkt von Alternativen und Freidenkern unterschiedlichster Couleur. Hippies trommelten, was das Zeug hielt, Blumenkinder tanzten dazu, Schwaden von „Ganja“ umwehten den Hügel. Die „Gammler“ und ihr Lieblingsort waren in der damals stockkonservativen bayrischen Landeshauptstadt ein echter Bürgerschreck. Auch, wenn sich die Gegenkultur um den Hügel heute braver geriert und ein auszuufern drohender Strom von Touristen das bunte Biotop und seinen speziellen Charme bedroht, ist jene Aura von Freiheit dennoch jederzeit spürbar geblieben.

Und vielleicht war es jenes Freiheitsgefühl, das den in München lebenden Parfümeur Anselm Skogstad zu seinem gleichnamigen Duft inspiriert hat. Denn der Duft ist vor allem eines: frei von Konventionen. Klassischer Duftverlauf, bekannte Akkorde, eindeutige Genrezuordnung: ganz klar Fehlanzeige. Stattdessen ein wild anmutendes Nebeneinander von Noten, das sich zumindest auf dem Papier als unmöglich sinnstiftend kombinierbar liest. Sich eine Himbeernote beim Tête-à-tête mit einer Gurkennote, eine Kaffeefacette mit einer Kokosnussfacette vorzustellen macht dann – wie schon von meinem geschätzten Vorrezensenten angemerkt - doch etwas schwindelig, speziell, wenn man wie ich eher klassischen Duftkompositionen zugeneigt ist.

Und so war ich beim ersten Testen doch etwas zurückhaltend: erstmal musste ein Duftstreifen herhalten, später erst folgten die Hauttests. Umso erstaunter war ich, dass ich, was mir da entgegenduftete sofort als absolut schlüssig und in sich stimmig empfand. Die oben angeführten Noten umspielen sich, tanzen miteinander, mal mit Abstand, mal eng umschlungen, und formulieren einen für mich ausgesprochen interessanten, sich im Spannungsfeld von würzig-pfeffrig und leicht süß fruchtig bewegenden, innovativen Akkord, der sich schwer in Worte fassen lässt. Noten, denen ich üblicherweise weiträumig aus dem Weg gehe, präsentieren sich hier durch die ungewöhnliche Kombination in völlig neuem Licht. Eine Erfahrung, die mich immer wieder fesselt, wie jüngst beim Testen von Carlos Benaïms/Frédéric Malles wunderbarem „Music for a While“, bei dem eine Ananasnote durch die Kombination mit Lavendel und Patchouli ganz neue Facetten offenbart. Wer also z.B. bei Kokosnuss an billige Sonnencreme oder einen unvergesslichen Piña Colada-Kater denken muss, darf durchatmen. Und auch die wenig schmeichelhaften Assoziationen, die ich ganz persönlich mit dem Duft von Gurken verbinde, lösen sich schnell in Wohlgefallen auf. Vielleicht sind es ja die Aldehyde, die wie einst bei Chanels No. 5 das traditionelle Blütenherz, auch hier die konkreten Noten ins Abstrakte, Unerwartete und Spannende übersetzen. Besonders gut gefallen hat mir zudem die zwischen satt cremig und zart ätherisch changierende Textur des Duftes, die ihn fast schon als – zugegebenermaßen – exotischen „Schmeichler“ qualifizieren.

In meinen Augen ist Monopteros auf jeden Fall die ungewöhnlichste Kreation der sehr feinen Der Duft-Linie. Dass er hier polarisiert und weiter polarisieren wird ist klar, dazu bewegt er sich einfach zu weit abseits des Gewohnten. Hier hat sich ein Parfümeur etwas getraut, Mut bewiesen und einen Duft kreiert, der nie langweilt, immer wieder überrascht und für mich den Spagat zwischen tragbar und im positiven Sinne fordernd mit Bravour bewältigt. Einen Duft, der ganz wunderbar zum namensgebenden Mythos Monopteros passt.
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