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Düfte und Tonarten

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vor 12 Jahren
Zuerst mal zum Thema Vergleichen/ Brückenschlag: Wenn ich A (=Musik) und B (=Duft) sinnvoll vergleichen will, muss ich ziemlich genau wissen, was A und B jeweils für sich genommen sind. Und wenn ich eine Brücke bauen will zwischen A und B, müssen A und B ordentlich solide Pfeiler sein, sonst kracht die Chose blitzschnell.

Deshalb jetzt noch ein paar Musik-Anmerkungen:
Monsieur:
Genau genommen ist fis nicht gleich ges (insbesondere als Tonarten), auf dem Klavier ist das ja alles ein Kompromiss, um alles drauf spielen zu können. Bei Streichinstrumenten geht der Unterschied noch...

Bei Tasteninstrumenten, die gleichschwebend temperiert gestimmt sind, ist's wurscht, ob man einen Ton fis oder ges nennt, es klingt identisch. Das gibt der Klavierstimmer so vor.
Bei Streichern und übrigens auch bei Bläsern macht allein der Spieler die Tonhöhe: Fingerkuppe einen halben Millimeter rauf oder runter kippen auf der Saite, Lippen einen Tick mehr oder weniger spannen. Da können fis und ges einen Hauch verschieden klingen, je nach musikalischem Kontext. (In tonaler Musik ist das sinnvoll, in Zwölftonmusik hingegen nicht.)

Dannyboy:
Womit wir dann wieder bei der Frage wären, wieviel Einfluss die Tonart auf die Stimmung hat, die ein Musikstück erzeugt...

Völlig einflusslos ist sie nicht - diesen Aspekt habe ich mir beim Beitrag weiter oben geschenkt, um's nicht noch komplizierter zu machen. Der Einfluss geht aber "umme Ecke":
1. Manche Komponisten haben steif und fest an Tonartensymbolik geglaubt. Und für einen bestimmten Ausdruck halt die Tonart gewählt, die sie dafür passend fanden. Hector Berlioz zum Beispiel hat ein regelrechtes System der Tonartensymbolik entworfen und benutzt, und Komponisten in seinem Dunstkreis haben es ihm nachgetan. Anderes Beispiel: Olivier Messiaen hat seine "Modi" unmittelbar mit Farben assoziiert. (Aber Vorsicht, diese Modi sind nicht mit Tonarten gleichzusetzen: Messiaen hat sich auch in außereuropäischer - also nicht-tonaler - Musik umgesehen.)
2. Je nach Instrument können bestimmte Tonarten unterschiedliche Klangfarben erzeugen, ergo unterschiedliche Stimmungen. Am besten klappt das bei Streichinstrumenten. Und hat wiederum ganz trivial mit Physik zu tun... Kryptisch? Nö. Vereinfacht erklärt: Spielt man auf einer Geige den Ton g', regt die Schwingung die leeren (=nicht mit Fingern besetzten Wink) Saiten, deren Tonhöhe in die Ober- oder Untertonreihe passt, sachte zum Mitschwingen an. Im g'-Fall vibriert unten drunter zart die G-Saite, das macht den Klang hübsch rund und satt. Spielt man ein a, bringt das oben drüber A- und E-Saite in Wallung, auch nett. Spielt man hingegen ein as', schwingt keine leere Saite mit, das tönt also fahler.

Punkt 1 hat Hörgewohnheiten geschaffen: Wir kennen so und so viele "heroische" oder "verliebte" Stücke in dieser oder jener Tonart, daher schreiben wir - fälschlich - den Ausdruck der Tonart zu. Bei Punkt 2 ist's ähnlich. Außerdem gibt's Verknüpfungen zwischen 1 und 2: Man muss sich schon genau angucken, welches Instrumentarium zur Zeit des Komponisten X oder Y gebräuchlich war...

Fortsetzung besser in einem neuen Post, sonst nervt das Scrollen.
vor 12 Jahren
Louce:
... Damit wäre dann indirekt auch Damnys Frage beantwortet. *g* Tonarten eignen sich offenbar, bestimmte Stimmungen musikalisch auszudrücken... aber der Ausdruck geschieht durch das Musikwerk, nicht durch die verwendete Tonart.
Auf jeden Fall.

Louce:
...Die objektive Vergleichbarkeit Musik-Duft ist sehr generell, betrifft eher grobe Stimmungsrichtungen (Melancholie, Triumph, Romantik, etc.) und ist im Detail dann nur noch subjektiv begründbar, richtig?...
Das würde ich nicht unterschreiben.

Denn hier wie dort, bei Musik wie bei Duft, gibt es, bei aller Flüchtigkeit und Ungreifbarkeit im Zeitverlauf, deutlich Zeichenhaftes, das wir spontan "verstehen" (auch wenn wir es nicht benennen können - aber das kann hier wie dort mit fehlender Übung und fehlender handwerklicher Kenntnis zu tun haben).
Beispiele aus der Musik:
- In Papa Bachs Passionen und Kantaten gibt es handfeste tönende "Vokabeln", etwa fürs Kreuz oder für die böse verführerische Schlange, die man hörend mitkriegt, nicht erst beim Notenlesen.
- Es gibt bei Haydn, Mozart, Beethoven Dinge, die uns lachen machen. Ohne Text, rein musikalisch. Solche Komik oder Ironie kann nur funktionieren, wenn ein bekannter Code bewusst gebrochen wird.

Handfeste Beispiele aus der Parfumerie zu finden, fällt mir schwerer, da kenne ich noch nicht so viel "Literatur" Wink. Hier versuche ich's mal allgemeiner: Ich denke, Duftnoten und ihre Kombinationen "bedeuten" etwas für uns. Es gibt Abfolgen, Melodien, Akkorde, "Vokabeln", Zusammenklänge, Polyphonien; es gibt Kontrapunktik zwischen bitterem Harz und süßer Blume, Widerstreit zwischen kühlem Grün und warmem Holz; es gibt Variations- und Entwicklungsformen, es gibt sinfonisch und kammermusikalisch Angelegtes...

Bei diesen kompositorischen Eigenheiten und bei der Nicht-Materialität, Nicht-Abbildlichkeit, die Musik und Duft gemeinsam haben, würde ich ansetzen, wenn es ums Vergleichen geht. Aber das sind nur fragmentarische Ideen - keine Ahnung, wie weit man dabei kommen kann. Was die Musik angeht, gibt es bisher herzlich wenig Forschung und Theorie zu ihrer Semantik oder wenigstens Semiotik. Beim Duft ist dieses Feld ja wohl noch weniger beackert.
vor 12 Jahren
Spannend. Danke, Undine.

Mir ging es tatsächlich um den Ausdruck. Oben hatten wir: E-Dur = "Liebestonart". Eine E-Dur-Tonleiter hat erstmal nichts mit Liebe zu tun.

Nichtsdestotrotz mag diese Tonart dem Komponisten A besonders passend erscheinen.

Und da möchte ich mal bei Undine anknüpfen, auch auf die Gefahr, dass wir langsam vom Hundertstel ins Tausendstel kommen:

Klangfarbe - Stimmung - Ausdruck

Es lässt sich ja schon kaum ermessen, welchen Einfluss ein Instrument mit seinem spezifischen Klang für das Zusammenwirken von Komponist/ Instrument/ Raum und damit am Ende auf die Komposition hat. Selbst völlig identisch konstruierte Instrumente klingen nicht zwingend gleich. Messbar. Gitarren z.B. werden inzwischen, auch wenn das noch in den Kinderschuhen steckt, durch gezielte Beschallung klanglich optimiert. Gitarristen wussten es schon immer: "Mein Instrument hat eine Seele."

Was bedeutet: So einfach ist das Ganze nicht.

Aber auch: Es kann Spaß machen, zu überlegen, welcher Duft zu welchem Musikstück passt, ohne dass ich das fundiert begründen könnte/ müsste. Wink
vor 12 Jahren
Dannyboy:
Spannend. Danke, Undine.

Mir ging es tatsächlich um den Ausdruck. Oben hatten wir: E-Dur = "Liebestonart". Eine E-Dur-Tonleiter hat erstmal nichts mit Liebe zu tun.

Hmm, nicht so schnell. Wenn Du Dir den Blogeintrag "9. Zeichen, Teil II" von Louce anschaust und die Definition von Symbol: Warum sollten Tonarten keine Symbole sein können? Lasst uns dies einfach mal so akzeptieren und nicht hinterfragen, warum jetzt, in Zeiten der temperierten Stimmung, so ein paar Hertz zu einer anderen Bedeutung führen sollen. Wenn wir akzeptieren, dass in Musikkreisen Tonarten als Symbole verwendet werden: Symbole als Zeichen haben die Eigenart, dass ihre Bedeutung manchmal nur Eingeweihten bekannt ist.
Wenn sich nun also einer der Musikspezialisten noch einmal die Mühe macht, die Symbole zu erläutern, hätte das Thema einen neuen Startpunkt.
So würdet Ihr Euch hier in der Diskussion nicht immer im Kreis drehen, sondern könntet weiter kommen. Selbst dann wird es noch schwierig genug, nicht vollkommen beliebige Bezüge zwischen diesen Kunstgattungen herzustellen. Wink
Ich habe zu wenig Ahnung von dem Thema, um aktiv teilzunehmen (deswegen "Ihr"/"Euch"). Aber verfolgen würde ich es gerne weiter. Und ein ganz spezieller Dank an Undine.
vor 12 Jahren
Undine:
Sachlich begründet kann man von solch einer Zuordnung aber nur bis zum Frühbarock sprechen; für die Epoche also, als die moderne temperierte Stimmung der Instrumente noch nicht erfunden war...

Tonartensymbolik ist eine völlig überstrapazierte Angelegenheit,... Tonarten sind ein in unserer Kultur überliefertes System, Klänge zu organisieren. Eine Konvention, nicht mehr.

Undine hat sich diesbzgl. ja schon geäußert. Was natürlich nicht bedeutet, dass es keine andere Sichtweise gibt, oder geben könnte.

Außerdem habe ich in dem Teil, den du nicht zitierst, Ronin, ja darauf hingewiesen, dass man das im Kontext sehen muss und es für den Komponisten durchaus passend gewesen sein mag. Man muss den Komponisten, natürlich nicht losgelöst von der Zeit und den Umständen, das Instrument mit all seinen Eigenarten, usw. miteinbeziehen. Aber das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ich nicht pauschal, ohne auf diesen Kontext einzugehen, sagen kann: E-Dur = Liebestonart. Was ich sagen könnte: Dieses Musikstück handelt von Liebe und der Komponist unterstreicht das, indem er es in E-Dur schrieb, weil... (das hat halt noch keiner gemacht) Und deshalb finde ich, würde ein Rosenduft passen, weil...

Dennoch kann ich sagen, für mich ist das großer Quatsch. Nach aktuellem Wissensstand, als Uneingeweihter. Wink Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es mir bei solchen Dingen generell an Vorstellungskraft mangelt. *g*
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