vor 4 Jahren 1
Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie manche sich mit einer so ungenauen Sache wie ihrem Duftgedächtnis, so extrem sicher sind.
Ich habe eine extrem empfindliche Nase und auch Gehör. Ich rieche/höre Dinge meist bevor andere es bemerken. Aber das bedeutet nicht auch, dass diese Sinne super genau sind. Ich kann dir nicht die Tonlage sagen. Ich kann Dir nicht die chemische Zusammensetzung eines Duftes dem Geruch nach runterbeten. Und ich merke selbst ständig, dass der selbe Duft an verschiedenen Tagen, zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten unterschiedlich riecht. Und ich bin mir auch absolut bewusst, dass mein Gedächtnis für Düfte sehr viel schlechter ist, als mir das zunächst erschien.
Düfte verändern sich mit der Zeit. Wenn sie ungeöffnet gut gelagert werden weniger, aber bei normalem Gebrauch und Lagerung tun sie das sehr langsam mit der Zeit. So viele Posts mit "die Farbe des alten war viel dunkler, da wurde was gemacht!". Dabei bedeutet eine kleine Reduktion der Mischverhältnisse (Alkohol verdampft) oft große farbliche Veränderungen. Und manche Inhaltsstoffe dunkeln mit der Zeit auch noch nach. Das kann man besonders schön bei kleinen Abfüllungen sehen. Denn da macht sich die Verdunstung besonders bemerkbar. Aber Leute sind sich so krass sicher, dass das der unwiderlegbare Beweis ist.
Klar, da können jetzt Verschwörungstheorien gebastelt werden. Aber ich würde den Aluhut erstmal absetzen und mir überlegen, ob nicht meine persönliche Perzeption, sowie völlig natürliche Prozesse (Verdunstung des Alkohols und Nachdunkeln von Inhaltsstoffen, "Mazeration", Veränderte Umwelt- und Randbedingungen, etc.) für eine Veränderung meines Eindrucks verantwortlich sind. Natürlich kann es sein, dass die bösen Konzerne reformulieren, ohne es publik zu machen. Allerdings ist Dior mit den Formelcodes da ja schon absolut vorbildlich.
Ich bin mir fast sicher, dass ich Leuten zwei komplett identische Düfte aufsprühen kann, aus dem selben Flakon und wenn ich sie dann frage "Wie nah kommt der Klon auf Streifen zwei dem Original auf Streifen eins und welche Unterschiede kannst Du riechen?" Ich eine ganze Menge an Unterschieden und sehr wenige "Das ist 100% das gleiche!" hören werde. Und noch übler, wenn kein direkter Vergleich möglich wäre, sondern Tage oder gar Monate später aus dem Gedächtnis verglichen werden soll. Wenn der Duft objektiv sehr anders riecht, so wie Dior Homme 2020 im Vergleich zum Original Dior Homme, ist das natürlich geschenkt. Aber wenn sich Leute dann hinstellen und weil sie hier ein wenig mehr Iris und da ein wenig mehr Schokolade riechen gleich eine Reformulierung folgern, dann bin ich oft einfach baff. Ich rieche bei vielen Düften an einem Tag mal mehr von der Note, an einem anderen mal mehr von einer anderen. Aus dem selben Flakon!
Viele YouTuber propagieren den Verdacht auf Reformulierung auch und ich sehe da einen gewissen "Des Kaisers neue Kleider"- Effekt. Einer hat es mal in den Raum gestellt, wegen dem Redesign besteht der Verdacht und plötzlich wird jeder noch so kleine Unterschied auf die Goldwaage gelegt, der ansonsten einfach als normale Schwankung hingenommen würde. Oft habe ich "der Duft ist etwas frischer und leichter" gehört. Irgendwie natürlich, dass einem das so vorkommt, da die Kopfnoten die flüchtigsten Komponenten sind und zuerst nachlassen. Also riecht der alte Flakon selbstverständlich weniger frisch und mehr nach den weniger flüchtigen Komponenten, als der komplett neue, bei dem noch so gut wie gar keine Veränderungen stattgefunden haben.