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Literaturschnipsel und fachfremdes Reinlesen... Geruchwahrnehmungspsychologie

Ich beschäftige mich, wie an diversen Stellen schon bei Parfumo dokumentiert, mit der Frage, wie Geruchswahrnehmung denn eigentlich so genau funktioniert. Davon erhoffe ich mir, nicht nur allgemein Wissenswertes zu lernen, sondern auch, die Parfumwahrnehmung besser zu verstehen.

Ich bin beim Thema Wahrnehmungspsychologie angekommen und vermeine darin einige Antworten auf Fragen, die uns in der Community immer wieder beschäftigen, vor allem die Frage nach Wahrnehmungsunterschieden. Diese Frage möchte ich so umreißen:

  • Wodurch kommen Wahrnehmungsunterschiede anhand von Parfum zustande? Wo wird der Unterschied gemacht? Bei der Zusammensetzung des Reizes, bei der Reizaufnahme durch die Nase oder bei der Verarbeitung des Reizes im limbischen System und später im Gehirn oder erst bei der Sprache über Wahrgenommenes? Oder auf allen genannten Ebenen und wenn das zutrifft, mit welcher prozentualen Verteilung?

Bei der Lektüre ist mir neulich eine Doktorarbeit ("Kognitive Modulation zentralnervöser Verarbeitung chemosensorischer Stimuli" von Joachim Laudien) untergekommen, die anhand von EEG-Messungen untersucht, ob und wie der kognitive Wahrnehmungskontext die olfaktorische Sinnenswahrnehmung beeinflusst. Also (einfacher ausgedrückt): Wenn ich vorher gesagt bekomme "das riecht so und so", ob dann die tatsächliche Wahrnehmung, die ich beim nachherigen Riechen mache, dadurch verändert ist und zwar bereits auf der Ebene zentralnervöser Verarbeitung (also das, was in einem EEG sichtbar zu machen ist). Das Ergebnis dieser Untersuchung ist ein klares "Ja".

Mich durch diese Arbeit zu kämpfen war verdammt schwer. Ich habe als fachfremde Leserin zunächst vor einigen Böhmischen Dörfern gestanden und kann nicht wirklich dazu raten, das einfach zu lesen, wenn man mal Lust und Zeit hat. Wirklich nicht. Wenn man aber viel Lust und viel Zeit haben sollte, kann ich diese Arbeit als sehr interessant empfehlen und mag den heißen Tipp geben, ganz am Ende die Zusammenfassung (S.180) zu lesen, die ich im Folgenden verkürzt und verständlicher umformuliert paraphrasiere:

Ein bewusst wahrgenommener Geruchseindruck lässt sich als Ergebnis eines Konstruktionsprozesses beschreiben, in dem einerseits die im Reiz enthaltenen Informationen und andererseits nicht durch den tatsächlichen Geruch begründete kognitive und emotionale Einflüsse zu einem Verarbeitungsergebnis integriert werden. Der kognitive Wahrnehmungskontext wirkt sich massiv auf die Wahrnehmung von Geruchsqualität und -intensität aus. Die Beeinflussung der subjektiven Geruchswahrnehmung lässt sich durch objektives psychophysiolgisches Messen nachweisen.
Der Link:http://d-nb.info/978777050/34

Weitherhin mag ich Rainer Mausfeld zitieren. Er macht in Wahrnehmungspsychologie.

„Das Wahrnehmungssystem verfügt als Teil seiner biologischen Ausstattung über ein reiches und hochstrukturiertes Reservoir an Bedeutungskategorien. Dieses bezieht sich auf unterschiedliche interne Datentypen, wie ‚physikalisches Objekt’, ‚biologisches Objekt’ oder ‚Meinesgleichen’, mit jeweils spezifischen Attributen und Struktureigenschaften. Diese biologisch vorgegebenen Bedeutungskategorien konstituieren die Kategorien unserer Welt und stellen gleichsam das Format dar, in dem die internen computationalen Prozesse des Wahrnehmungssystems organisiert sind. Sie sind die Kategorien, in denen die von den Sinnen gelieferten Informationen zergliedert und organisiert werden. Was wir als Kategorien der Außenwelt erleben, sind die uns biologisch vorgegebenen Kategorien des Wahrnehmungssystems. Die Leistung unseres Gehirnes ist, dass wir diese Kategorien der uns biologisch gegebenen konzeptuellen Grundausstattung nicht bemerken, sondern sie gleichsam von Innen nach Außen verlegen und so den Eindruck ihrer Objektivität erhalten.“* (Hervorhebung von mir)

Freilich liegt in den hier zusammengetragenen Schnipseln noch keine Antwort auf Fragen nach den Gründen für Wahrnehmungsunterschiede (Höchstens eine Teilantwort: Es gibt einen Unterschied zwischen der Wahrnehmung und dem objektiven Auslöser-Reiz. Unsere Wahrnehmung erfolgt von Anfang an innerhalb von gegebenen Bedeutungsstrukturen. Weiterhin interpretieren Menschen eigene geruchliche Wahrnehmung als objektiv "richtig"). Es hilft (zumindest mir) nur dabei, sich dem Themenfeld Wahrnehmungspsychologie in Sachen Geruch weiter anzunähern und bisherige Annahmen zu überprüfen.

Ich mag das auch nicht als Blogtext stehen lassen, halte es nicht für an sich lesenswert oder für gewinnbringend für die Community. Ich wollte nur kurz auf Zwischenergebnisse verweisen und eventuell andere Interessierte finden, die in dieser Richtung rumlesen. Nachdem gestern im Forum etwas herablassend gefragt wurde, was das denn für "schlaue Bücher" seien, die man gelesen haben will, um auf Gedanken in Sachen Geruchswahrnehmung zu kommen, dachte ich, ich teile mal für kurze Zeit meine derzeitige Lektüre. Mehr nicht. Dieser Blogtext wird heute Abend wieder gelöscht.

EDIT: Jetzt krieg ich´s doch nicht so einfach gelöscht. Die Antwortendiskussion unten ist sehr sinnig und konstruktiv und anscheinend werden die geposteten Schnipsel von mehreren als nützlich/interessant empfunden. Hmmmm... ich finde diesen Blogartikel immer noch nicht unbedingt erhaltenswert, aber exen will ich ihn auch nicht. Ich lass ihn einfach erstmal stehen und geh ins Bett. Gute Nacht.

*Rainer Mausfeld in Funke, Wahrnehmungspsychologie: Geschichte und Ansätze in J. & French, P. (Hrsg.) (2005). Handwörterbuch Allgemeine Psychologie: Kognition. Göttingen: Hogrefe.

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