Le Baiser du Dragon 2003 Eau de Parfum

Milosava
17.02.2011 - 11:39 Uhr
19
Top Rezension
7.5
Haltbarkeit
9
Duft

Zartbitterer Kuss

Die Persönlichkeit, zu der Le Baiser du Dragon passt, tritt in meinen Augen vor allem stark und unabhängig auf! Diese Person gibt ein Statement ab, sie ist mutig, leidenschaftlich, sinnlich, und gesellschaftliche Konventionen sind ihr egal. Sie bietet Angriffsfläche, man kann sie hassen oder auch lieben, man wird sich ihrer aber schwer gleichgültig entziehen können. Sie ist Frau oder Mann, sie ist zeitlos, sie vereinigt Gegensätze und sie ist souverän.
Schön und gut, das sind zwar meine Gedanken, aber sie hätten in ausgefeilter Form auch von der Cartier Marketing-Abteilung stammen können... Schildere ich da nicht ein Ideal und erliege ihm ein wenig? Also, für eine Konkretisierung meiner Meinung komme ich nun zum Duft.
Der Kuss (Ich würde sagen, man nehme am Anfang eher wenig. Denn man kann bei einer großzügigen Anwendung damit rechnen, dass er raumerfüllend in Erscheinung tritt.) startet schon stark! Das Vetivergras ist von Anfang bis Ende eine Hauptkomponente. Zu ihr gesellen sich im Auftakt Neroli und Gardenie – relativ stark - und nach meinem Empfinden nur ein Hauch von Amaretto. Dieser olfaktorische Eindruck ist doch etwas verwirrend für mich und ich fühle mich fast ein wenig überrumpelt oder einem angenehmen Schwindel erlegen. Der Drache hat einen heißen, kraftvollen Atem!
Als nächstes ist ein floraler Akkord auszumachen, bei dem ich viel Jasmin und etwas weniger Iris erkenne. Sie vibrieren kontrastierend zu dem Vetiver, lassen erkennen, dass dieser Duft (auch) für Damen erdacht ist. Ich empfinde diese blumigen Noten als klassisch und dabei ein wenig pudrig, kann aber in diesem Moment die Beschreibung des Duftes als „Alte-Damen-Parfum“ nachvollziehen, wenn ich das auch für eine oberflächliche Klassifizierung halte. Dafür hat der Duft zu viel Stärke, Gegensätze, wird ganz jung und anschmiegsam durch einen gourmand-Akkord: eine balsamisch-milchig-eingebettete Schokoladen-Mandel, wobei es sich eher um eine dunkle Schokolade handelt. Köstlich! Doch der Duft driftet nicht ins Weiche ab, dieses ist nur eine Facette des reichen, widersprüchlichen Duftkörpers. Denn ich rieche nun auch relativ stark Zedernholz und in geringerer Menge Patchouly heraus. Der Duft ist jetzt in erster Linie blumig, würzig, holzig und dunkel und in zweiter Linie ein wenig herb, „stechend“ und seifig-sauber, aber auch leicht süß und animalisch – alles gleichzeitig! Ein starkes Stück! Mit einem Schmunzeln möchte ich sagen „eine Kampfgemeinschaft“ unter dem Kommando von Vetiver!
Die Basis ist schließlich schwächer, weicher und runder. Ich habe den Gedanken von „ausgebrannt“, der Duft hat sich selbst verzehrt. Das ist aber nicht unbedingt negativ gemeint, sondern vielleicht wie in einem Kontext von „hat stark geliebt“. Moschus, Vetiver, Schokolade (sie ist nun süßer und zarter geworden), die Mandel und Ambra glimmen warm vor sich hin. Ich weiß nicht, sind da noch Blumen zu erkennen? Vielleicht. Sehr, sehr zart...
Die Basisnote gefällt mir leider weniger gut, sie erinnert mich, glaube ich, an die weichen Nachklänge von „obsession“. Mir wird es zum Schluss doch etwas zu soft, hier wünschte ich mir noch eine kleine Widersprüchlichkeit und weniger Moschus und Ambra. Doch diese Empfindung ist für meine Beurteilung nicht ernsthaft abträglich, ich habe es häufig, dass ich die Basisnote eines Parfums enttäuschend finde.

Ich mag diesen Duft! Ich finde ihn interessant und trotz aller Gegensätze gut komponiert, weil die einzelnen Akkorde in ein Konzept passen, das irgendwie mit Ewigkeit und Kraft und Liebe zu tun hat. Schwer zu verbalisieren, dieses Konzept. Vielleicht gibt es keinen besseren Namen der das ausdrückt als „Baiser du Dragon“?!
Auflegen werde ich ihn nur zu bestimmten besonderen Anlässen und wenn ich es gerade ertragen kann, Projektionsfläche für negative und positive Emotionen oder Assoziationen zu werden.
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