French Lover
Bois d'Orage
2007

loewenherz
04.03.2015 - 15:08 Uhr
37
Top Rezension
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft

Der Duft der nassen Straße

Es gibt diesen Moment im Sommer, wenn es zu regnen beginnt am Anfang eines Gewitters - mit einer Wucht und Heftigkeit, die surreal erscheint - in dem man weiß, dass man kein Haus erreichen wird und auch kein Auto. Der Moment, in dem man begreift, dass auch der nahe Wald zu weit ist - und gleich nichts mehr sein wird als nur Regen. Und dann - wenn man der kurz aufkommenden Sorge um Mobiltelefon, um Geldbeutel oder was man sonst dabei hat, ledig ist - ist dieser Regen wunderbar. Wenn in Sekundenschnelle Hemd und Hose ganz durchnässt sind, der Stoff durchsichtig wird und haften bleibt auf unserer Haut, das Wasser in den Schuhen steht - ein kindlicher, fast atavistischer Moment im Sommerregen.

Und dann - wenn Regen und Donner fort sind, aber noch ganz nahe - wenn alles ächzt unter der Last des Wassers, wenn der Asphalt der Straße - noch immer warm unter dem Regenwasser - einen Odem ausschwitzt, einen Duft, den eben nur nasser Asphalt im Sommer hat - dann ist es wie ein Ausatmen und ist da eine Kühle, die nicht tatsächlich kühl ist, sondern nur so sehr, wie zwanzig Grad nach dreißig sich eben kühl anfühlen. Zu hören sind die Regentropfen und der verklingende Donner des weiterziehenden Gewitters - und dann werden das nasse Hemd und die Hose langsam komisch - und das Wasser in den Schuhen. Und man bemerkt, wie nah das Auto eigentlich war und auch der Wald.

Es ist dieser Moment, diese Erfahrung, den die Herren Malle respektive Bourdon eingefangen haben in diesem schönen, sehr außergewöhnlichen Duft, der für mich unendlich viel mehr ein Bois d'Orage ist - ein Wald im bzw. kurz nach einem Gewitter - als ein French Lover. In seinem Zentrum steht die Engelwurz mit ihrer feuchtdiffusen Wacholdernote. Die ihr eigene Farblosigkeit (nicht im Sinne von Langeweile, sondern wörtlich: die Abwesenheit von Farbe) wird eskortiert von zartbitteren Harzen und einer winzigen Spur Gewürz. Vetiver und Eichenmoos geben seiner Basis eine gedeckte, beinahe stumme Würde, gleichsam ein Nachhorchen - wie wir den Regentropfen lauschen, die von Dächern und von Bäumen fallen. Seine Entwicklung, seine Bilder haben Parallelen zu Ellenas Angeliques Sous La Pluie - ebenfalls Engelwurz im Zentrum, ebenfalls aus der Edition Malle - und spielen mit derselben Farbarmut, derselben stillen Poesie. Und doch ist Bourdons Bois d'Orage ungleich kräftiger, dramatischer, gewaltiger, einfach von allem mehr.

Fazit: ein ungewöhnlicher, überaus ausdrucksstarker Duft mit hohem Wiedererkennungswert. Ich spiele fast mit dem Gedanken, mir aus den USA ein Fläschchen zu besorgen, denn French Lover - der Name ist doch allzu blöde.
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