Renommée 1963 Eau de Parfum

loewenherz
01.04.2024 - 15:47 Uhr
24
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Wenn der Boss des Mannes mit seiner Frau zum Essen kommt...

Unlängst entdeckte ich auf einem Flohmarkt Renommée von Nerval, der mir bis dahin gänzlich unbekannt gewesen ist. Nun bin ich ja aber neugierig, und so habe ich ihn dann (auf der Haut!) getestet - und was soll ich sagen? Das ist ein richtig schöner Duft. Er war erstaunlich unversehrt, wenn man von jenem Sherry- oder Altton absieht, den Parfums irgendwann nun mal bekommen. Aber gekippt schien er noch nicht. Und so reiste ich einige wunderbare Augenblicke lang in seine chyprige Vergangenheit - aufregend und nostalgisch schön, obwohl ich die echten 60er nie sah.

Ich besitze ein wunderbares Kochbuch aus dieser Zeit, dessen Daseinszweck darin bestand, der jungen Ehefrau zur Hochzeit überreicht zu werden und dieser dann das Wissen zu vermitteln, das in den 60ern von jungen Ehefrauen erwartet wurde. Im Wesentlichen besteht das Buch natürlich aus Rezepten - es ist ja immerhin ein Kochbuch - mein heimlicher Favorit ist ein Partyrezept für Gäste, das aus einer riesigen Schweinesülze besteht, die mit dicken Mayonnaisetupfen (aus dem Spritzbeutel) und Ananasscheiben aus der Dose dekoriert wird. Eines Tages mache ich das mal.

Neben den Rezepten - es gibt auch ein Kapitel, wie sparsam gewirtschaftet wird, ohne dass die Familie es bemerkt - sind auch Ratschläge für die junge Frau enthalten, wie sie sich in gesellschaftlichen Situationen zu verhalten hat. Als Nemesis der Hausfrau jener Jahre galt die Abendesseneinladung des Vorgesetzten des Ehemannes (samt dessen Frau) in die heimischen vier Wände. Unter anderem rät das Buch, sich nur zurückhaltend zurecht zu machen (um die Frau des Bosses nicht zu überstrahlen) und nur dann zu sprechen, wenn frau direkt angesprochen wird.

Renommée duftet nach dieser Frau, die eben noch eilig die Schürze ablegt, während der Wagen des Bosses auf die Auffahrt rollt. Die seiner Frau dann aus dem Persianermantel hilft und sich dabei insgeheim fragt, ob sie so einen wohl auch mal besitzen wird. Die mit stolzer Miene die mit Mayonnaise und Dosenananas dekorierte Schweinesülze auf der Hutschenreuther-Platte ins Esszimmer trägt, wo der Ehemann, sein Boss und dessen Frau rauchen und Weinbrand trinken. Und alle diese Bilder riechen gut. Weil Renommée ein Duft ist, der Gutes zu erzählen hat.

Er duftet furchtbar altmodisch, natürlich. Er ist sinnlich, aber artig - ein Parfum für die Dame aus dem Bürgertum - und nicht für eine Nitribitt. Er hat die Gediegenheit von einer Frauenzeitschrift unter der Trockenhaube beim Friseur - eine sanfte Seifig- und reife, grüne Blumigkeit, die gestrig ist, aber doch schön - und die zu riechen in der Gegenwart ein Privileg ist. Auch wenn frau heute andere Parfums trägt, den Boss des Ehemannes nicht mehr zu sich nach Hause einlädt - und durchaus auch dann spricht, wenn sie selbst etwas zu sagen hat. Dem Dufterlebnis tut das keinen Abbruch.

Fazit: fast bereue ich, dass ich ihn da gelassen und mich noch nicht mal nach dem Preis erkundigt habe. Er dürfte fast nichts gekostet haben. Aber das 'haben wollen' um des haben-wollens Willen versuche ich mir zu verkneifen - zumal bei einem Damenduft aus den 60ern, den ich nie tragen würde und den zu verschenken mir auch niemand Passendes einfiel. Ihn dort gefunden und in der Nase gehabt zu haben, war gleichwohl wundervoll. Und wenn ich irgendwann die Schweinesülze mit der Dosenananas und mit den Mayonnaisetupfen mache, dann werde ich an ihn denken.
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