Ameise

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Ameise vor 11 Jahren 11 3
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Eine tragische Komödie in drei Akten
1. Akt
Während meiner Schulzeit hatte ich eine gute Freundin, deren Mutter mich besonders in ihr Herz geschlossen – ja die mich geradezu adoptiert - hatte. Diese Frau arbeitete zu jener Zeit als Verkäuferin in einer Kölner Parfümerie, und da wir auch am selben Datum Geburtstag feierten, bekam ich von ihr mit schöner Regelmäßigkeit die edelsten Düfte geschenkt. So war ich bereits als ganz junger Teenager im Besitz einer relativ teuren Parfumsammlung – von Jean Patous pour Homme (den ich als ¾ vollen Tester bekam, der nicht leer zu werden schien und mich über viele Jahre begleitet hat und immer wieder faszinierte) über den gigantischen Antaeus bis zu Jil Sanders bis heute unerreichten Erstling Man Pure. Ich muss wohl nicht hinzufügen, dass ich in meiner Schule mit den Duftwolken auch einen gewissen Ruf als – immerhin wohlriechender - Sonderling hinter mir herzog.
1988 überraschte mich meine mütterliche Freundin dann mit diesem gedrungenen, bonbonroten Flakon mit dem schlanken Art-Deco-Schriftzug (oder zumindest der 80er Jahre–Interpretation dessen). Da für mich Name, Verpackung und Duft stets eine untrennbare emotionale Einheit bildeten – wie kongenial passten doch der violettschwarze, kubrickhafte Barren zu dem astralen Antaeus oder die kubistischen Rauchglaswürfel zu dem strengen Man Pure – löste Exception zunächst bei mir nur Ratlosigkeit aus. Es duftete – ganz nett. Anfangs irgendwie pfeffrig und angenehm pudrig in der Basis. Aber es erzählte – zumindest mir – keine Geschichte. Es löste keine Assoziationen aus. Im selben Jahr kam Fahrenheit auf den Markt. Über dieses Parfum könnte ich heute noch Geschichten schreiben. Exception – Ausnahme – aha, aber von was? Tatsächlich blieb es aber genau das dann in meiner Duftsozialisation – eine flüchtige Bekanntschaft. Ende der 80er übersiedelte ich mit der bereits erwähnten Flasche Patou und einem brandneuen Flakon Fahrenheit nach England über.

2. Akt
1997 – ich lebte inzwischen in Berlin – wurde ich zur Hochzeit zweier Freunde nach England eingeladen. Das KaDeWE auf der Suche nach einem passenden Geschenk durchstreifend, landete ich schließlich in der Parfümerieabteilung im Erdgeschoss. Aus einem Impuls heraus erkundigte ich mich nach Gainsboro und wurde an den Juvena-Stand verwiesen. Als ich dort dann nach Exception fragte, hellte sich das Gesicht der Verkäuferin auf.
„Da haben Sie aber Glück!“ strahlte sie. Sie beugte sich unter die Theke und kramte eine kleine Schachtel hervor. „Das“, sagte sie triumphierend, „ist wahrscheinlich der letzte Flakon, den Sie in Deutschland kaufen können.“
Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht nur ein cleverer Verkaufstrick war, aber er funktionierte. Kurzentschlossen griff ich zu.
Ich war sofort fasziniert. Ich hatte den Duft noch gut in Erinnerung. Er erzählte zwar immer noch keine Geschichte, aber – verdammt! – roch das gut! Ich hätte ihn nicht in seine Bestandteile zerlegen können. Heute weiß ich: Da ist eine Menge drin - Rose, Tanne, Pfirsich – aber damals fügte sich das alles nur zu einem unvergleichlichen, warmen Wohlgeruch, der mich so unverhofft verzauberte. (Seltsamerweise wieder dieser pfeffrige Auftakt, dabei ist gar keiner drin!) Vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?!
Wenige Tage später landete ich mit dem Flakon im leichten Gepäck am Londoner Heathrow. Ich sollte bei Freunden übernachten und am nächsten Tag mit dem Wagen nach Somerset fahren. Kurz nachdem ich am Flughafen in die Piccadilly Line eingestiegen war, bemerkte ich, dass die Leute im Waggon sich nach mir umdrehten. Und dann stieg auch mir der scharfe und überwältigende Parfumgeruch in die Nase, den ich verströmte. Ein erschrockener Blick auf meine weiche Sporttasche und ich sah den dunklen feuchten Fleck, der sich dort ausbreitete. Mein wundervoller neu entdeckter Duft, der „wahrscheinlich letzte Flakon“, war vollständig ausgelaufen. Unerklärlicherweise war der Hals des kleinen gedrungenen Glases abgebrochen. Die ganzen 50 ml hatten sich über genau jene Kleidung ergossen, die ich am nächsten Tag bei der Hochzeit tragen wollte. Exception: wie gewonnen – so zerronnen.

3. Akt
2012: Nachdem ich sowohl Man Pure als auch Helmut Langs For Men für viel Geld bei Ebay nachgekauft habe, bin ich seit einer Weile auf der Suche nach einem neuen Signature Duft. Diesmal ließ der hier veröffentlichte Nachruf mich wieder an den längst Verflossenen denken. Ich konnte inzwischen für 15 Euro einen halbvollen Mini bei Ebay ergattern, der nun vor mir steht. Viel zu wenig, um den Duft wirklich zu tragen, aber genug, um zu schwelgen. Er wird leider an mir immer eine Ausnahme bleiben.
Aber wenigstens hat er jetzt eine Geschichte.
3 Antworten
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