Aura
Auras Blog
vor 11 Jahren - 06.05.2013
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Unerwartetes in Grasse

Schatzi ist frankophil, ich duftverrückt. Die Idee, mal nach Grasse zu fahren, war daher schnell geboren. Letzte Woche war es dann soweit.

Das Wetter war die ersten drei Tage auf meiner Seite: Es regnete. So kamen von Schatzi keine ungeduldigen Einwände, man könne doch an den Strand fahren oder in den Bergen wandern gehen, sondern er folgte mir brav in die Museen und in die drei grossen Parfümfabriken von Fragonard, Molinard und Galimard.

Ganz ehrlich: Ich war ziemlich enttäuscht. Das Museum von Fragonard war langweilig, halt sehr geschichtslastig, was nicht so mein Ding ist. Das Musée international de la Parfumerie war etwas besser, es gibt viele alte (und z.T. recht lustige) Flakons zu bestaunen, einen Garten, in dem Parfümrohstoffe wie Jasmin, Rosen, Tabakpflanzen, Vanille, Vetiver etc wachsen (aber leider ziemlich unmotiviert, man roch eigentlich gar nichts, war vielleicht auch noch zu früh im Jahr) und komische kleine Geräte, aus denen per Knopfdruck echt eklige „Wohlgerüche“ strömen.

Die in den Boutiquen von Fragonard und Galimard massenhaft aufgereihten Düfte waren einfach zu viele, um sich lustvoll und in Ruhe durchzutesten. Die wenigen, die ich probierte, waren auch nichts Besonderes. Nette, unaufdringliche Wässerchen, zu denen nur eine Aussage passt: irgendwie angenehm. Halt für die vielen Touristen gemacht, die bei ihrem Besuch unbedingt etwas kaufen wollen. Zu einer Führung hatte ich dann schon gar keine Lust mehr.

Einzig bei der dritten und letzten Firma, die wir besuchten, Molinard, gab es für meinen Geschmack die interessantesten und besten Düfte, auch abseits vom „Flaggschiff“ Habanita. Eau de Molinard ist mir sehr positiv aufgefallen, frisch und spritzig, und auch Vanille können die richtig gut.

Aber zu diesem Zeitpunkt war Kaufen schon gar kein Thema mehr, ich hab nämlich etwas viel Spannenderes für mich entdeckt: Selber machen!

Bei Galimard und Molinard kann man sich selbst an eine Duftorgel setzen und sich ein Eau de Parfum mischen. Es gibt ca. 150 Duftnoten (das langt auch absolut für Anfänger), die in EdP-Konzentration schon vorbereitet sind. Die Apothekerfläschchen sind gekennzeichnet nach Kopf-, Herz- und Basisnoten. Man fängt mit den Basisnoten an, sucht sich einfach mal welche aus, die einem gefallen. Dann wird pro Note ein Papierstreifen beschriftet und beduftet. Wedelt man die Papierstreifen zusammen als Fächer unter der Nase, kriegt man einen ersten Eindruck von der Mischung. Man merkt dann schon ziemlich gut, ob es harmonisch ist oder ob eine Note stört und kann diese dann auswechseln. So geht es anschliessend weiter mit den Herz- und schliesslich mit den Kopfnoten. Aussuchen, fächern, korrigieren, bis man zufrieden ist.

Die im Laborkittel sehr professionell wirkenden und netten Betreuer helfen einem bei der Auswahl, geben Tipps und bestimmen letztlich das Mischungsverhältnis, mit dem man seinen Duft dann selbst abfüllen kann. Und sie wollen natürlich, dass der Kunde mit seinem Duft zufrieden ist (und ihn evtl. nachbestellt, die Rezepturen werden archiviert). Einer meiner „Mitmischerinnen“, die sich etwas schwer tat, hielt der Laborkittel den soeben erstellten Fächer unter die Nase und fragte sie: „Wollen Sie wirklich so riechen?“ Dem unsicheren Achselzucken folgte ein sehr unglücklicher Gesichtsausdruck, worauf der Laborkittel sich zu ihr setzte und mithalf, bis sie wieder strahlte.

Ich hatte den Vorteil, dass das Lesen der Pyramiden und das viele Testen, seit ich hier auf Parfumo dabei bin, mir geholfen haben, vorab eine Idee zu entwickeln und Nichtpassendes oder zu Dominantes, obwohl schön, von vornherein auszuschliessen. Es ist ein bisschen wie kreatives Kochen ohne Rezept: Je besser man die Zutaten kennt, umso bessere Chancen hat man, dass das Gericht gelingt.

Meisternasen, also Parfümeure, studieren übrigens zehn Jahre und können ca. 3000 Duftnoten erkennen. Wahnsinn, oder?

Ich habe bei Galimard einen Duft für mich und bei Molinard einen für Schatzi gemacht, und wenn das Wetter nicht schliesslich besser geworden wäre und Schatzi nicht energisch darauf bestanden hätte, dass nun aber Wandern angesagt ist, hätte ich die ganze Woche weitermischen können. Das macht SOOOOO Spass!!!!!

Hier die Pyramiden:

Mein Duft:
Kopf: Lotus, Thé anglais, Fruits de Cassis, Ananas
Herz: Fleuri Ylang, Note Tabac, Tiaré, Bambou, Magnolia, Fleur de Grenadier
Basis: Note Praliné, Bois Ambré, Santal d’Orient, Vanille

Schatzis Duft:
Kopf: Cola, Yuzu, Mandarine
Herz: Limette, Thé Vert, Complexe Aldéhydé
Basis: Cardamome, Coton, Ambre Gris, Poudrée

Das „Gemeine“: Die Düfte müssen zwei Wochen ruhen, bis sie sich gut verbunden haben. Ob ich also wirklich erfolgreich war, erfahre ich erst nächste Woche. Ich werde Euch vom Restultat berichten, auch wenn es wie Gülle riecht, versprochen.

Dummerweise hatten wir in unserem Reisegepäck nur wenige kleinere Pröbchen und Abfüllungen mitgenommen, um die ersten Tage gut beduftet zu überstehen, wir waren ja überzeugt, dass wir ordentlich einkaufen würden....

Also war die Woche in Grasse paradoxerweise Parfümaskese. Dafür weiss ich jetzt aber, dass ich „Geste“ definitv haben muss (mehrmaliges „Boah, riechst Du gut!“ von Schatzi, was Seltenheitswert hat), dass Confetto doch nichts für mich ist und dass Azahar viel zu schnell verfliegt. Auch was wert... Und beim Wiedersehen mit meinen Schätzen daheim wurde ich echt kurz sentimental! Was ich nicht wusste und in Grasse erfahren habe: Neben Licht und Wärme ist auch Feuchtigkeit einer der grössten Feinde von Parfüms. Das Badezimmer ist also der denkbar allerallerschlechteste Ort, um sie aufzubewahren. Ich plane den Umzug meiner Sammlung in eine Vitrine im Schlafzimmer.

Dennoch kam meine Nase voll und ganz auf ihre Kosten: Liebe Nasen, ab nach Südfrankreich! Kein Wunder, dass sich ausgerechnet dort eine Parfümstadt wie Grasse etablieren konnte (die früher übrigens ein stinkendes Gerberdorf war. Um Abhilfe gegen den Gestank zu schaffen, fing man an, mit duftenden Blüten dagegenzusteuern und kam so zur Parfümeurskunst).

Dort wächst einfach alles, was der liebe Gott gut riechend gemacht hat (und auch sonst alles, was nicht auffallend riecht, aber toll aussieht). Ein florales Paradies!

Wer zB glaubt, dass er mit Philosykos einen natürlich riechenden Feigenduft hat, dem kann ich nun hellauf jubilierend zustimmen: Wild wachsende Feigenbäume, die Früchte noch nicht ganz reif, mit Morgentau benetzt, und wenn man das Innere aufbricht, erhält man eine Ahnung des sich bald entwickelnden süss-würzigen roten Fruchtfleischs – einfach herrlich!

Tuberose, Veilchen, Mimosa, das alles wächst wild... der Wanderweg am Cap d’Antibes ist von Jasminbäumen gesäumt, deren Blüten ihren schweren, süsslichen, betörenden Duft intensiv verströmen. Die mit gigantischen Wasserfällen verzierten Berge im Hinterland sind überwuchert von Thymian und Rosmarin, was übrigens zum Würzen des mitgenommenen Käsebrotes superpraktisch ist. Dann der grosse Marché aux fleurs in Nizza, wo sich in der Morgensonne alle Düfte von Blumen, frischem Gemüse, Fisch, Fleisch, Kräutern und natürlich Lavendelseife, Lavendelsäckchen, frischem Lavendel und Kochlavendel zu einem wilden Durcheinander vermengen...

Wir sind auf unseren Ausflügen mehrmals minutenlang stehengeblieben und haben einfach nur mit geschlossenen Augen verzückt geschnuppert. Schade, dass es keine Geruchskamera gibt!

Natürlich weiss man, dass viele der Inhaltsstoffe in Parfüms auf Pflanzendüften beruhen oder diese imitieren, aber wenn man in so einer botanischen Freilandparfümerie wie der Provence unterwegs ist, verschmilzt das Wissen mit dem Erleben, das war eine beeindruckende Erfahrung – und mit einer durch das Parfümhobby sensibilisierten Nase erlebt man das nochmal bewusster. Wahnsinn! Da will ich wieder hin!

Und ich hoffe, dass es dann wieder zwei oder drei Tage regnet, damit ich neue Düfte mischen kann ;o)

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