Aura
Auras Blog
vor 10 Jahren - 03.12.2013
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Freak out!

Früher habe ich im Marketing eines Herstellers von Luxusuhren gearbeitet. Das war eine schillernde Zeit. Der Wirtschaft ging es gut und wir hatten nach oben offene Budgets, denn das interne Credo lautete: Alles, wo unser Name drauf steht und was aus unserem Hause kommt, muss von bester Qualität sein. Das Motto nach aussen lautete übrigens „Tradition neuester Stand“, für alle, die sich mit Uhren auskennen ;o)

Besonders aufregend waren die jährlichen Messetage an der SIHH in Genf. Naja, die Erinnerung betreibt da vielleicht ein bisschen Schönfärberei, eigentlich erinnere ich mich auch sehr gut an die Fussschmerzen vom stundenlangen Rumstehen am Messestand. Und abends, im Shuttlebus auf dem Weg zurück ins Hotel, mussten wir uns manchmal gegenseitig sagen: „Wir haben Feierabend. Du kannst jetzt aufhören zu lächeln!“ Man hat’s gar nicht mehr gemerkt...

Also jedenfalls hatte ich viel Zeit, das Messevolk, sprich die Zielgruppe, die Connaisseurs, die „Uhrenbekloppten“, zu studieren. Wie manche gehetzt, schwitzend und – schon voll beladen – von Stand zu Stand jagten, um NOCH ein Give-away-Tütchen zu erbeuten, sich in eine Filmvorführung der neusten Modelle zu drängen oder am Stand ihrer Lieblingsfirma, mit hochgekrempeltem Sakkoärmel ihre wertvolle Uhr präsentierend, lautstark zu fachsimpeln.

Ich habe in dieser Zeit zwar verstanden, warum man so eine Begeisterung für dieses filigrane Handwerk entwickeln kann (der Moment, wenn ein Uhrwerk anfängt zu ticken, ist wirklich ergreifend), aber diesen hektischen, übereifrigen Fantismus einiger Männer doch ein wenig spöttisch belächelt.

Aber nicht nur bei Uhren – Oldtimer, Lokomotiven, High-Tech-Kameras, Flugzeuge – all diese (Status-)Objekte haben ihre fanatische Anhängergemeinschaft. Da zittert der Finger auf dem Fotoauslöser im Dauerabschuss, für das perfekte Bild legen sich die Herren sogar auf den Boden, kriegen rührungsfeuchte Augen und Schweissperlen auf der Stirn. Schön, wenn jemand sich so begeistern kann – aber bitte! Ist doch schon ein wenig sehr freakig und lächerlich, oder?

Ich war heute Mittag mal wieder in meiner Stammparfümerie (die verteufelt nochmal genau gegenüber von meinem Büro liegt) und habe mir die neusten Winterdüfte zeigen lassen. Vaara von Penhaligon’s zum Beispiel, wow! Als neue Marke haben sie nun auch Olfaktive Studio ins Sortiment aufgenommen (iiiks!). Und während die Verkäuferin mir drei Pröbchen raussucht und abfüllt, sehe ich mich im Laden um und entdecke plötzlich einen Weihnachts-Candy-Stand. In einer Parfümerie?? Ich gehe näher ran und studiere die Etiketten und da steht auf dem Honigtöpfchen Amouage und auf dem Schokololli Floris und auf den silbernen Zuckerkugeln Penhaligon’s… und ehe ich mich’s versehe, hab ich mein Handy aus der Handtasche gekramt und stehe breitbeinig gebückt vor dem Dispenser und knipse in der Totalen, aus der Nähe, aus verschiedenen Winkeln und bin so verzückt, dass ich erst reagiere, als die Verkäuferin sich das zweite Mal diskret räuspert und mir die Pröbchen reicht. Und ich plappere meine Begeisterung aus, bis sie ein Tütchen nimmt und mir einen Schokololli von Floris, eine Minitafel Schokolade von Il Profumo und ein Honigtöpfchen von Amouage einpackt. Ich betone noch, dass das doch nicht nötig gewesen wäre, grapsche aber natürlich dennoch gierig danach. Kann mich langsam losreissen. Wende mich zum Gehen und nehme plötzlich eine grimmig dreinblickende Frau hinter mir wahr, die wohl schon länger darauf wartet, dass ich ausgeschissen habe und sie mal endlich bedient wird. Mon Dieu, so weit ist es mit mir gekommen. Ich bin fanatisch…

Auf den Schock brauche ich, zurück im Büro, erstmal ein Stück Scho(c)kolade. Ich greife nach der Tafel von Il Profumo, auf der Verpackung ist der Chocolat-Flakon abgebildet. Hinten steht: „Chocolat vermittelt das Gefühl einmal vollständig mit allen Sinnen in Schokolade einzutauchen. Geniessen Sie nun ein Stück Schokolade und schwelgen Sie in Erinnerung an „Chocolat“, den umhüllenden Il Profumo-Duft.“

Nach Gefühl fehlt ein Komma. Warum wird Chocolat erst ohne und dann mit Anführungszeichen geschrieben? Und muss man Il-Profumo-Duft nicht durchkuppeln?

Ich lebe hier im Schoggiland Schweiz. Und habe schon viel Schokolade gegessen. Ausserdem besitze ich den Duft „Chocolat“. Das wäre nicht so, wenn der Duft so riechen würde wie diese Schokolade schmeckt. DAS ist KEINE gute Schokolade!

Okay, ich bin also ein Parfüm-Fanatiker. Ein Freak. Aber immerhin erkenne ich es noch, wenn die Give-Aways von zweifelhafter Qualität sind – egal, was da für ein toller Name draufsteht. Ein No-Go, finde ich. Mit solcher Schokolade kann man vielleicht die Kundenkinder von Schuh Walder erfreuen! Wenn man derart hochwertige und preisintensive Produkte vertreibt, muss alles, was aus diesem Haus kommt bzw wo der Name draufsteht, von ebensolcher Qualität sein. Oder wie seht ihr das?

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