Bleudegonse
Bleudegonses Blog
vor 9 Jahren - 14.12.2014
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Kuscheln mit Omi

Neulich habe ich ein Pröbchen Shalimar in meiner Schublade gefunden, von dem ich nicht wusste, woher ich es hatte. Shalimar, wo jeder Versuch in einer Kosmetikabteilung mich immer nur abwinken ließ. Wo Shalimar drauf stand, war kein Shalimar drin.

Shalimar hatte ich nie besessen, trotzdem hatte ich es immer erkannt, selbst aus vier Meter Abstand an einem windigen Strand. Warum nur ?

Aber als ich dieses Pröbchen öffnete und daran roch, wurde mir schlagartig klar, dass ich das Fläschchen von meiner Oma haben musste.

Genauso schlagartig wurde mir bewusst, dass das, was ich für den Grundduft meiner geliebten Grossmutter gehalten hatte, der Duft, mit dem all ihre Schränke gefüllt und ihre Kleider und Mäntel getränkt waren, nicht die Basisnoten meiner Oma, sondern die von Shalimar waren.

Das war mir nicht bewusst gewesen , weil Shalimar nicht die letzte grosse Duftliebe meiner Oma war, nicht als ich sie kennenlernte. Sie mochte immer sehr gerne gutriechende Kosmetik , und so brachte ich ihr oft Duftpröbchen und parfümierte Seifen und Körpercremes mit. Sie mochte aber die damals modernen Düfte oft nicht, das „wonach jetzt alle riechen“. Und so musste sie wohl, die im Alter von der Stadt zu uns aufs Land gezogen war, schmerzlich die urbanen Dufttempel und das nur dort verfügbare Lieblingsparfüm missen. Aber, es nahte Rettung. Gerüchteweise drang die Kunde zu ihr, dass jetzt und fast unglaublich, im dörflichen Einzelhandel der entbehrte Stoff zu bekommen war, und sie machte sich auf den Weg um ihre Vorräte aufzufüllen.

Dort angekommen, war der Laden voll, und auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ob „ES“ den da sei, die Schlange so lang , die Not so gross. Und so riss sie nur die Ladentür auf und schrie über die Köpfe der anwesenden Kunden der Apothekerin die Frage zu: Haben Sie Opium ?

Alle Köpfe drehten sich zu meiner Oma, dann zu der hochrot angelaufenen Apothekerin , denn es war eine Apotheke, die das kostbare Gold verkaufte. Die beeilte sich den Anwesenden zu erklären, dass es sich hier um ein Parfüm handelte und mitnichten um ein Rauschgift. (Ich glaube für meine Oma, die Opium gerne grosszügig gebraucht hat, war der Unterschied nicht soo groß.) Und ja: Sie hatten Opium. Was für ein Segen für meine Oma, was für eine Qual für jeden der an Familienfesttagen neben ihr beim Essen saß.

Jetzt habe ich hier nur noch einen leeren verklebten alten lackroten Flakon, ein Pröbchen Shalimar und eine Menge gute Erinnerungen.

(Und die Gewissheit, meiner orientalischen Sozialisation werde ich auf lange Sicht nicht entgehen können.)

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