Chimo

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6 - 7 von 7
Chimo vor 5 Jahren 33 12
7
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Vierzehn sein
Meine Tochter ist 14, und sie bricht in die Welt auf. Manchmal helfen ihr ihre Freundinnen dabei, manchmal Billie Eilish und manchmal ihre drei Meerschweinchen Wuschel, Keks und Krümel. Es ist ja ein eigenartiges Alter. Mal strahlen 1000 helle Leuchter in den Nachthimmel, und mal findet man den Lichtschalter nicht, wenn nachts die Angst kommt. Eigentlich ist nichts an der richtigen Stelle. Oder man ist zwischen den Dingen. Aber man weiß, dass dahinter was kommt.

Als ich ihr diesen Duft gekauft habe, war das ganz spontan in einem Drogeriemarkt. Dort stehen ja immer eine ganze Menge Abverkäufe rum, die man mal so mitnimmt. Aber hier war es anders. Denn es sollte irgendwie das erste Parfum sein. Und seitdem hat sich in der Luft etwas verändert, wenn meine Tochter aus dem Haus geht. Eine Geste des Aufbruchs, die sich einfügt in eine ganze Menge anderer Gesten der Welteroberung. Denn Parfum, das ist was für Erwachsene (und nur Kinder benutzen die überzuckerten Duschshampoos der YouTuberin Bibi).

„Lilly of the valley“ ist keine große Sache. Wir riechen weiße Blüher, irgendetwas exotisch Fruchtiges und schwebend süße Maiglöckchen, und alles geschieht ohne großen Aufhebens. Und selbstverständlich ist es kein großes Parfumhandwerk, und nach den aromatischen Bourgeonal-Aldehyden des Maiglöckchens wird man vergeblich suchen. Dieser Duft ist im Labor entstanden, weshalb die Duftpyramide auch schlicht „exotische Noten“ lautet. Aber wen interessiert das schon? Rosenöle oder Elemiharz sind was für Snobs. Oder besser gesagt für Lauche. Auf ehrenhaft.

Besonders toll ist natürlich, dass das Parfum cooler daher kommt als alles, was bei Papa im Regal steht. Die Box ist spielerisch designt und macht auf Bio-Chic, die Typo ist smart und setzt ein bisschen Serifen-Ästhetik dagegen, und wenn im Text steht, dass es hier um unbeschwerte Leichtigkeit geht, mit der man im Sonnenaufgang tanzt, dann ist das ein Versprechen, das man sich gönnen kann.

Was dagegen bei Papa im Schrank rumsteht, ist viel zu viel Gestaltungswille. Formstrenge Flakons, ernste OVP, Erwachsenenzeug. Und ganz gewiss ist kein einziger Duft seiner Sammlung vegan, und das verfluchte Ethylhexyl Methoxycinnamate und all die anderen Zusatzstoffe sprüht er sich literweise auf seine Haut.

Die Welt retten, das müssen halt andere machen. Auch bei den Parfums. Das könnte also ein guter Anfang sein. Aber jetzt geht es erstmal darum, gut zu duften. Denn die Welt soll wissen: hier bin ich, und ich bin genau so, und es ist keine große Sache. Aber es ist wahnsinnig toll.
12 Antworten
Chimo vor 5 Jahren 18 6
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Herz aus Stein
Ich kenne keinen Duft, der unnahbarer ist als dieser hier. Wenn man ihn trägt, fühlt es sich an, als habe man eine Wand aus Waschbeton um sich herum. Ich meine nicht den Beton von Fußgängerunterführungen, sondern die graue Ästhetik der stylischen Wände in Werbeagenturen oder Investmentfirmen. Es gibt logischerweise Tage, an denen das genau richtig ist. Manchmal braucht man ein Herz aus Stein.

Der Duft beginnt mit einem irgendwie abstrakt geratenen Lavendel. Es ist ein etwas plakatives Bild von Lavendel, das hier mit starken Farben in den Raum projiziert wird. Manchmal erinnert mich der Auftakt auch an den Chlorgeruch eines Schwimmbads. Er hat dadurch eine desinfizierte Reinheit, die zweckmäßig ist. Kirkdjians Düfte haben ja oft etwas Plakatives. Wo die doofen Parfumhandwerker noch einem olfaktorischen Idealismus nachhängen, wird hier wie bei Andy Warhol der bunte Siebdruck angeschmissen. Man erkennt alles auf den ersten Blick.

Masculin Pluriel pefektioniert die Oberflächlichkeit, die solchem Handwerk zu eigen ist. Und ehrlich gesagt gibt es keinen wirklichen Duftverlauf. Man kann noch ein bisschen Vetiver und einen Hauch von Leder herausriechen. Aber dominant bleibt dieses seltsame Konstrukt, das in der Duftpyramide als „provencalischer Lavendel-Absolue“ genannt wird. Ich verwette meinen Restflakon darauf, dass kein einziges Atom in diesem Duft jemals französischen Boden gesehen hat. Es ist ein Hirngespinst aus dem Labor.

Und das darf es auch sein. Es gibt eben Tage, an denen das absolut in Ordnung geht. Wenn man mal wie Bret Easton Ellis oder Jordan Belfort durch die Welt gehen möchte – bitteschön. Man ist dann ein bisschen zynisch, hat den Kontakt zur Welt verloren oder möchte einfach in Rufe gelassen werden. Man ist ein Mensch mit scharf gebügeltem Hemd, und es könnte sich anbieten, einen Haufen Geld zu verdienen. Man muss sich aber nicht wundern, wenn's keine Nähe gibt. Masculin Pluriel hält den Abstand zu den Dingen.
6 Antworten
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