Fappelzillip

Fappelzillip

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6 - 6 von 6
Fappelzillip vor 6 Jahren 29 5
10
Flakon
4
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ich und mein Holz...
Dieser Duft ist der Grund für meinen ersten Kommentar. Bisher war ich nur stiller Mitleser, aber nach der ersten Begegnung mit der "Schwarzen Tinte" ist es mir einfach ein Bedürfnis, meine Eindrücke mit euch zu teilen. Auch wenn es schon 82 Kommentare gibt - ich muss einfach. Das ist übrigens der erste Duft, welchen ich mir aufgrund der Kommentare und der Beschreibung hier blind bestellt habe. Es gibt ihn ja schon sehr günstig im Internet, also geordert, gewartet, und mein Urteil gefällt. Hier also der Kommentar Nr. 83:
Nach dem Öffnen der schönen, edel wirkenden Verpackung und kurzer Begutachtung des schlichten, aber sehr hochwertig wirkenden Flakons verabreichte ich mir einen kräftigen Sprühstoß auf den Unterarm und wartete kurz. Nase dran, Augen zu und langsam eingeatmet. Mein erster Gedanke: "Wow, was ist das denn?" Mein zweiter Gedanke: "Das soll ein Parfum sein?" Mein dritter Gedanke: "Holz, Holz, Holz. Trockenes Holz, gerade bearbeitet. Gehobelt, gesägt, was auch immer. Tischlerei. Sägewerk. Und etwas leicht stechendes, harzig, fast schon lösungsmittelartig. Terpentin! Wirklich, eine meiner ersten Assoziationen nach dem vielen trockenen Holz war Terpentin. (Mein Opa hatte eine kleine Tischlerwerkstatt. Dort gab es einen Schrank mit verschiedenen Ölen, Wachsen, Lacken, Beizen etc. Wenn ich mich recht erinnere, gab es auch Flaschen mit Terpentin. Aus diesem Schrank strömte ein ähnlicher Geruch, wie er auch in abgeschwächter Form in der Kopfnote von Encre Noire vorhanden ist.) Ob es tatsächlich ein Terpentingeruch ist, sei dahingestellt. Jedenfalls war das mein erster Gedanke bei dieser Note. Ich vermute, dass irgendwie die Zypresse dahinter steckt. Die enthält nämlich laut Wikipedia auch Terpineole. Dazu kam dann etwas rauchiges, leicht angesengtes. Irgendwo brennt das viele Holz also schon. Na klar, ein Holzofen, der die kleine Tischlerei mit den Bergen von Holz und Spänen und dem "Terpentinschrank" im Winter warm hält.
Boah, was für eine heftige und geniale Kopfnote! Noch nie so etwas als Parfum gerochen. Aber will ich so riechen und damit auf die Menschheit losgehen? Ganz klar: nein. Die Gefahr, dass die Leute mich ansprechen, und um die Fertigung oder Restaurierung irgendwelcher Möbelstücke bitten, ist einfach zu groß. Wenn ich diese Kopfnote irgendwo gerochen hätte bevor ich den Duft kannte, wäre ich wahrscheinlich gar nicht auf die Idee gekommen, dass das ein Parfum sein könnte.
Nach ziemlich genau einer halbe Stunde verfliegt diese Kopfnote und übergibt an die wunderschöne Herznote. Der Übergang ist fließend aber doch irgendwie abrupt. Plötzlich riecht man nur noch Vetiver. Ich mag Vetiver sehr. Hat für mich überhaupt nichts muffiges, kellerartiges. Im Gegenteil. Ich empfinde Vetiver als frisch, grün, irgendwie holzig und sehr elegant. Und hier ist es sehr gut verarbeitet. Frisch, aber keinesfalls aquatisch. Grün, aber nicht krautig. Holzig, aber nicht modrig. Null Synthetik. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, eine ganz leichte Süße bzw. etwas sehr warmes wahrzunehmen. (Moschus?) Und auch eine klitzekleine Zitrusnote kommt ab und an durch. Beim zweiten Mal hinriechen denke ich dann: "Ne, da ist kein Zitrus. Das ist das Vetiver. Sehr hochwertig, elegant und edel. Leider geht die Sillage nach dem extremen Auftakt bei mir stark zurück. Relativ körpernah, aber dann und wann erhascht man mal einen Hauch und denkt: "Ach Encre, du bist ja auch noch da." Er verschmilzt quasi mit dem Träger, bleibt als nicht aufdringlicher, sehr natürlich riechender, eleganter Duft relativ im Hintergrund, und meldet sich nur gelegentlich zu Wort, bei schnellen Bewegungen des bedufteten Körperteils zum Beispiel. In dieser Phase ist er absolut edel und hochwertig, zurückhaltend aber wahrnehmbar. Er sagt nicht: "Hallo, ich bin der Superduft, und dahinten kommt mein Träger!", sondern er sagt: "Schaut was für eine natürliche Ausstrahlung mein Träger hat! Ich bin auch hier und unterstütze ihn ein bisschen."
Im weiteren Duftverlauf wird er dann noch runder, noch etwas weicher, bleibt aber zu einhundert Prozent beim Vetiverthema. Nach ca. 7-8 Stunden ist er dann nur noch ganz hautnah schwach wahrnehmbar. Völlig ok.
Also bis auf die krasse Kopfnote finde ich den grandios. Die Assoziation mit feuchtem Holz, Friedhof, Wald nach dem Regen usw. kann ich nicht nachvollziehen. Diese Dinge riechen doch eher modrig-erdig, wie nasse Erde oder haben so einen leichten Schimmelpilzgeruch, wie verrottendes Holz. Holz hat er - ja, aber für mich sind das eher trockene Edelhölzer. Absolut elegant, absolut natürlich, und ich finde auch absolut zeitlos. Und - ganz wichtig - ein klares Statement gegen den Trend zum klebrig-süß-fruchtigen Einheitsbrei in der aktuellen Herrenduftwelt.
Ich trage ihn oft und gern, gehe aber erst nach ca. 30 min unter Menschen. (Wegen der Tischlereiaufträge.)

Nachtrag ca. 2 1/2 Jahre später:

Ich trage ihn nicht mehr.

Na ja, fast nie.

Nein, schon längere Zeit eigentlich gar nicht mehr.

Ab und zu, wenn ich mal wieder Lust darauf habe, gibt's einen kleinen Sprüher auf das Handgelenk, und ich folge seinem Duftverlauf und genieße die ungewöhnliche, extrem holzige Komposition.
Aber mehrere Stunden oder den ganzen Tag möchte ich ihn nicht mehr um mich herum bzw. an mir haben.
Nach einiger Zeit des fast täglichen Tragens griff ich morgens unbewusst immer öfter nach anderen Düften. Ich dachte, dass dies so aus meiner Laune heraus passiert, bzw. dass ich einfach auch mal etwas Abwechslung möchte. Bis ich mir eingestehen musste, dass es ja eigentlich so gut wie gar nicht mehr vorkommt, dass ich Lust auf Encre Noir habe.

Mittlerweile weiß ich auch warum:
Der Duft ist zu "schwer".
"Schwer" nicht im Sinne von opulent, schwülstig-süß oder orientalisch-überladen, sondern im Sinne von seiner absoluten Ernsthaftigkeit und Seriosität. Es gibt nichts Leichtes, nicht die kleinste Spur von Beschwingtheit oder gar Humor in dem Duft. Man trägt ihn mit sich herum wie eine Last oder Bürde. Oder vielleicht eher wie eine Verpflichtung. Er drückt für mich das genaue Gegenteil von Lockerheit, Ungezwungenheit oder Albernheit aus.
Ohne dass ich ihn die ganze Zeit bewusst wahrgenommen habe, schlug er mir aufs Gemüt, und ich griff eben instinktiv zu anderen, "leichteren" Düften.
Bitte nicht falsch verstehen, ich bin nach wie vor begeistert von dieser einzigartigen Komposition. Ich habe auch nicht vor, ihn wegzugeben. Aber tragen kann ich ihn eben leider nicht mehr.
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