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vor 9 Jahren - 05.08.2015
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Baltische Reise: Kurische Nehrung, Sommerhaus

Im Jahre 1929 verbrachte Thomas Mann mit seiner Familie einige Sommertage in Rauschen, das er als "langweilig" beschrieb.

Das weiter nördlich auf der Kurischen Nehrung gelegene Nidden hingegen begeisterte ihn sofort.

Er schrieb:

"Die Kurische Nehrung ist der schmale Landstreifen zwischen Memel und Königsberg, zwischen dem Kurischen Haff und der Ostsee. Das Haff hat Süßwasser, das auch durch eine kleine Verbindung mit der Ostsee bei Memel nicht beeinträchtigt wird, und birgt Süßwasserfische. Der Landstreifen ist ca. 96 km lang und so schmal, daß man ihn in 20 Minuten oder einer halben Stunde bequem vom Haff zur See überqueren kann. Es ist sandig, waldig und sumpfig. Meine Worte können Ihnen keine Vorstellung von der eigenartigen Primitivität und dem großartigen Reiz des Landes geben. Ich möchte mich hier auf Wilhelm von Humboldt berufen, der dort war, und speziell von Nidden so erfüllt war, daß er erklärte, man müsse diese Gegend gesehen haben, wie man Italien oder Spanien gesehen haben müsse ("wenn einem nicht ein Bild in der Seele fehlen soll")."

Thomas Mann beauftragte den Architekten Herbert Reismann aus Memel mit dem Bau eines Sommerhauses oberhalb des Ortes Nidden. Am Hang der großen Düne, auf dem sogenannten "Schwiegermutterberg", wurde dafür ein Grundstück gepachtet.

Die einzigartigen Aussicht auf das Kurische Haff und den Niddener Ortsteil Purwin nannte Thomas Mann den "Italienblick".

Man kann ihm da nur zustimmen ...

Er schreibt:

"Wir sind im Sommer immer gern an die See gegangen, und man empfahl uns da eines Tages, die samländische Küste zu besuchen. Wir waren schon einige Wochen in Rauschen. Dies ist ein ziemlich triviales Ostseebad, wie es viele gibt, und wir sehnten uns nach etwas anderem. Man schlug uns vor, die Nehrung zu besuchen. Gut, wir fuhren also für einige Tage nach Nidden auf der Kurischen Nehrung und waren so erfüllt von der Landschaft, daß wir beschlossen, dort Hütten zu bauen, wie es in der Bibel heißt. Dies ist zwar bei uns nichts Neues, denn wir beschließen es phantasieweise fast überall, sei es bei St. Moritz oder Assuan. Aber diesmal war es ernster. Der Eindruck war tief. Man findet einen erstaunlich südlichen Einschlag. Das Wasser des Haffs ist im Sommer bei blauem Himmel tiefblau. Es wirkt wie das Mittelmeer. Es gibt dort eine Kiefernart, Pinien ähnlich. Die weiße Küste ist schön geschwungen, man könnte glauben in Nordafrika zu sein. Wir faßten einen Hügel am Haff ins Auge und begannen mit einem Bauplatz zu kokettieren. Als wir abreisten, hatten wir uns soweit gebunden, daß wir nicht mehr zurückgekonnt hätten, selbst wenn wir gewollt hätten. Durch Vermittlung Einheimischer kam ein Pachtvertrag mit der Litauischen Forstverwaltung zustande, eine Memeler Architektenfirma wurde engagiert, und so bauten wir brieflich ein Holzhaus. Alles war furchtbar einfach, nur Holz und Schleiflack. Als der nächste Sommer kam, stand das Haus fix und fertig da. Wir kamen an und saßen auf der Veranda unseres Häuschens, als ob es schon immer so gewesen wäre."

Das reetgedeckte, geräumige Haus wurde im Stil der traditionellen Niddener Fischerhäuser errichtet. Zwei gekreuzte Pferdeköpfe bilden die Firstkrone und symbolisieren angeblich das Dichterroß Pegasus.

Die rotbraune Farbe des Anstrichs ist typisch für die Fischerhäuser des Ortes und kontrastiert mit den blauen Giebelbalken und Fensterläden.

"Im Fischerdorf findet man an den Häusern vielfach ein besonders leuchtendes Blau, das sogenannte Niddener Blau, das für Zäune und Zierate benützt wird. Alle Häuser, auch das unsere, sind mit Stroh- und Schilfdächern gedeckt und haben am Giebel die heidnischen gekreuzten Pferdeköpfe. – Genauso machte man es bei unserem Haus. Es ist ein Holzhaus mit Schilfdach und am blauen Giebel zwei gekreuzte Pferdeköpfe. – Unten ist eine offene Veranda, dahinter liegt das Eßzimmer. Alles andere sind Schlafzimmer. Nur eines im ersten Stock ist für mich als Arbeitszimmer eingerichtet. Von hier habe ich einen weiten Blick über das Wasser bis zur ostpreußischen Küste, die man aber nur sehr selten sehen kann."

Aber seht selbst ...

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