Heinsson
Aus dem Leben eines Parfümeurs
vor 3 Tagen - 30.08.2025
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Wie ich Parfümeur wurde (Teil 2)

Wie ich Parfümeur wurde (Teil 2)

Vom Chaos zur Struktur

Im ersten Teil meiner Reise haben wir gesehen, wie aus einem Kindheitstraum ein ziemlich chaotisches und teures erstes Jahr wurde. Ich stand am Ende nicht mit einem fertigen Parfüm da, sondern mit der Erkenntnis, dass dieser Weg ein Marathon ist. Und wie bei jedem Marathon kommt es darauf an, nach dem holprigen Start den richtigen Rhythmus zu finden.

Jahr 2: Das Jahr der Erkenntnis

Das größte Problem des ersten Jahres waren die horrenden Versandkosten aus den USA. Es war klar: Wenn dieses Hobby, was es damals noch war, nicht zur finanziellen Belastung werden sollte, brauchte ich Quellen innerhalb Europas. Und die gab es, man musste sie nur finden.

Die Lösung lag näher als gedacht und wurde zu einem echten Wendepunkt. Ich entdeckte zwei Anbieter, die für Hobby-Parfümeure bis heute Gold wert sind:

  • De Hekserij in den Niederlanden: Die Versandkosten überschaubar und die Lieferzeiten ebenfalls. Das Sortiment war groß genug für jemanden, der seine Palette an Rohstoffen systematisch mit synthetischen und natürlichen Duftstoffen aufbauen wollte.
  • PerfumersWorld in Thailand: Auch wenn es nicht in Europa liegt, bot dieser Anbieter eine fantastische Auswahl an. Die Zollabfertigung war einfacher als gedacht und die damit verbundenen Kosten ebenfalls überschaubar.

Doch die besten Rohstoffe nützen nichts, wenn man nicht weiß, was man mit ihnen anfangen soll. Die zweite große Erkenntnis war, dass ich dringend verlässliche Informationsquellen brauchte. Und auch hier wurde ich fündig:

  • The Good Scents Company.com Diese Website wurde zu meiner Bibel. Eine gigantische, kostenlose Datenbank, in der man zu fast jedem Duftstoff detaillierte Informationen über seinen Charakter, seine Facetten und seinen Einsatz finden kann. Plötzlich hatten die kleinen Fläschchen vor mir eine Identität. 
  • Basenotes.com Insbesondere das Forum von Basenotes war eine Goldgrube. Hier tauschten sich Hobbyisten und Profis aus, teilten Formeln und diskutierten über Kompositionen. Ich lernte, indem ich las, nachbaute und die Kreationen anderer analysierte.

Das zweite Jahr war also das Jahr, in dem der Motor richtig ansprang. Ich hatte endlich das Gefühl, nicht mehr nur blind zu experimentieren. Ich baute meine Duftorgel gezielt auf, verstand die Bausteine, mit denen ich arbeitete, und hatte eine Community im Rücken. Ein wirklich guter Duft war zwar immer noch nicht dabei, aber ich hatte jetzt einen Werkzeugkasten und eine Landkarte.

Jahr 3: Das Jahr des Durchbruchs (und der Jogginghose)

Und dann kam Corona. Was für die Welt eine Krise war, wurde für mein Hobby zu einem unerwarteten Katalysator. Plötzlich hatte ich mehr Zeit, mehr Ruhe und vor allem: keine Pendelstrecke mehr. Die gewonnene Zeit investierte ich direkt an meinem Labortisch.

In diesem Jahr wurde ich mit meinen Formulierungen endlich sicherer. Der Prozess fühlte sich an wie beim Sprachenlernen. Manchmal sitzt man vor einer Komposition und hat das Gefühl, man kommt keinen Millimeter voran, so als ob man Grammatikregeln lernt, die einfach keinen Sinn ergeben wollen. Man stagniert, ist frustriert und zweifelt an sich. Und dann gibt es diese anderen Momente. Man setzt sich hin, hat eine klare Idee im Kopf, und plötzlich fügen sich die einzelnen Noten wie von selbst zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Man ist selbst überrascht, wie schnell und intuitiv es gehen kann.

Genau in einem solchen Moment entstand mein erstes "fertiges Projekt". Ein Duft, bei dem ich zum ersten Mal das Gefühl hatte: Ja, das ist es. Er war rund, hatte eine Geschichte und funktionierte auf der Haut. Es war ein unglaublicher Meilenstein. Dieser Duft war es, den ich später in einer Kleinstauflage als Prototypen herausbrachte. Das dritte Jahr war also geprägt von diesem Auf und Ab, aber am Ende stand der erste wirkliche Erfolg. 

In Teil 3 erzähle ich dir, wie es mit meinen ersten Prototypen weiterging, und warum Social Media mir fast vollständig die Lust an meiner vorläufig gewonnen Leidenschaft verdorben hatte.

➡️ Teil 1 meiner Reise zum Parfümeur

Bildnachweis: Symbolbild (ki-generiert)

Aktualisiert am 02.09.2025 - 06:27 Uhr
9 Antworten
AbscheBoAbscheBo vor 3 Tagen
1
Sehr schön! Nicht nur konsumieren, sondern auch schaffen und gestalten!
Sowas habe ich mir als alter Labor-Hase auch vorgenommen. Wie erwähnt, frisst das je nach Ambition aber Zeit, so dass ich das auf die Rente verschiebe. Vielen Dank auch für die Quellen.
TurbobeanTurbobean vor 3 Tagen
1
Wenn Du schreibst, Du hattest eine Idee im Kopf ... konntest Du Dir den Duft dann schon in Gedanken genau vorstellen?
HeinssonHeinsson vor 3 Tagen
2
Ja, es ist schon so, dass man ein "Duftbild" im Kopf hat, das mal klarer ist, mal diffuser. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, es dann auch so umzusetzen. Gerade, wenn man noch am Anfang steht.
PollitaPollita vor 3 Tagen
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Die Pandemie schuf gewiss einige Probleme, doch es gab auch Chancen und Durchbrüche. Du scheinst die schwierige Zeit sehr gut genutzt zu haben. Glückwunsch!
CfrCfr vor 3 Tagen
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Wie meinst du das denn mit Parfümeur werden :)
CfrCfr vor 3 Tagen
1
Dankeschön für die Info ☺️
HeinssonHeinsson vor 3 Tagen
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Der Begriff Parfümeur beschreibt keinen akademischen Abschluss, sondern eine berufliche Tätigkeit. Wer es schafft, gezielt Düfte nach Kundenbriefing zu entwickeln, die sowohl molekular als auch olfaktorisch den Marktansprüchen genügen, ist, meiner Einschätzung nach, ein Parfümeur.
CfrCfr vor 3 Tagen
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Das hab ich auch schon alles durch ☺️ und dann liegst du im Bettchen und überlegst was zusammen passen könnte 🤗aber bin kein Parfümeur muss ich da was Studieren?
HeinssonHeinsson vor 3 Tagen
3
Heute bin ich Parfümeur, das waren meine Anfänge 😊.

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