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vor 9 Jahren - 08.05.2015
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Der Duft der Kunst

Letzte Woche besuchte ich zusammen mit einer Freundin die Ausstellung „Belle Haleine Der Duft der Kunst“ im Museum Tinguely in Basel. Wie ich gerade gesehen habe, hat Paskal bereits vor ein paar Stunden über die Ausstellung informiert. Aber ich will mich sowieso auf die Beschreibung von drei Installationen beschränken, die mich beeindruckt haben:

-Die begehbare Installation Volátil von Cildo Meireles: Vor einer unscheinbaren Tür werden wir dazu aufgefordert, die Jeans hochzukrempeln und Schuhe und Socken auszuziehen. Ausserdem werden wegen des aufgewirbelten Staubs Atemschutzmasken ausgeteilt. Gespannt betreten wir einen etwa zwanzig Quadratmeter grossen L-förmigen Raum. Der Boden ist mit einer dreissig Zentimeter dicken Talkpuderschicht bedeckt. Es ist dunkel, nur im Fuss des L’s flackert eine Kerze. Es dürfen sich höchstens drei Personen auf einmal in der Installation aufhalten. Das Museum ist eher schlecht besucht und wir sind allein und können uns Zeit lassen. Das Barfussgehen im Talk ist angenehm. Weniger angenehm ist der Geruch in der Luft. Es handelt sich laut Beschreibung um „ein schwefelhaltiges, synthetisches Odorierungsmittel, das handelsüblichem Haushaltsgas als Warngeruch beigemischt wird“. Am Anfang glaube ich den beharrlichen, aber keineswegs alles durchdringenden Geruch ignorieren zu können und erwarte zusätzlich einen gewissen Gewöhnungseffekt, aber das Gegenteil trifft ein. Der unangenehme Geruch beginnt das schöne Gefühl an den nackten Füssen bald einmal zu übertönen. Meine Freundin hingegen lässt sich das Gefühl „auf Wolken zu gehen“ nicht so schnell vermiesen und schaut mich krumm an, als ich ihr mitteile, dass ich raus muss, und zwar schleunigst.

- Ernesto Neto: Lipzoid Spice Garden: In einem hellen Raum von der Grösse einer kleinen Turnhalle hängt eine Stoffglocke von etwa zehn Metern Durchmessern von der Decke. An ihr sind mit feinsten Stichen unzählige, mit Gewürzen (schwarzer Pfeffer, Kurkuma, Kümmel und Ingwer) gefüllte Nylon-Strümpfe befestigt, die wegen der natürlichen Farbe wie Zitzen ausschauen. In der Mitte befindet sich eine Art Stempel, der nach Ingwer duftet. Seine Form erinnert an eine Vagina. Er ist ungefähr eineinhalb Meter lang und siebzig Zentimeter breit, die Umhüllung besteht ebenfalls aus durchsichtigem Nylon. Was für ein Spass, dieser überdimensionalen Gewürzglocke einen Schubs zu verpassen, so dass sie in leichtes Schwingen gerät und sich dann darunter auf den Boden zu legen. Okay, das mit dem Schwingen fand der diensthabende Aufseher eher weniger spassig, aber nichtsdestotrotz: Ich hätte ewig unter dieser Glocke liegen bleiben und meine Lungen mit ihrem würzigen Duft füllen mögen.

-The Smell of Fear von Sissel Tolaas: In einem geschlossen, etwas schummrigen Raum soll an Wänden geschnuppert werden, die den Angst-Schweiss verschiedener Phobiker ausdünsten. Beim Betreten des ungefähr fünfundzwanzig Quadratmeter grossen Raumes kann ich im ersten Moment nicht verstehen, warum aussen eine Warnung angebracht ist, ich empfinde den Geruch, der in dem Raum herrscht, eher als interessant als als abstossend. Sobald ich aber die Tür hinter mir geschlossen habe und auf der Tafel lese, worum es sich handelt, wird es mir mulmig. Etwas verunsichert, ob ich mir dieses Gefühl von Mulmigkeit soeben angelesen habe, oder ob es von dem bei geschlossener Tür doch ziemlich penetrant werdenden Geruch herrührt, gehe ich auf die nächste Wand zu, die ihrerseits auf mich zuzukommen scheint und das ist leider auch schon alles, was ich berichten kann. Mir wird derart übel, dass ich das Experiment abbrechen muss. Eine halbe Stunde später ist mir immer noch schlecht, was mich ärgert, wollten wir doch anschliessend an die Ausstellung noch Parfums schnuppern gehen. Meine Freundin findet den Geruch nach männlichem Angst-Schweiss zwar auch nicht gerade erbauend, zeigt aber keine derart heftige Reaktion. Sie kann sich sogar vorstellen, zumindest einen dieser Unbekannten aufgrund seiner Ausdünstungen zu mögen.

Als wir in der Innenstadt angelangt sind, geht es mir wieder gut. Das Parfumtesten verläuft reibungslos, naja, zumindest solange, bis ich auf die Idee komme, mir Noble Leather von Yves Saint Laurent unter die Nase zu halten. Das hätte ich besser bleiben lassen. Der Duft ruft die männlichen Phobiker postwendend erneut auf den Plan, allerdings ohne dass es mir schlecht wird. Und was noch erstaunlicher ist: Dieses eine Mal empfinden meine Freundin und ich exakt dasselbe.

Selbstverständlich werde ich mich hüten, an dieser Stelle einen Kommentar über Noble Leather abzugeben. Die Frage, die mich beschäftigt ist die, ob ich das nach diesem Erlebnis überhaupt jemals kann, ohne dem Parfum Unrecht zu tun?

Die Ausstellung läuft noch bis zum 17 Mai: http://www.tinguely.ch/de/ausstellungen_events/austellungen/2015/Belle-Haleine.html

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