Konsalik
Konsaliks Blog
vor 5 Jahren - 27.01.2019
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​Parfums und ihre sartoriale Entsprechung

Das schöne an Parfumo ist unter anderem doch, dass man in seinem Blog seinen eigenen kleinen Spleens und Crossovers nachgehen kann. So richtig "tounge-in-cheek" Kind sein und sich in alles verknüpfender Lust austoben, wie man es sich seit Kindheitstagen nur noch selten traut: Da werden Listen erstellt, Entsprechungen gesucht und gefunden, Parallelen zwischen Parfums und Weiß-der-Geier-was gezogen, dass es nur so perlt: Weine, Songs, Prominente - so ziemlich allem lässt sich ein passendes Parfum zuordnen, der synästhetisch-assoziativen Urgewalt des Geruchssinns sei's gedankt! Und es macht Freude. Diese kleine Freude gönne ich mir nun auch einmal, indem ich mich in diesem Eintrag einer meiner weiteren großen Passionen olfaktorisch zuwende: Der klassischen Herrenmode.

Es ist das traurige Los der Frau, nur in sehr eingeschränktem Maße auf einen halbwegs kanonisierten Bestand an Kleidungsstücken zugreifen zu können, der Dauer hat, immer kleidsam ist und keinem impliziten gesellschaftlichen Zwang nach Abwechslung beziehungsweise einem durch die Modemacher auferlegten, expliziten Zwang durch ständigen Wechsel der Moden und Schnitte ausgesetzt ist. Ausnahmen bilden das "kleine Schwarze" beziehungsweise das Etui-Kleid allgemein, oder vielleicht noch das Chanel-Kostüm. Ansonsten ist auch die in dieser Beziehung renitenteste Dame, der dieser ständige Strom der "Fashion-Trends" ein tief empfundenes Ärgernis ist, auf Gedeih und Verderb den Designern der Mode- und Versandhäuser der westlichen Welt ausgesetzt, will sie allgemein akzeptiert "gut gekleidet" sein.

Natürlich wurde auch die Männermode mittlerweile von diesem - für die Bekleidungsindustrie höchst lukrativen - Phänomen affiziert: Der durchschnittliche Mann unserer Zeit ist im Allgemeinen schließlich nicht mehr ganz so beharrlich im gleichgültigen Auftragen seiner uralten Jeans und Parker, wie noch vor vielleicht dreißig Jahren. Welcher dieser Sachverhalte den anderen bedingt hat, sei dahingestellt. Worum es geht: Der Mann kann aussteigen! Aus Gründen, die hier nicht diskutiert werden können und sollen, hat sich in den Jahrzehnten zwischen 1910 und 1950 (Im Wesentlichen aber in den Zwanziger und Dreißiger Jahren) ein seither kaum veränderter und nur zaghaft erweiterter Kanon für akzeptierte, die männliche Silhouette anlassgerecht unterstreichende Kleidungs-Ensembles herauskristallisiert. Diese unterliegen zwar auch ihren Schwankungen; jedoch sind sie hinreichend geringfügig und in ihrer Frequenz langwellig genug, um ignoriert werden zu können. Es gibt sie, die "zeitlose" Herrenmode.

Ich komme gleich zum Parfum, keine Sorge. Nur noch so viel: Wer sich nun entscheidet, an der Wegwerf- und Ausbeutungsgesellschaft ("Made in Bangladesh") nicht mehr teilnehmen zu wollen, muss nicht auf das gleiche T-Shirt mit hinzugefügtem Fair Trade-Siegel schielen: Er kann auch vollständiger aussteigen! Wenige Sachen, dafür gute. Anzüge, Hosen und Sakkos, die für viele Jahrzehnte gemacht sind - von anständig bezahlten Fachkräften und leidenschaftlichen Schneidern genäht. Hemden vom Hemdenmacher, der den aufgescheuerten Kragen oder die Manschetten auch nach Jahren noch erneuert. Rahmengenähte Schuhe, deren Neubesohlung lohnt, weil der Rest quasi unkaputtbar ist - you get my Point. Und billiger ist es auf Dauer ohnehin...

Welche Art von Parfum verlangt denn nun diese ach so tolle, klassische Herrenmode, Herr Konsalik? Nun, einige! Wie bei Parfums unterliegt auch die Wahl der jeweils angemessenen Kleidung natürlich einer Bestimmungsmatrix mit den Parametern "Anlass", "Jahreszeit", "Tageszeit". Das entsprechende Parfum muss hierzu passen, zugleich aber auch die Aura der Kleidung aufgreifen und in die Geruchsdimension verlängern. Eine erschöpfende Behandlung aller möglichen Bekleidungsvatianten ist in diesem Rahmen freilich unmöglich. Das wäre etwas für ein obskures Buchprojekt, das weder Verlag noch Käufer finden würde. Allein: Empfehlungen, die den Duft-Trends der letzten dreißig Jahre entsprechen, werden sich hier nur wenige finden. Wie die großartigen Düfte der alten Parfumhäuser bzw. frühe Großtaten heute noch aktiver Designer, ist die klassische Herrenmode spätestens in den ausgehenden Achtziger Jahren von der öffentlichen Selbstverständlichkeit in die Nische ausgewandert und überwintert dort. Diese relative Parallelität zwischen Mode- und Duftwelt dürfte auch ein Grund dafür sein, weshalb viele zeitgenössische "Duft-DNAs" mit klassischen Textilien so dürftig harmonieren - zumindest für mein Empfinden.

So, nun aber mal los... (Beispielbilder sind verlinkt)


Der graue Zweiteiler mit fallendem Revers

Neben seinem mittel- bis dunkelblauen Pendant gehört der (ebenfalls mittel- bis dunkel-) graue, einreihige Anzug mit fallendem Revers aufgrund seiner schier unerschöpflichen Vielseitigkeit zur absoluten Basisausstattung der Herrengarderobe: Während der schwarze Anzug eigentlich nur auf Beerdigungen angemessen ist (für die förmliche Abendveranstaltung wäre ein "kleiner Gesellschaftsanzug" angemessener, siehe unten), ist man mit ihm praktisch immer auf der sicheren Seite. Ob seriös mit weißem Hemd und Krawatte oder semi-formal und leger im Polo-Shirt: Der graue Anzug ist bespielbar wie eine Leinwand - und das gilt auch in Sachen Parfum! Gleichwohl denke ich, dass der abtönenden, "pastellig" ausbalancierenden Grundtendenz dieses Kleidungsstücks auch olfaktorisch Rechnung getragen werden sollte, so dass allzu laute und expressive Düfte eher zweite Wahl sein sollten. Ansonsten geht es aber klassisch wie modern: Gestandene, seriöse Recken wie "Vetiver (Eau de Toilette)@Guerlain" von Guerlain oder "Bois du Portugal" von Creed wären ebenso angemessen, wie duftgewordene Konferenzräume à la "Kiton Men (Eau de Toilette)" oder - ganz aktuell - Pradas "L'Homme".


Der Sommeranzug

"Den" Sommeranzug gibt es nicht. Jedoch existiert (neben dem häufigen Wegfall des Innenfutters) eine große Anzahl von Möglichkeiten, auf die Gegebenheiten der heißen Monate des Jahres zu reagieren, ohne den Rahmen der klassischen Herrenmode verlassen zu müssen. In erster Linie bieten sich atmungsaktive, leichte Stoffe (z.B. Leinen) ebenso an, wie entsprechende Webarten; neben den bekannten Seersucker-Stoffen aus Baumwolle denke ich hier besonders an die herrlichen "Frescos": Rau und offenporig wie ein feingewebtes Kettenhemd, bietet ein Sakko aus auf diese Weise verarbeiteter Wolle ein Frische-Erlebnis, mit dem kein Tank-Top mithalten kann! Ungefüttert, zumeist von heller Farbe, leger: Viel Phantasie braucht man nicht, um sich die passende Duftfamilie für diese Art von Garderobe zurechtzulegen, zumal sie jahreszeitlich gebunden ist. Alle Arten von Colognes, die sich im olfaktorischen Koordinatensystemrund um den Urknall aus dem Jahre 1709 herum gruppieren (gemeint ist natürlich "Original Eau de Cologne" von Farina gegenüber), untermalen die Leichtigkeit dieser Kleidungsstücke auf's Beste! Für den lauen Abend gerne etwas abgedunkelt und orangig ("Bright Neroli" von Ferrari) oder am Morgen der beiläufige, aufweckende Schuss in die hohle Hand ("Wasch Eau de Cologne" von Harry Lehmann) - alles, was irgendwie zitrisch und klassisch-südlich ist, ist hier am Platz.


Der Navy-Blazer

Aus der britischen Marinetradition (und den englischen Ruderklubs) stammend, ist der Navy-Blazer eng mit der Nautik verknüpft. Häufig (aber mittlerweile nicht mehr überwiegend) zweireihig, stets marineblau und mit goldenen oder silbernen Knöpfen besetzt, ist dieses Sakko auf der Formalitäts-Skala zwar unterhalb eines unifarbenen Anzugs ("Anzug" = Hose und Jacke aus dem gleichen Stoff) angesiedelt, aber dennoch wesentlich formaler als die meisten anderen denkbaren Kombinationen. Diese "veredelte", maritime Bequemlichkeit könnte man gut mit einem Duft unterstreichen, der den Siegeszug der Aquatik über Umwege eingeläutet hat, ohne seinerseits "wässrig" oder zu ''casual'' auszufallen: Die Wahl fällt auf "Green Irish Tweed" von Creed.


Der Zweireiher

Früher allenthalben zu finden, ist der klassische Zweireiher (englisch: double-breasted jacket) aus den Kollektionen der Warenhäuser und auch der allermeisten Herrenausstatter so gut wie verschwunden. Dies ist zweifellos der allgemeinen "Casualisierung" aller Lebensbereiche geschuldet, signalisiert doch die zweite Knopfreihe in Verbindung mit dem (unbedingt!) steigenden Revers ein deutlich erhöhtes Maß an Eleganz und Formwillen, das sich dem allgemeinen Wunsch nach ironischer Brechung widersetzt. Der sicher nicht nur von mir schmerzlich vermisste User "loewenherz" lobte in seinem Kommentar zu "Fougère Royale (2010) (Eau de Parfum)@Houbigant" von Houbigant dessen heutzutage fast schon provokant anmutende Zurückgenommenheit und unironische Attitüde. Und in der Tat: Eine so diskret aber stolz aus der Zeit gefallene Duftrichtung wie der "echte" Fougère passt hervorragend zu diesem Kleidungsstück.


Der Paletot

Was soll ein Wintermantel tun? Warm halten. Sonst ist es kein guter Wintermantel. Eine der besten und funktionalsten Möglichkeiten, der dunklen Jahreszeit stilvoll zu begegnen, ist zweifellos der Paletot. Dieser ist im Grunde genommen die Mantel-Variante des oben beschriebenen Zweireihers und nutzt dessen Eigenschaften für seine Zwecke: Die durch die Verschlussart gegebene, zweite Lage Stoff über dem Bauch wärmt enorm und durch den versetzten Knöpfpunkt dringt zudem kein Wind durch. Der oben beschriebene, optische Effekt dieser Machart rückt den Träger übrigens automatisch ein wenig in Richtung "Grandseigneur", was dazu führt, dass überlaute, am Ende gar noch gourmandig-verspielte Düfte schnell ein schräges Bild abgeben. Druckvolle, aber durch ihre Komplexität automatisch etwas zurückgenommenere Herrenklassiker wie "Habit Rouge (Eau de Toilette)@Guerlain" von Guerlain oder auch der archetypische "Grandseigneur zum Aufsprühen" "Knize Ten (Toilet Water)" dürften die glücklichere Wahl darstellen.


Der kleine Gesellschaftsanzug

In Deutschland und Frankreich unter der (historisch irreführenden) Bezeichnung ''Smoking'', in England als "Dinner Jacket" und in den USA als ''Tuxedo'' bekannt, stellt diese Kombination aus dunklem Anzug, häufig mit Schalkragen, speziellem Hemd und schwarzer Schleife ("Fliege") für die meisten Herren den Höhepunkt an Formalität dar, der ihnen in ihrem Leben abverlangt werden könnte. Oder hat schon einmal einer meiner Leser eine Einladung im Briefkasten gehabt, die den "großen Gesellschaftsanzug" (vulgo "Frack") vorschreibt? Oder gar einen formalen "Morning Dress"? Eben.

Der egalisierende (wenn auch nicht automatisch demokratisierende) Effekt dieser seltsam starren Kleiderordnung ist uns übrigens kaum noch bekannt: Wenn der König, der Earl und dessen Finanzberater alle das gleiche Kleidungsstück tragen, wird ein gewisses Maß an Augenhöhe hergestellt und das Gespräch im Salon verläuft ungleich zwangloser. Ein passender Duft zum Smoking sollte sauber, elegant und zugleich irgendwie "dunkel" wirken. Zwei wunderbare Kandidaten für diesen Zweck wären Van Cleef & Arpels' "Pour Homme (Eau de Toilette)" (elegant seifig, mit fein austarierten Gewürzen), sowie der Uraltklassiker "Eucris (Eau de Toilette)" aus dem Hause Trumper. Letzterer gilt übrigens als das Leib- und Magen-Parfum des Smokingträgers par excellence, James Bond. So war es zumindest von seinem Erschaffer Ian Fleming angedacht.


Die Tweed-Kombination

Ein Herbstspaziergang in Cordhose, Filzweste, Strickkrawatte, Schiebermütze und übergeworfenem Sakko aus Tweed: Viel britischer kann ein Bild kaum ausfallen. Und auch in Deutschland schreit das klassische, zwar teure, aber dafür im Grunde unzerstörbare Sakko aus echtem (Harris-)Tweed nicht nur "Studienrat", sondern eben auch Feld, Wald und Wiese. Countryside. Diese Assoziation sollte sich auch im Duft wiederspiegeln, weswegen sich hier harzig-koniferige Kandidaten mit herbsttauglicher Sillage und Haltbarkeit empfehlen. Exemplarisch sei hier ausgerechnet ein Franzose genannt, zu 90% Wald, zu 10% geschossenes Reh mit sich entwickelndem Hautgout: "Yatagan (Eau de Toilette)" von Caron.


Der Glencheck

Auch "Prince of Wales-Check" genannt, gilt es als eines der konservativeren Muster für Tages-Oberbekleidung, obwohl es eines der komplexesten ist: Im Wesentlichen ist es ein aus Hahnentritt-Mustern erstelltes Karo (gerne mit dünnen, farbigen Überkaros belegt; streng genommen heißen nur diese Versionen ''Prince of Wales'') und gehört zu den klassischen englischen Designs mit rund 700-jähriger Tradition. Und zumindest in Deutschland wird dieses Muster ein klein wenig vom Atem des Altersheims umweht. Rührig-rüstige Herren, klein geworden im achten oder neunten Lebensjahrzehnt, aber immer noch am alten, mittlerweile viel zu langen Glencheck-Sakko festhaltend, wie an einer Rüstung, auch wenn sie dessen Schulterbreite schon lange nicht mehr ausfüllen.

Mutige, junge Träger, die mit diesem "air" spielen wollen, kombinieren den Glencheck mit Chinos und Chelsea Boots. Sie tragen dabei im Wechsel "Tabac Original (Eau de Cologne)" oder "Aventus (Eau de Parfum)". Hier darf gerne etwas Ironie beigemischt werden. Dann wird auch der Glencheck wieder cool.


Ich freue mich über jeden Leser, der mir bis hierhin auf meinem kleinen, nicht ganz bierernst gemeinten Streifzug durch das althergebrachte Schneiderwesen gefolgt ist. Fortsetzung nicht angedacht, aber auch nicht ausgeschlossen.

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