Ein besonnener Gentleman - Chergui von Serge Lutens

Wenn man sich die Parfumkritiken über Serge Lutens durchliest, stößt man immer wieder auf begeisterte Chergui-Träger. Alle schwärmen vom balsamischem Tabakduft. Auch Perfumes: The Guide vergibt ganze 4 Sterne. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis auch ich das Eau de Parfum testen musste. Schon lange habe ich mir im Kopf eine Vorstellung von Chergui gemacht, doch diese weicht vollkommen vom echten Geruch ab. Ich stellte mir eine Menge Erde vor, eine Menge Rauch, eine Menge Heu und viel Tabak. Wie ist der Duft aber wirklich?

Chergui startet mit einem überraschend frischem und gefälligem Duftmix aus etwas Heu, ein wenig Honig und subtilen Tabakblättern. Es dominieren keine überstarken Gewürze (wie man es aus anderen Lutens-Kreationen kennt) und der Duft ist von anfang an ohne Einschränkungen tragbar. Nach wenigen Minuten lenken süßere Noten in die Komposition ein und schon im gleichen Moment bestätigte sich, was ich von Anfang an dachte. Chergui riecht wie eine stark abgewandelte und entschärfte Form von Jean Paul Gaultier's Le Mâle. Das muss wohl der Grund sein, warum ich dieses Eau de Parfum sofort symphatisch fand. Die beiden Düfte teilen die von Gaultier beschriebene ,,frische Sinnlichkeit" und das Benzoeharz. Die Ähnlichkeit ist zwar nicht zu hoch, aber durchaus bemerkbar. Chergui ist keine Kopie von Le Mâle, sondern ist durch die Rose floraler und wirkt deutlich ruhiger und zurückhaltender. Wo Le Mâle eher ein vorlauter Junge ist, ist Chergui ein besonnener Gentleman. Man könnte es den ,,erwachsenen Verwandten" nennen. Vielleicht ein Cousin? Im Hintergrund tummelt sich etwas beinahe Pflaumenartiges, was laut Tania Sanchez eine der vielen Facetten vom Absolute von Heu ist. Da ich echtes Heu-Absolute noch nie gerochen habe, kann ich nicht beurteilen ob es sich hier wirklich um das Heu handelt. Nach und nach kommt ein wenig Moschus zum Vorschein, vermischt sich mit dem Amber um wiederum eine Melange mit einer herrlichen Benzoe/Weihrauch Kombination einzugehen. Dabei ist der Weihrauch von den genannten Komponenten die zurückhaltendste und fast nur zu erahnen. Was nach einigen Stunden bleibt, ist ein erdig/süßer Geruch der sanft und wispernd auf der Haut liegt, mit einem beinahe schokoladigem Beigeruch.

Chergui entpuppte sich als angenehm und mild statt rauh und rauchig. Ich kann mir den Duft gut an Menschen vorstellen, die in ihrer Jugend Le Mâle trugen, dieses ihnen aber mittlerweile zu intensiv und laut ist. Man darf sich keine billige Kopie des Gaultier Klassikers vorstellen, die Unterschiede zwischen den beiden Parfums sind ebenso groß wie die Ähnlichkeiten. Das Beste wird es sein, sich einfach auf das Dufterlebnis einzulassen. Jeder Mensch nimmt anders wahr und Parfumbewertungen für ein und denselben Duft können sehr weit auseinander gehen.

Achtung: Ich habe Chergui 2x getestet: Einmal als Eau de Parfum und einmal als SolidPerfume. Die Gerüche sind beinahe identisch, doch zur Haltbarkeit des Eau de Parfums kann ich nichts sagen. Das Solid hat eine durchschnittliche Haltbarkeit und bleibt sehr nahe beim Träger.

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