Bella Italia“ auf der Global Art of Perfumery 2012 in Düsseldorf

Während ich bedeutend mehr französische Häuser aus der größten Duftnation erwartet hätte, und die anderen Marken häufig nur durch ihre Repräsentanten oder Vertriebsgesellschaften vertreten waren, ließen es sich mehrere italienische Parfumeure nicht nehmen, den direkten Kontakt zu ihren deutschen Kunden zu suchen und ihre Kreationen persönlich vorzustellen. Auch unserer „herumstreunenden“ Parfumo-Delegation gegenüber zeigten sich die Italiener außerordentlich aufgeschlossen und auskunftsfreudig und lieferten teilweise ein wahres Feuerwerk an Informationen und Geschichten ab.

So wurden wir von der Grandezza eines Enrico Bucella mit seinen Marken „Cerchi Nell'Acqua“ und „Sigilli“ geradezu verzaubert.

Er nahm sich für unser Klübchen viel Zeit und ließ sich mit unnachahmlicher patriarchalischer Geste von seinem jungen, extrem gut aussehenden Mitarbeiter immer wieder den entsprechenden Satz Parfümstreifen anreichen, um uns jeden einzelnen seiner – ich muss nachschauen – mindestens 25 Düfte – vorzustellen. Dabei sprach er italienisch und ließ seine ausführlichen Beschreibungen auf Aufforderung von einer Dolmetscherin übersetzen.

Eine großartige Darbietung!

Inala, die wunderbarerweise ganz gut italienisch spricht, bekam den Vorzug, ein anderthalbstündiges Gespräch mit dem Signore führen zu dürfen und war so begeistert, dass sie darauf bestand, den Bericht hierzu für Euch zu schreiben. Avanti, Inala!.

Aber auch Silvio Levi mit der Fraganze d'Autore-Linie bei Cale“ erwies sich als geradezu überquellendes Füllhorn an Geschichten zu seinen Düften. Das entspricht dem konzeptionellen Ansatz von Cale, den ich als außerordentlich phantasievoll und inspirierend empfinde. Leider war ich bei der zauberhaften Märchenstunde nicht persönlich dabei, aber Pazuzu und Florin brauchten nach dem Gespräch mit Silvio dringend eine Pause.

Mit in dieser Gruppe möchte ich eigentlich auch Xavier Torre mit „Testa Maura“ aus Korsika rechnen. Obwohl sich der temperamentvolle Franzose nach eigenen Angaben der französischen Parfumtradition zugehörig fühlt, gab es meines Erachtens doch sehr viel Ähnlichkeit mit seinen italienischen Kollegen. Denn so entschieden und ausdrucksstark Torre (als Korse, so wie wir ihn uns vorstellen) auftritt, so entschieden und kraftvoll sind seine Düfte, in deren Mittelpunkt die heimischen Pflanzen und Kräuter der Insel stehen.

Den Typus des smarten und intellektuellen Römers verkörperte der sympathische, eher dezente Maurizio Lembo mit „Officina delle Essenza“, dessen Düfte für italienische Verhältnisse geradezu modern und geradlinig erscheinen. Ursprünglich beschäftigte er sich mit Raumdüften, ganz in der Tradition der südländischen Sehnsucht nach Erfrischung und Kühle. Und das spürt man in der neuen Linie seiner Eau de Parfums – er nennt sie Puri - auch sehr deutlich.

Erwähnen möchte ich den ausführlichen und umfassenden Messeauftritt von „Farmacia di Santa Annunziata“ aus Florenz, einer ebenfalls sehr sympathischen, sehr italienischen Duftlinie, deren breites Spektrum an Düften hier auf Parfumo auch schon bekannter ist.

Für mich persönlich war es ein besonderes Erlebnis, die Bekanntschaft mit „Maria Candide Gentile“ machen zu dürfen. In diesem ganzen Trubel von schicken, eleganten und auffällig schönen Menschen wirkte diese stille und unprätentiöse Italienerin wie ein Stern aus einer anderen Galaxie. Nach einem freundlichen Interview mit ihr überlegten Pazuzu und ich, ob wir in unserem Twittertext das Wort „Parfümkunsthandwerk“ verwenden könnten, aber wir ließen es dann doch sein, denn diesem Wort haftet ein spezifischer Beigeschmack von „Bastelarbeit“ an. Tatsächlich ist es aber wohl der treffendste Ausdruck für die sechs Schätze der Ligurierin aus Lerici. Sie sind Parfümkunst und traditionelles Handwerk im besten Sinne des Wortes. Maria führt den Titel eines „Maître Parfumeur“, denn sie hat eine klassische Ausbildung in Grasse abgeschlossen.

Sie arbeitet ausschließlich mit natürlichen Stoffen und investiert ungeheuer viel Arbeit und Ausdauer in die Ausformung ihrer Grundideen. Und so gelingen ihr sehr komplexe und dichte Kompositionen, die sich nicht beim ersten Riechtest erschließen lassen. Bringt man jedoch nur ein klein wenig Geduld auf und wartet etwas ab, dann eröffnen sich wahre Duftwelten.

Hier fand ich meine Vorstellung von einer „Italianata“, von einem spezifischen italienischen Ausdruck und Charakter der italienischen Parfumkunst am ehesten bestätigt. Gibt es diesen besonderen Ausdruck tatsächlich oder ist er lediglich der ähnlichen Vorliebe zu gewissen Grundstoffen zuzuschreiben? Ich meine schon, den besonderen italienischen roten Faden auch auf dieser Messe entdeckt zu haben bzw., um es auf eine griffige, vielleicht auch platte Formel zu bringen: Die Italiener haben einen weniger eleganten, dafür aber einen sehr ehrlichen Ansatz in ihren Düften. Die Verwendung ihrer heimischen Pflanzenwelt verleitet dazu, sie manchmal als krautiges Durcheinander abzuqualifizieren, als unreife Duftbomben. Nicht die schmeichelnde Verführung, sondern Verbundenheit mit Natur und Heimat sind ihr Anliegen.

Dabei stehen nicht unbedingt die neuesten Trends, die innovativsten Ideen im Vordergrund, sondern man bleibt häufig bei Bewährtem mit persönlichen Variationen.

In unserer rasanten und hedonistischen Welt haben es solche Werte sicherlich oft schwerer, aber wer sich auf diese klassische Tradition einlässt, dem erzählen diese Düfte unzählige Geschichten.

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