Das unbekannte Raumschiff - Vapor von Neil Morris
Bis vor kurzem hatte ich noch nie von Neil Morris und seinen Duftkreationen gehört. Dank Parfumo hat sich das geändert und ich hatte sogar die Gelegenheit einen der wohl außergewöhnlichsten Düfte überhaupt zu testen: Vapor! Vapor soll den Geruch von Wasserdampf darstellen, doch wie riecht ein Parfum das einem nicht vorhandenem Geruch nachempfunden ist? Diese Frage hat mich sehr interessiert und so ging ich voller Freude auf Vapor zu:
Frisch aufgesprüht wird man von einer Flut aus Aldehyden überrascht, da ist es kaum verwunderlich das mein erster Eindruck Chanel N°5 war. Die Aldehyde in Vapor sind ähnlich stark wie die in N°5, Arpège und anderen großen Aldehydparfums. Doch schnell entwickeln sich süßliche Noten im Hintergrund. Der Heliotrop und die Tonkabohne vermischen sich und ergeben einen Geruch, der mich an feines Gebäck erinnert. In Kombination mit den prominenten Aldehyden ergibt das einen Duft wie ich ihn zuvor in noch keinem anderen Parfum erlebt habe. Einerseits ist Vapor vertraut, auf der anderen Seite sehr fremd und neuartig. Vertraut, weil der Duft etwas von Chlorwasser hat (von weitem), von nahem jedoch wieder nicht. Es dauert nicht allzu lange und die Kopfnote macht Platz für die eher süßen Düfte, die nun in den Vordergrund rücken und die Illusion der Bäckerei intensivieren, eine außerirdische Bäckerei auf Planet Z1700. Würde es so in einem irdischen Back-Shop riechen, würde ich das Geschäft erschrocken verlassen. Der Weihrauch ist hier eher subtil und sauber, nicht stark und kaum erkennbar. Der Moschus ersetzt eine Brise Puderzucker, die über die Süßspeise verteilt wird. Die Chlor-Note spukt weiterhin umher und scheint die Verbindung zum ,,Wasserdampf" zu sein. Für mich ist der Geruch von blauem Himmel und Wolken anders, wenngleich Spuren davon in Vapor vorhanden sind, ist es nicht das was ich erwartet habe. Die Basis nach vielen Stunden ist nicht mehr sehr außerirdisch. In dieser Phase erinnert das Eau de Parfum mich an den Gourmand-Duft ,,Au Masculin" von Lolita Lempicka, welcher sich keiner großen Beliebtheit erfreuen konnte. Wer schon immer eine Mischung aus Aldehyden, Bäckerei und Chlorwasser erleben wollte, muss Vapor unbedingt testen. Ein eher synthetisches aber hochinteressantes Gemisch. Nicht von dieser Welt, sondern gerade in diesem Moment mit dem Raumschiff gelandet.
Vapor ist seltsam, fremd und synthetisch. Ich hätte nicht mit soetwas gerechnet, sondern mit etwas frischerem. Denn die Bäckerei-Note wird intensiver als ich es anfänglich vermutet hatte. Trotz verschiedenster Eindrücke ist diese Neil Morris Komposition nicht unstimmig. Dennoch handelt es sich hier keines Falls um einen einfachen Geruch, ich könnte Vapor nicht den ganzen Tag an mir ertragen. Der Duft ist zu intensiv und erobert jede freie Ecke eines Raumes. Geradezu aggressiv und penetrant wirkt das Parfum, wenn man es länger als eine Stunde ertragen muss. Gestern habe ich durchgehalten, doch jetzt ist meine Nase überstrapaziert und ich muss dem Test ein Ende bereiten. Sicherlich nicht für jeden und nicht für jede Gelegenheit.