Die kalte Herrscherin - Tubéreuse Criminelle von Serge Lutens

Eigentlich wollte ich Tubéreuse Criminelle erst morgen testen, doch der Duft reizte mich so sehr, dass ich das Wax spontan auf meine Haut verteilte. Von Tubéreuse Criminelle findet man im Internet die goßartigsten Bewertungen. Von den Liebhabern als auch von den Hassern hört man immer das Gleiche: Stark, intensiv, brutal! Das hört sich alles schön und gut an, so recht vorstellen konnte ich mir das Ganze aber nicht. Ich spekulierte wild umher, wie wird riecht es wohl, ist es tatsächlich ein so schokierendes Eau de Parfum? Bei Serge Lutens ist das vorstellbar, aber seit ich heute Morgen Sarrasins getestet habe, bin ich etwas abgeschreckt. Sarrasins war ein Graus für mich. Doch kann man Jasmin und Tuberose wirklich vergleichen? Beides sind weiße Blüten, doch ist die Tuberose von den beiden die am Meisten gefürchtetste. Mit ihr werden oft Kopfschmerzen assoziiert. Ob Christopher Sheldrake hier tatsächlich die Essenz von Kopfschmerzen eingefangen hat?

Tubéreuse Criminelle, der Name ist Programm! Der Duft startet wirklich brutal und laut. Eine starke, grüne Menthol Note legt sich über alles andere. Es ist, als rieche man an einer intensiven Mundspülung, die ,,duften" auch immer sehr stark nach Menthol. Dann, ca. 1 Minute später, wird der kühle Geruch durchbrochen von der nicht minder kühlen Tuberose. Sie erblüht, nein, erstrahlt in ihrer vollen Pracht! Kokosartig umarmt sie das Menthol und geht eine überraschend angenehme Symbiose mit ihm ein. Viele Menschen fürchten die Tuberose, ich gehöre jedoch zu denen, die sie verehren. Zwar kann ich Tuberosendüfte selten tragen (sie stehen mir meistens nicht), aber als Kunstwerk gefallen sie mir sehr gut. Da ist Tubéreuse Criminelle keine Ausnahme. Die Gewürznelke sticht nach kurzer Zeit hindurch, sie scheint eine der Ursachen für die Menthol-Note zu sein. Von den Blüten kann ich in dieser Phase noch keine genau erkennen. Bloß der Jasmin ist hin und wieder zu erriechen, was mich ein wenig stört. Nachdem ich heute schon Sarrasins getestet habe, ist mir überhaupt nicht mehr nach Jasmin zumute... Glücklicherweise zieht er sich schnell zurück und überlässt dann der Tuberose wieder das ,,Schlachtfeld". Diese hat, ähnlich wie der Jasmin, eine animalische Ecke, hier ist sie aber nicht so abstoßend wie in Sarrasins. In Tubéreuse Criminelle ist die animalische Note sehr sexy. Die Kopfnote ist sehr langlebig und will nicht verschwinden, sowas habe ich noch nicht erlebt. Ich warte und warte und warte. Aber sogar nach über einer halben Stunde hat sich nichts verändert. Menthol, Nelke und Tuberose. Da ist wirklich Geduld gefragt. Obwohl ich jetzt sogar meine kleinste Vanillespuren zu erahnen, bleibt der Duft eher kühl. Es dauert eine weitere viertel Stunde bis sich eine kleine Menge Harz heraustraut. Jetzt lässt sich sogar die erhabene Tuberose endlich dazu herab sich zu verändern. Sie wird etwas wärmer, wobei warm die falsche Bezeichnung ist. Die Tuberose wird nie ,,warm". SIe bleibt kühl, sie ist blaublütig! Wie eine kaltherzige Herrscherin gebietet sie über die gesamte Komposition und setzt sich ohne Rücksicht auf Verluste durch. Sie ist stur und niemand wagt sich sie anzuzweifeln. Wie gesagt, die sie verändert sich leicht. Sie wird etwas blumiger und legt die animalische Note ab. Jetzt passiert es endlich, einige Tropfen Vanille bringen wieder Schwung in's Leben der kalten Herrscherin. Endlich präsentieren sich einige tropische Facetten der weißen Blüte, das ist es, worauf ich seit ewigkeiten gewartet habe. Es erscheinen auch anderen Blumen auf der Bildfläche, die Hyazinthe schenkt süße und erobert zusammen mit der Vanille das Imperium der Kälte. Langsam muss sich das Menthol geschlagen geben, es wurde aber auch langsam Zeit. Es zieht sich zurück, hinterlässt aber Rückstände. Wer denkt, dass das jetzt alles war, täuscht sich! Denn jetzt endlich, tritt die Basis ein, sie tritt als eine süßliche Mischung aus Vanille, Moschus und der Tuberose auf, welche zum zweiten Mal, mit einem leisen Knurren, ihre animalische Seite zeigt um nur kurze Zeit später in einem Meer aus weißen Blüten zu ertrinken. Jetzt erinnert mich das Parfum ein wenig an Saks Fifth Avenue for Her von Bond No. 9. Auch dieser Duft ist Tuberosenlastig, wenngleich nicht halb so voll und reichhaltig wie Tubéreuse Criminelle. Abschließend beruhigen sich die Gerüche alle und liegen leise auf der Haut. Zärtlich und flüsternd, das sind die letzten Atemzüge einer großen Komposition von Christopher Sheldrake!

Wow, ich bin sprachlos! Wer einen Duft erleben will, der zu 100& innovativ und anders ist, der kommt um Tubéreuse Criminelle nicht herum! Ein Duft, ein Erlebnis. Ich komme aus dem Staunen kaum raus und schwelge noch immer in der Basisnote des Parfums. Ob ich mir diesen Duft kaufen werde? Nein, wie ich bereits gesagt habe: Ich verehre die Tuberose, doch als persönlichen Duft kann ich sie mir nicht vorstellen. Ich empfehle jedem dieses Parfum zu testen, niemand soll sterben ohne Tubéreuse Criminelle von Serge Lutens erlebt zu haben. Ob man nun Tuberose mag oder nicht ist dabei egal. Wenn sich euch die Chance bietet, testet! ACHTUNG: Ich habe lediglich das SolidPerfume getestet. Das Solid hat eine enorme Haltbarkeit und ist extrem intensiv. Wenn das bloß die Wax-Probe war, wie intensiv ist dann das Eau de Parfum?

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