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vor 13 Jahren - 19.07.2011
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La Maison de Guerlain

So, hier bin ich also an einem der wenigen ach so exklusiven Orte, an welchem das Haus Guerlain das Feilbieten seiner überaus erlesenen Duftschätze zu gestatten geruht...

Ich sage das nicht ohne Ironie, denn der Ort entbehrt so ziemlich jeden Glamour, den man von einem „Maison de Guerlain“ erwarten könnte. Stattdessen: eine recht beliebig gewählte Ecke in einem allseits bekannten (und berüchtigten) Branchenriesen – praktisch ausgestattet und ohne viel Firlefanz. Zu sehen sind ausschließlich Tester, in Gruppen zusammengefasst: hier die „Les Parisiennes“-, dort die „L´Art et la Matière“-Reihe usf. Allein rechts und links dieser unerwartet nüchternen Angelegenheit: zwei Facticen der Legenden „Sous le Vent“ und „Vega“ unter mächtig aufstrebenden Glasglocken.

Pappstreifen stehen in Gläsern parat, also bediene ich mich eigenmächtig. Doch nur kurz währte das Glück nach Herzenslust allein nach diesem und jenem greifen zu können, als auch schon eine streng dreinblickende Dame mit zwei arabisch anmutenden Frauen im Schlepptau hinzutritt.

Solch orientalische Erscheinungen – ich habe es schon oft erlebt – werden im Herzen der Münchner City über die Maßen geschätzt, haben sie doch in aller Regel einen wahrhaft unerschöpflichen Geldbeutel. Und tatsächlich: Etwas an den Rand gedrängt, hatte ich teil an einer absurd-lächerlichen Einkaufstour.

Die ältere der beiden Damen saß im Rollstuhl, spielte mit den Kugeln eines Gebetskranzes und blickte seltsam unbeteiligt umher. Die jüngere, vermutlich die Tochter, führte in ruppigem Stakkato-Englisch das Verkaufsgespräch.

Ein bedufteter Pappstreifen wurde seitens der jüngeren der abwesenden älteren unter die Nase gehalten, worauf diese ohne sichtliche Anteilnahme einfach nur nickte.

„What is it?“

„Oh, it´s something with rose and ...“

„Ok., we take it. And what is this?“

„Oh, this is something with iris.“

Die verkaufende, nach Art einer Chefsekretärin mit halber Brille bestückter Dame erläuterte erst gar nicht weiter, griff nach einem Pappstreifen, machte Pffft, wedelte bedeutungsvoll und hielt die duftende Kostbarkeit geziert vor sich hin.

Die junge Dame schnappte sich das Ding, hielt es erneut der mit ihren Kügelchen müde vor sich hin klappernden Frau unter die Nase, die wiederum ohne irgendwelche weiteren Regungen, und auch ohne erkennbar daran geschnuppert zu haben, kaum merklich nickte.

„We take it.“

Diese Prozedur (sie muss doch ein Alptraum sein für jeden seriös arbeitenden, mit seinen künstlerischen Ansprüchen ringenden Parfümeur!), sie wiederholte sich noch weitere zwei Male, bis der olfaktorische Hunger des orientalischen Duos scheinbar gesättigt schien.

Anschließend gab es allerhand Aufregung, dass die Damen auch ja bevorzugt an der Kasse bedient würden, ehe man mir im Forteilen über die Schulter hinweg die Frage zurief, ob man mir denn auch helfen könne.

Ich käme zurecht, aber bei Gelegenheit könne ja mal irgendjemand bei mir vorbei schauen, gab ich zur Antwort, und hatte für einen Moment wieder meine Ruhe.

 

Da ich schon von vornherein wusste, was ich testen wollte – „Vetiver pour Elle“ und „Philtre d´Amour“ – hatte ich mich flugs bedient (wobei ich mit jenen so rührend altmodischen Pumpspray-Köpfen meinen Kampf hatte: Es wollte zunächst einfach nichts rauskommen, so sehr den Pumpballon auch drückte und drückte...), und noch genügend Zeit nach dem einen oder anderen mir bis dato unbekannten Duft zu greifen, bevor sich jene halb-bebrillte Dame meiner annehmen konnte.

‚Vega’ – ein großes WOW!! Divenhafte Grandeur ganz alter Schule – großartig!

‚Cuir Beluga’ – ein spannungsloses, pudrig-milchiges Gebräu, das mich unbeteiligt ließ. Desgleichen ‚Tonka Imperiale’ -  vanillig-mandelige Süße in pompösem Ornat. Nicht meins, gar nicht.

‚Chamade pour Homme’ – immer wieder probiere ich es, da ich jedes Mal denke es müsste mir doch gefallen, aber es tut es nicht, zumindest nicht so wie Jean-Pauls, oder erst recht Jacques' Kreationen es sonst tun. Aber immerhin, schlecht ist es wirklich nicht, und besser als die gesamte „L´Art et la Matière“- Reihe allemal.

Zurück bei den „Parisienne“-Düften kämpfte ich erneut mit der vermaledeiten Ballon-Pumpsprühern, als urplötzlich eine junge Dame an meiner Seite stand und mir die mehr als erwartbare Frage stellte. Ja, sagte ich, ich hätte gerne diesen hier.

Ob ich ihn getestet hätte?

Ja, habe ich.

Wir haben auch die Herren-Variante.

Ja, ich weiß. Ich möchte aber diesen hier.

Gerne. Sollen wir ihn als Geschenk verpacken, oder ist er für Sie?

Für mich.

Breites, süffisantes Grinsen, so als habe ich mich für erotische Damen-Unterwäsche entschieden. Wer aber ein Faible für Düfte im Allgemeinen hat, also ohne vermeintlich geschlechtsspezifische Kategorien, der steht über derlei Gefeixe, und denkt für sich: Grins du nur! Und ich ließ sie grinsen.

Pff!

 

So endete mein Erlebnis im so gar nicht prätentiösen „Maison de Guerlain“ mit dem Erwerb des wunderbaren ‚Vetiver pour Elle’, und ich muss sagen: Eigentlich bin ich doch ganz froh, dass Guerlain ausgerechnet beim nicht gar so gut beleumundeten Großdealer in Sachen Duft ein Eckchen geordert hat. Es passt so gut, ja hebt sich auf, wie Plus und Minus zu einer neutralen Angelegenheit: Die Snobs aus Paris mit ihrem Exklusivitäts-Gedöns, und der ungeliebte, und allzu oft schnoddrig-nachlässige Branchenprimus (der aber hin und wieder unumgänglich ist...).

Nicht auszudenken mit welch gespreizter Eitelkeit und Wichtigtuerei diese nur teilweise großartigen Produkte anderenorts angepriesen würden!

 

Ich werde wiederkommen.

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