Profumo
Profumos Blog
vor 13 Jahren - 07.08.2011
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'Pour Homme', 'For Men' etc. - zum Teufel damit!

Kürzlich fragte mich eine Bekannte, ob ich ihr einen Patchouly-Duft empfehlen könnte. Von ihr aus auch ein Herrenduft, dass sei ihr völlig egal. Umgekehrt habe ich dergleichen von einem Mann noch nie gehört.

Dabei gäbe es auch für die Herren der Schöpfung jenseits des ‚pour Homme’ so viel zu entdecken, ist doch der Kosmos der Damenparfümerie ungleich reicher, vielfältiger und aufregender. Ja, mitunter sogar maskuliner – man gehe einfach nur einige Jahre zurück. Vor dieser - olfaktorisch gesehen - horizonterweiternden Reise in unbekannte Duftwelten steht aber zunächst der Mann, in all seiner Unfähigkeit über den eigenen Schatten zu springen und angstbeseelt seine Männlichkeit auf dem Prüfstand zu sehen...

Nun, es ist ja kein Geheimnis, dass Männer sich in aller Regel schwer damit tun, wenn auf den Düften die ihnen zur Auswahl präsentiert werden kein ‚pour Homme’, oder meinetwegen ‚for Men’ oder auch nur ‚Man’ steht. Männer brauchen Orientierung, klare Ansagen, bloß nichts Vages oder Uneindeutiges. Aber nicht nur die männliche Kundschaft scheut vor Düften zurück, die nicht explizit den ‚pour Homme’-Stempel tragen, es ist auch die überwiegende Mehrheit des zumeist weiblichen Verkaufspersonals, die nicht im Traum daran denken würde einem Herren einen Damenduft zu empfehlen, selbst wenn dieser ihn wider Erwarten sogar in Betracht zöge. Wie oft ist es mir geschehen, dass ich einen bestimmten Damenduft testen wollte, und er mir ohne zu fragen auf ein Kärtchen gesprüht wurde. Auf meine Bitte ihn mir auf die Haut zu sprühen, folgte in den allermeisten Fällen der Hinweis, dass es sich aber um einen Damenduft handle, der sich auf Männerhaut in aller Regel gänzlich anders entwickle. Wenn ich dann antwortete: „Sehen Sie, und genau deswegen möchte ich ihn auf meiner Haut haben“, kam man zwar meiner Bitte bisher immer nach, doch häufig mit wahlweise einem indignierten Gesichtausdruck, oder einer süffisanten Mine, was ich beides unnötig und ärgerlich empfand. Hätte eine Frau nach einem Herrenduft verlangt, er wäre ihr selbstverständlich sonst wohin gesprüht worden – man weiß ja nie, ob er nicht für die Dame selbst ist.

 Doch halt! Da gab es mal eine Ausnahme – eine gut aussehende, äußerst zuvorkommende, ältere Dame in einer bekannten Frankfurter Parfümerie, die eines Tages einfach mit den Worten: „Warten Sie mal einen Moment, ich hole mal schnell was für Sie“ hinter meinem Rücken verschwand, um kurz danach mit einem mir unbekannten Flakon wieder aufzutauchen. Sie erklärte mir gar nicht was sie da habe, sondern fragte mich nur, ob noch ein kleiner Platz auf meinem Arm frei sei. Ich deutete auf eine noch nicht beduftete Stelle und sie besprühte diese sogleich. Der Duft war phantastisch, nicht genau das, wonach mir gerade war, aber absolut mein Geschmack. Auf meine Frage, was das denn gewesen sei, nannte sie einfach den Namen des Duftes, es war ‚Profumo’ von Acqua di Parma (die alte Fassung), erwähnte aber mit keinem Wort, dass es sich um einen vermeintlichen Damenduft handelte – einen uralten, aus den 30er Jahren stammenden, wie ich später nach einiger Recherche feststellen konnte. Ein anderes Mal versuchte sie es mit Bandit, und als sie eines Tages ‚Jicky’ in Händen hielt, musste ich ihr leider sagen, dass ich diesen Duft schon seit längerem kannte, und nicht nur kannte, sondern auch besaß.

Apropos ‚Jicky’: Was habe ich mir damals Gedanken gemacht, ob dieser Duft für einen jungen Mann wie mich, einen eher maskulineren obendrein, überhaupt tragbar sei! Ich, und ein Damenduft (wie ich damals dachte)! Natürlich hätte ich zu ‚Mouchoir de Monsieur’ greifen können, duftete ja fast genauso, und noch dazu wäre ich sozusagen ‚auf der sicheren Seite’ gewesen, da dieser Duft ganz offensichtlich für den Monsieur, bzw. dessen Taschentuch geschaffen war, stand es doch dick und fett drauf! Aber ‚Mouchoir de Monsieur’ war eben nicht ‚Jicky’: es war zwar toll, aber eben nicht ganz so toll, berauschend, aber nicht ganz so berauschend. Letztlich rang ich mich doch zu ‚Jicky’ durch, verwahrte es aber hinter all meinen ‚pour Homme’-Düften, auf dass es nicht zu unerwünschten Missverständnissen komme...

Heute mache ich mir überhaupt keine Gedanken mehr darüber was auf der Verpackung steht, und es ist mir vollkommen egal, ob ein als Damenduft deklarierter in der ersten Reihe meiner Sammlung steht, oder nicht.

 

Was soll das überhaupt: Damenduft/Herrenduft?

Wie duftet eine Dame, und wie ein Herr?

Natürlich gab es Zeiten, da dufteten Damen nach Blümchen und Herren – so sie denn überhaupt zu einem Duft griffen – nach Holz, Tabak und Leder. Es gab aber auch Zeiten, noch weiter zurückliegende freilich, da griffen die Herren überaus  gerne zu opulenten Rosendüften (z.B. Hammam Bouquet), und im arabischen Raum tun sie das im Übrigen auch heute noch.

Ja, und dann gab es noch Zeiten – zu Beginn des 20.sten Jahrhunderts bis weit in dessen dreißiger Jahre – da konnte es nicht wenigen Frauen gar nicht maskulin genug in Sachen Beduftung sein: Da musste Leder rein, Tabak, der Rauch gleich mit, und Holz, und jede Menge tierische Sekrete – man denke nur an Carons ‚Tabac Blond’, an Chanels ‚Cuir de Russie’, Molinards ‚Habanita’, Guerlains ‚Vol de Nuit’, oder Robert Piguets ‚Bandit’.

Alle diese wunderbaren Düfte, kämen sie heute auf den Markt, trügen vermutlich den Stempel ‚pour Homme’, denn merkwürdigerweise leben wir heute, ähnlich wie in den 50er Jahren,  erneut in einer Art restaurativer Phase, zumindest hinsichtlich des Verständnisses wie die Damenwelt zu duften habe – nämlich hauptsächlich blümelig, mit einem kleinen Touch ‚Gourmand’, ein bisschen Schokolade, ein wenig Karamell, vielleicht einer Spur Kokos. Frau scheint dieser Tage besonders gerne blütenfrisch und vor allem ‚lecker’ duften zu wollen. Kaum mehr Holz, Tabak schon gar nicht, und um Himmels willen keine tierischen Sekrete. Selbst mit Leder ist es nicht mehr weit her, und wenn, dann bitte höchstenfalls den zarten Hauch von feinstem Veloursleder à la ‚Kelley Caleche’.

Sogar bei den Herren versucht man die Rolle rückwärts: Da werden auf einmal wieder kräftige Fougères gebraut (‚Rive Gauche pour Homme’ oder ‚Sartorial’), da kann Mann von Holz (‚Terre d´Hermès’ oder ‚Wonderwood’) gar nicht genug bekommen, aber dennoch gibt es zeitgleich den mutigen Versuch der Rückeroberung verloren gegangenen Terrains, unter der Losung: Blumen für den Mann! Endlich darf Er auch Iris tragen, und Rose, ja selbst an weiße Blüten, an Tuberose und Gardenia, wird die wenig experimentierfreudige Männernase so langsam heran geführt.

So seltsam es ist: Für Herren wird die Palette ein gutes Stück geweitet, während sie zugleich für Damen eher verengt wird – ganz so, als ob es nur noch Girlies gäbe, die einfach nur frisch und lecker, nach Marshmellows und aromatisierter Caffè Latte riechen möchten. Den Boys aber bietet man hin und wieder etwas an, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Aber gut, die Herren und Damen Parfumeure und Parfumhersteller wissen ja, dass der weibliche Kunde ohne weiteres im Herren-Segment wildert, während es umgekehrt eben nicht der Fall ist. Wozu also den Damen weiterhin der vermeintlich maskulinen Duftsphäre entlehnte Düfte kreieren, wenn diese sich ohnehin an den Originalen bedienen.

Für die Männer aber, zumindest die, die man olfaktorisch gesehen noch nicht aufgegeben, will sagen mit dem aberhundertsen Cool-Water-Frische-Klon versorgt hat, ja, für die kann man noch was tun. Denen kann man ‚Dior Homme’ vorsetzen, oder ‚Fleur du Mâle’, oder ‚Rose d´Homme’. Keineswegs schlechte Düfte, nein, aber verglichen mit jenen Blütendüften, die in den 20er und 30er Jahren, und in den 60er und 70er Jahren für Frauen kreiert wurden, und die durchaus auch von Männern hätten getragen werden können, sind sie doch arg blasse und mutlose Gesellen.

 

Mein Rat daher an alle männlichen Geschöpfe, die auf der Suche nach einem für sie tragbaren floralen Duft sind – schnappt euch Chanels ‚No. 19’ oder Guerlains ‚Après l´ondée’, greift nach Patous ‚1000’ oder Lutens´ ‚Tuberose Criminelle’, nach Malles ‚Carnal Flower’ oder ‚Portrait of a Lady’. Und wenn euch nach einem echten Orientalen ist, verschmäht ‚Shalimar’ nicht, oder ‚Opium’ von Yves-Saint-Laurent (das alte am besten) – es gibt keine besseren! Und wenn es gar die anspruchsvolle Welt der großen Chypre-Düfte sein darf, so sollte kein Weg vorbei an ‚Mitsouko’, ‚Azurée’ und ‚Bandit’ führen – es lohnt sich!

(Nur ein kleiner Tip: immer die niedrigste Konzentration wählen, also lieber ein EdT als ein EdP, und dezent dosieren!)

Vor allem aber: Schert euch einen feuchten Kehricht um die pikiert-belustigten Blicke der Verkäuferinnen. Es werden sich euch Duft-Dimensionen eröffnen, die ihr nicht mehr missen möchtet!

Aktualisiert am 23.05.2023 - 05:33 Uhr
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