Tragician

Auf Diptyque wurde ich aufmerksam durch einen anderen Duft - ich suche nach geraumer Zeit eine Vanille, mit der ich mich anfreunden kann und testete Eau Duelle - und stand in einem bekannten altehrwürdigen Kaufhaus vor der Mamortheke auf der die schönen ovalen Flakons aufgereiht waren. Eau Duelle war probiert und ich noch immer keine glühende Vanilleanhängerin. Und weil ich nunmal neugierig bin, nahm ich auf gut Glück einen weitern Flakon in die Hand und sprüht etwas davon auf einen Teststreifen.

Eigentlich glaube ich nicht an Liebe auf den ersten Blick und normalerweise muss ich auch mit Düften etwas warm werden. Aber, was ich hier roch, war besonders. Es heißt, dass der olfaktorische Sinn am stärksten mit Erinnerung verbunden ist und genau das macht Philosykos bei mir: Er ruft Erinnerungen wach. Ich atmete ein und ich erinnerte mich: An Rom im Sommer vor ein paar Jahren, an die brennende Sonne, an einen Park auf einem Hügel hoch über der atemlosen Stadt, in dem ich lag und las und in den Himmel blickte. An das Herumstreunen in den dunkelblauen Nächten, durch uralte Straßen, die noch warm sind von dem unerbittlichen Sonnenschein, an die warmen Mauern aus Sandstein, die unter meiner Hand zu leuchten schienen. An Verlorengehen in der Fremde und die ganz eigenen stillen Abenteur, die sich daraus ergeben. Das alles war da, vor meinen Augen, mitten im grauen Dezember.

In dem strahlenden Rom meiner Erinnerung ist keine Feige zu finden (zumindest nicht bewusst); vielleicht ist es vielmehr das saftige Grün, als ob man ein Blatt vom Baum reißt und in der Nachmittagshitze zwischen den Fingern zerreibt, oder das Feigenbaumholz, das leise und warm duftet, die diese Assoziationen wachrufen.
Philosykos ist für mich kein Duft sondern ein Gefühl, ubeschwert und gleichzeitig etwas melancholisch, eben eine Erinnerung. Und obwohl seine Haltbarkeit ein wenig schwach ist und obwohl ich Leute, denen ich meine große Duftliebe vorstellen will ganz dicht mit ihrer Nase heranbitten muss, liebe ich ihn.