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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 25.02.2021
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Eine kleine Geschichte der Menschheit – mit Düften I: Vor- und Frühgeschichte

Und gleich am Anfang ein kurzer Disclaimer: Wer hier einen Text über die Geschichte der Parfumherstellung erwartet und auf Dufttipps von Hatschepsut, Cicero oder Karl dem Großen hofft, der wird bitter enttäuscht werden.

Ebenso werde ich auch die Gelüste derjenigen nicht befriedigen (können), die sich Infos darüber erhoffen, ob die White Star Line tatsächlich Creeds "Erolfa" auf der Jungfern- und zugegebenermaßen auch letzten Fahrt der Titanic reichen ließ (tat sie nicht), ob Kaiserin Sisi sich wirklich Erdbeermatsche von Guerlain ins Gesicht klatschte (vielleicht) oder ob König Assurbanipal (669 v. Chr.) wirklich irgendein beliebiges Dufthaus (gegr. 1980) aus Paris (gegr. um 300 v. Chr.) zum assyrischen Hoflieferanten ernannte, weil die das auf ihrer Homepage halt so schreiben (probably not).

Nein, vielmehr geht es mir um zeitgenössische Düfte, die Geschichten aus der Geschichte erzählen. Über "Unguentum" von Onyrico und die Geschichte, die der Hersteller damit erzählt, bin ich überhaupt mit so etwas wie Nischendüften in Berührung gekommen. Einer meiner ersten Düfte auf dem Weg zum „heiligen Gral“ in dieser Welt hier war dann Akkad von Lubin. Daneben gehört inzwischen auch "Invasion Barbare" von Parfums MDCI heute auch mit zu meinen Lieblingsdüften. Neben meinen guten Erfahrungen, die ich bisher mit solchen Düften gemacht habe, und einem einigermaßen ausgeprägten Interesse für jegliche geschichtliche Themen war es sicher auch eine gehörige Portion Langeweile über Weihnachtsferien im Lockdown, die mich dazu verleitet hat, in einem Foren-Thread noch mehr solcher „historischen Düfte“ zu sammeln.

Ich kann hier im Blogeintrag nur eine Auswahl an Düften vorstellen, vorrangig solche, die ich selbst schon einmal unter der Nase hatte. Für alles weitergehende empfehle ich diese beiden Listen: Schon getestet und noch nicht getestet.

In drei oder vier Blogeinträgen werde ich Düfte mit Bezugnahmen auf die Geschichte von der Vor- und Frühgeschichte über die Antike bis ins Mittelalter und eventuell noch die Frühe Neuzeit vorstellen. Jetzt also zur Vor- und Frühgeschichte:

Während ihrem weiten und langen Weg aus Afrika über den Rest des Planeten hatte die frühe Menschheit wohl wichtigere Sorgen als die Frage, ob jetzt schon Zeit für einen Winterduft sei oder man doch den Immergeher aufsprühe, ob ein Chypre oder ein Orientale die bessere Wahl sei. Letzteres vielleicht auch dadurch beeinflusst, dass sie kaum ein Verständnis dafür gehabt haben durften, was Zypern oder der Orient sind. Fragen der damaligen Zeit waren eher: Wie bekomme ich meinen Faustkeil richtig spitz? Wie entkomme ich diesem Säbelzahntiger? Oder auch: Wie halten es diese verdammten Neandertaler in dieser Kälte hier aus?

Mit der Sesshaftwerdung in der Jungsteinzeit und dem Auftreten der ersten Hochkulturen hatten wohl auch die ersten Menschen die Zeit dafür, statt mit dem nackten Überleben, sich mit scheinbar sinnfreien Sachen wie dem von uns so geliebten Dufthobby zu verschenken. Sie hantierten schon mit Balsam und allerlei Weihrauch.

Der Duft, der die am weitesten zurückgehende Geschichte in meiner Sammlung erzählt, ist auch gleich eine richtige Weihrauchbombe: "Akkad" von Lubin ist dem sagenhaften König Sargon von Akkad gewidmet, der im 24. oder 23. Jahrhundert vor Christus über das von ihm gegründete akkadische Reich im Zweistromland herrschte. Weihrauch, Elemi, Styrax und Patchouli sind dabei und hätten auch damals schon tatsächlich in Sargons Palast zu finden sein können. Der Weihrauchduft ist kein sakraler, sondern vielmehr kalt und harzig, gemischt mit einigen Gewürzen und einer gewissen Süße. Die Vanille- und Tonkanoten, die zum Schluss bei dem Duft kommen, dürfte er kaum gekannt haben. Beide Pflanzen stammen aus Mittel- und Südamerika. Akkad ist der erste Duft in dieser Chronologie und war gleichzeitig der erste Nischenduft, der es mir so richtig angetan hatte. Ein schöner Auftakt also. Zu Akkad habe ich übrigens auch einen ausführlicheren Kommentar geschrieben.

Historisch geht es um ca. 13 Jahrhunderte weiter, geografisch etwa 5.000 Kilometer nach West-Süd-West. Etwa im 10. vorchristlichen Jahrhundert finden sich Siedlungsspuren in dieser Gegend in Mali. Heute wird "Timbuktu" synonym für einen Ort verwendet, der am Ar... Ende der Welt liegt. Sprichwörtlich „dort, wo der Pfeffer wächst“ (jetzt nicht im tatsächlichen Sinne, aber das Problem werden wir noch öfter haben). Der ist nämlich auch einer der dominanten Zutaten in dem harzig-würzigen Duft, neben Estragon, Kardamom, schwarzem Tee und dem schon bekannten Weihrauch. Der Duft spiegelt das Bild der alten Karawanenstadt im Trans-Sahara-Handel mit seinen kräftigen, orientalischen Duftnoten wider. Durch seine abgelegene Lage blieb der Glanz der alten Stadt vielen in Europa und auch von anderen Kontinenten lange verborgen. Trotz Gerüchten über angebliche Besuche in der frühen Neuzeit, betrat der erste Europäer, von dem man es gesichert sagen kann, erst 1826 die Stadt.

Kurz darauf geht es wieder zurück nach Osten und auch wieder zurück zu Lubin, diesmal mit "Galaad", das nach dem biblischen Gilead benannt ist. Außer einem dort beheimateten Seher und einigen Kriegswirren, die im Alten Testament gleichsam furorisch wie verwirrend beschrieben werden, ist wenig über dieses biblische Land bekannt, außer dass es im gelobten Land gelegen haben soll. Auch hier zieht sich der Weihrauchtrend der Vorgeschichte durch. Dieses Mal soll es ein süßer Weihrauch sein, der von Honig ebenso wie Rosmarin begleitet wird. Insgesamt ein sehr harziger Duft, der später balsamisch-pudrig wird.

Passend dazu wäre die israelische Duftfabrik „Ein Gedi“, die viele Düfte mit biblischen Namen vertreibt, sogar einige in einer Serie „Scents of the Bible“. Diese konnte ich aber, ebenso wie "Anubis", das in einer ähnlichen Zeitreihe steht, bisher noch nicht testen. In den folgenden Zeitaltern werde ich nicht mehr auf alle Düfte, die ich noch nicht getestet habe, zurückkommen. Sonst wird das hier ein endloses Unterfangen. Vielmehr möchte ich euch meine beiden obigen Listen mit bereits getesteten „historischen“ Düften und die mit eben ungetesteten ans Herz legen.

Langsam, aber sicher nähern wir uns der griechisch-römischen Antike, aber zuvor beschäftigt uns eine Nachbarkultur der Römer, nämlich die Etrusker, die ab ca. 800 vor Christus in Nord- und Mittelitalien nachweisbar sind. Woher die Etrusker stammten war lange Gegenstand hitziger Debatten: Die beiden konkurrierenden Diskussionsstränge behaupteten entweder eine Einwanderung aus Kleinasien oder eine Weiterentwicklung aus der schon länger in Norditalien ansässigen eisenzeitlichen Villanova-Kultur. Dadurch, dass die etruskische Sprache bis heute nicht eindeutig einer Sprachfamilie zuzuordnen ist, wurde die Sache nicht einfacher. Inzwischen geht man aber von einem Schmelztiegel aus lokalen Kulturen, italischen Einwanderern aus dem Norden und einigen phönizischen und anderen kleinasiatischen Seefahrern, die sich niederließen, aus. Später wurden sie Teil des römischen Reiches, auf das wir im nächsten Artikel zu sprechen kommen. Für die Etrusker habe ich mit "Freefall - Etruscan Water" einen der Düfte gefunden, die bisher in meiner Sammlung mit am schlechtesten abgeschnitten haben. Trotz eine komplexen Duftpyramide mit Grapefruit, Basilikum, Ambra, Labdanum, Eichenmoos und vielem mehr, habe ich nur den Geruch billigen Rasierwassers in der Nase gehabt. Für mich der etruskischen Kultur angemessener schien mir dann "Tuscan King (Parfum Extract)", in dem ich Himbeere, Johannisbeere, Leder, etwas Rauch, Amber und Holz entdecken durfte (und der damit auch von Tom Fords "Tuscan Leather (Eau de Parfum)" inspiriert sein dürfte).

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Hier geht's zum zweiten Teil: Römisch-griechische Antike

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