Akkad 2012

Writerhof
28.12.2020 - 08:02 Uhr
19
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Erde, Schweiß und Rinderdung...

...so stelle ich mir den „Duft“ eines Durchschnittsmenschen im fruchtbaren Halbmond in der frühen Bronzezeit vor. Dazu kommt eventuell ein Brackwasser-Akkord aus den Sümpfen der wasserreichen Flüsse von Euphrat und Tigris. Akkad trägt nichts von dieser Mischung, die eher Gestank als Duft darstellt, sondern beschreibt vielleicht vielmehr das Gegenteil der Lebensrealität der Ackerbauern und Viehzüchter im Zweistromland. Gewidmet ist der Duft, der von Delphine Thierry zusammen mit Lubins Gilles Thévenin geschaffen wurde, dem sagenhaften König Sargon von Akkad. Viele Mythen ranken sich um ihn: Sohn eines Gärtners, Mundschenk des Königs von Kiš und später liebte ihn die Göttin Ištar und machte ihn zum Herrscher von Akkad. Einem solchen göttlichen Herrscher angemessen scheint auch die Duftkreation von Lubin.

En-hedu-Ana, Sargons Tochter, wurde Priesterin und rief die Göttin Ištar wie folgt an: „Meine Herrin, geliebt von An, von all deiner Wut will ich künden! // Die Kohlen habe ich aufgehäuft, die Reinigungsriten dazu bereitet.“ Weihrauch und andere edle Harze wurden im Tempel langsam im Rahmen der Reinigungszeremonie verbrannt und ihr Duft musste sich auch weit über die Tempelgrenzen hinaus verbreitet haben. Ebenso wie seine Tochter muss Sargon nach Weihrauch geduftet haben. Sein Duft nach Weihrauch, Elemi, Styrax und Patchouli ist anders als bei seiner Tochter allerdings kein sakraler: Stattdessen hängt der kalte, harzige Duft in den kühlenden Steinmauern seines Palastes, den er in seiner neu erwählten Königsstadt Akkad errichten ließ. Der Rauch ist sehr präsent, bleibt jedoch stets mild und nie stechend, so wie es sich eines Königs geziemt. Ein wenig der Gewürze mischte Sargon wohl auch in seinen süßen Wein – eine Technik, die er als Mundschenk gelernt hatte – und überlagert das Weihraucharoma damit gleichsam auch süß.

Das Ambra (und die vanilligen und Tonka-Noten, die er damals abseits von Amber nicht gekannt haben dürfte), das den Duft zum Schluss hin umschmiegt, konnte er, der sich ein Reich geschaffen hatte, das sich zwischen beiderlei Meeren – Mittelmeer und Persischer Golf – erstreckte, an der nördlichen und südlichen Grenze seines Reiches problemlos beschafft haben.

Für mich einer der raffiniertesten und interessantesten Düfte, die ich habe. Deswegen dufte er für meinen zweiten Kommentar herhalten. Ein Herrscher kann ihn sicher tragen und sich dabei in monumentaler Architektur darstellen. Heute sehe ich ihn eher am Typus „Intellektueller“, der viel schwarz trägt oder ein Sakko mit Rolli drunter, wenn mir solche klischeehafte Vereinfachungen erlaubt sind. Wirklich ein inspirierender Duft, der keine brachiale Männlichkeit rüberbringt, wie man es von einem frühbronzezeitlichen König vielleicht erwarten würde. Er bringt eine subtile, intelligente Art von Männlichkeit für seinen Träger mit, ist durch die Süße aber genauso unisex zu tragen wie er vermarktet und offensichtlich (glaubt man der Statistik hier) auch getragen wird. Mein Einstieg in die Nischendüfte und ich habe meinen Kauf bis heute nicht bereut!
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