Writerhof
Writerhofs Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 28.02.2021
10 21

Eine kleine Geschichte der Menschheit – mit Düften II: Römisch-griechische Antike


Wie schon im ersten Blogeintrag geschrieben: In drei oder vier Blogeinträgen werde ich Düfte mit Bezugnahmen auf die Geschichte von der Vor- und Frühgeschichte über die Antike bis ins Mittelalter und eventuell noch die Frühe Neuzeit vorstellen. Heute geht es um die römisch-griechische Antike.

Ich kann jedoch hier im Blogeintrag nur eine Auswahl an Düften vorstellen, vorrangig solche, die ich selbst schon einmal unter der Nase hatte. Für alles weitergehende empfehle ich diese beiden Listen: Schon getestet und noch nicht getestet.

Von Etrurien, mit dem wir beim letzten Mal endeten, geht es heute zu einem seiner Verbündeten direkt über das Mittelmeer. Um 600 vor Christus kontrollierten die Etrusker zusammen mit den phönizischen Karthagern den westlichen Mittelmeerraum. 540 vor Christus kämpften sie an der Seite der Perser gegen die Griechen, die einige Kolonien in der Gegend ihr Eigen nannten und besiegten die griechische Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Marseilles. Auch duftmäßig sind die Karthager und die Etrusker für mich eng verbunden: L'Ambre de Carthage hinterlässt bei mir ebenso wie das schon erwähnte Etruscan Water nur einen Rasierwasser-Geruch, wenngleich hier mit Kardamom, Zimt, Amber, Weihrauch (schon wieder!) und vielen anderen durchaus interessante Duftnoten in der Pyramide angegeben sind.

Aber gehen wir weiter nach Osten zu den damaligen Feinden von Etrurien und Karthago: nach Griechenland. Um diese Zeit herum rangen sie gerade mit dem immer weiter nach Westen vordringenden Perserreich. Es war aber auch eine große Zeit der griechischen Philosophie: Heraklit, Demokrit und Xeophanes sind manchen vielleicht noch ein Begriff aus dem Ethikunterricht. Sie beschäftigten sich mit ganz unterschiedlichen Dingen wie der menschlichen Erkenntnis (Heraklit), entwickelten das erste Verständnis von Atomen (Demokrit) oder übten erste Formen der Religionskritik (Xenophanes). Sokrates, Plato und Aristoteles kamen erst in späteren Jahrhunderten dazu. Um die Philosophen geht es beim nächsten Duft aber nicht, auch wenn wenn sein Name ähnlich klingt. Es geht um Diptyques "Philosykos (Eau de Toilette)", anders als der Freund der Weisheit, der Philosoph, bezeichnet dieser Duft einen Freund der Feigen. Dementsprechend riecht der Duft auch: fruchtig, süß, etwas frisch, nach Feige und Kokos. Auch mit einem anderen Duft wagt sich Diptyque ins alte Griechenland: L'Eau des Hespérides ist ein herb-zitrischer Duft mit viel Zitrone und Zitronenmelisse, der sogar etwas minzig zu werden scheint. Die Hesperiden waren in der griechischen Mythologie Nymphen. Sie bewachten einen Garten, der unter anderem einen Baum mit goldenen Äpfel beheimatete. Einer dieser Äpfel, den die Göttin der Zwietracht, Eris, auswählte und der die Aufschrift καλλίστῃ – für die Schönste – trug, wurde übrigens auch zum Auslöser des trojanischen Krieges. Aber das nur am Rande. Etliche Jahrunderte später griff der schwedische Naturforscher Carl von Linné die Hesperiden wieder auf und sprach von Zitrusfrüchten als „Hesperidien“. So werden Zitrusdüfte auch heute noch in der Parfumherstellung benannt.

Wir wollen aber wieder zurück in die Nähe von Etrurien. Etwas weiter südlich hatte sich 753 vor Christus auf sieben Hügeln eine kleine Landstadt namens Rom gegründet, die später noch etwas größer werden sollte. Nach diesen sieben Hügeln hat auch Mauro Lorenzi eine Duftserie mit dem Namen „Septimontium“ kreiert, die ich schon in meiner Sammlung habe, bislang aber noch nicht testen konnte: "Septimontium - Esquilinus", "Septimontium - Palatinus", "Septimontium - Quirinalis", "Septimontium - Viminalis", "Septimontium - Aventinus", "Septimontium - Caelius" und "Septimontium - Capitolium". Nach dem Palatin ist auch Parfums MDCIs "Chypre Palatin" benannt, ein würzig-animalischer Chypre, der aber für meinen persönlichen Geschmack eher überladen ist. Er fängt an mit der klassischen Zypresse oder Thuje, Labdanum, animalischen Noten hat dann Leder, Honig, dann Amber. Ein ganz anderer Duft ist "Trastevere", benannt nach einem damaligen Arbeitervierten und heutigen Ausgehviertel Roms, jenseits des Tiber. Ganz anders als der herbe Chypre ist das ein sehr süßer Maronenduft.

Etwas außerhalb von Rom, in Kampanien, lag ein antikes Zentrum des Rosenanbaus. Die Rosen von Paestum finden schon bei Vergil Erwähnung, der seinem Freund Maecenas beschrieb, dass die dortigen rosen sogar zweimal im Jahr blühten. Ihnen ist "Paestum Rose" gewidmet, ein angenehmer Rosenduft, dem sogar mir als Rosenskeptiker etwas abgewinnen kann; er ist sehr mild, nicht stechend, fast fruchtig; angenehm, blumig, mit Honig und nicht zu altbacken.

Aus Paestum zurück in Rom steigen uns viele Gerüche der quirligen Stadt sofort wieder in die Nase: Rauch und Holz von offenen Feuerstellen; Lorbeer, der durchaus nicht nur für die Kränze von Imperatoren genutzt wurde, Balsam aus dem fernen Orient genauso wie Honig. Unguentum bezeichnet im Lateinischen eine Salbe beziehungsweise einen duftenden Balsam, der auch zur täglichen Körperpflege benutzt werden konnte. "Unguentum" soll diese Stimmung einfangen. Hergestellt wurden die Balsame und Parfums von unguentarii, den römisch-antiken Parfumeuren. Ein sehr maskuliner Duft, mit dem ich ein paar Anläufe brauchte, um warm zu werden. Ähnlich maskulin, aber doch auf ganz andere Weise ist "Rudis". Der Duft ist rauchig-holzig, aber gleichzeitig fruchtig-blumig, erinnert etwas an Trester, der auch tatsächlich in der Duftnote angegeben ist. Das rudis bezeichnete ein Holzschwert, das Gladiatoren verliehen wurde, sofern sie sich ihre Freilassung erkaufen konnten. Damit waren sie zwar freie Männer, standen aber im alten Rom immer noch deutlich unter denjenigen, die sich wahrscheinlich einen Besuch beim unguentarius leisten konnten.

Noch tiefer im Ansehen standen aber sicher die Barbaren. Der Duft "Invasion Barbare", wieder von Parfums MDCI war der zweite Antikeduft, der mich vollends in seinen Bann gezogen hat. Geschmückt mit einer Büste des, wohl zu Recht, verhassten Kaisers Caracalla hat mich Invasion Barbare zu den Lavendeldüften bekehrt. War ich vorher davon ausgegangen, dass ich diese Duftnote hasse, hat sich mich eines besseren belehrt und mir gezeigt, dass ich sie auch lieben kann. Der Duft ist herb, frisch, aquatisch; er hat etwas Moos, Pfeffer, Wacholder, wird kräuterig, maskulin. Zum Schluss wird wird er weicher, wärmer, vanilliger. Einer der komplexesten Duftverläufe, die ich bisher kennenlernen dufte, vielleicht so vielfältig wie Roms Geschichte mit den von ihnen als „Barbaren“ bezeichneten Völkern um sie herum. Den Duft habe ich auch schon ausführlicher kommentiert.

Abschließen möchte ich die Antike mit "Irae@V Canto", dem Zorn. In einem Sturm des Zornes, der Völkerwanderung, ging schließlich auch das Imperium Romanum unter. Dunkler Kakao, scharfer Pfeffer und Metall symbolisieren den Niedergang des Weströmischen Reiches olfaktorisch gut. Nach nur einem Jahr Regentschaft wurde der letzte Kaiser Romulus Augustulus (das „Kaiserchen“) mit gerade einmal 16 Jahren von Odoaker, einem Germanen, der als römischer Offizier Dienst tat, abgesetzt, der sich zum ersten rex Italiae, also zum König von Italien krönen ließ – ein Titel der etwa tausend Jahre fortdauern sollte, bis sich Karl V. als letzter Habsburgerkaiser zum König von Italien krönen ließ. Später sollten Napoleon und das aus dem Risorgimento entstandene und im Faschismus endende Königreich Italien den Titel ein letztes Mal aufgreifen.

Viele bisher von mir ungetestete Düfte konnte ich hier jetzt nicht unterbringen, aber ihr findet sie in der verlinkten Liste der ungetesteten historischen Parfums. Hier auch die Liste der schon getesteten. Beim nächsten Mal geht es dann weiter ins (europäische) Mittelalter.

--

Hier geht es weiter mit Teil III zum (europäischen) Mittelalter.

10 Antworten