In a Northern Wood

Serenissima
10.03.2024 - 03:38 Uhr
17
Top Rezension
6
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

bei Sonnenaufgang

Die Sonne vertreibt mit zartgliedrigen Strahlenfingern die Reste der Nacht und weckt so streichelnd den frühen Morgen: Wer möchte nicht so geweckt werden?

Stille liegt über dem Wald, nur das Knirschen der Schritte auf den trockenen Tannennadeln, die den federnden Boden bedecken ist zu hören: Es begleitet den entfernen Gesang der Vögel.
Kühle und Stille – welch seltenes Gut – sind die Hauptbestandteile von „In a northern Wood“ von Alkemia.
(Keine Angst, es geht nicht so monoton weiter: Es ist der letzte Duft dieser Marke, den ich zum Testen erhalten habe und hier besprechen werde.
Schade, aber ich bin dankbar, dass ich diese in Fläschchen verschlossenen Naturschönheiten kennenlernen durfte.)

Der Wald schweigt, der morgendliche Himmel ist weit, der Tau, als ein Vorhang der Nacht, liegt noch über allem und seine Tröpfchen glitzern unter dem Lichteinfall in reichhaltigen Facetten wie geschliffene Edelsteine.
Sie verschönern die Hüte der Pilze, so seitlich der Pfade beheimatet, und legen ein ganz eigenes Spitzenmuster über die Farnwedel, die meinen Spaziergang bewachen.
Würziges, feuchtes, teilweise ein wenig lehmig-muffiges Grün begleitet meine Wanderung und lässt mich nur im Ansatz ahnen, wie weit die Farbe, der Begriff „Grün“ überhaupt gefächert ist.
Zum aromatischen Würzgrün gesellt sich noch das im Laufe der Zeit immer weicher werdende balsamische Tannennadelgrün; behütend und die Sinne streicheln.
Eine graue Barriere aus Eichenmoos will überwunden werden, um in eine rauchige Umwelt einzutauchen:
Es wirkt so, als würde eine Vielzahl von Meilern die Pfade säumen; naturbelassener Holzrauch und harzige Varianten erfüllen die Luft mit ihren tanzenden Schwaden, wobei schließlich die Aromaharze überwiegen fast, würde nicht auch eine gute Dosis Oud mitmischen: Opoponax und Elemiharze und das seidig-silbrige Zedernholz erweisen ihm Referenz, werden aber schließlich als gleichberechtigte Duftpartner zugelassen: Schön ist das Ergebnis!
Die hier gezeigte Natur des erwachenden Morgens hat ihren eigenen, ursprünglich kräftigen und gleichzeitig schmiegsamen Duft, der die Sinne belebt und so Neugier weckt und trotzdem behütet.

Dieses gekonnt komponiertes nordisches Opus entlässt all seine Dufttöne und entfaltet sich im Laufe dieser würzig-aromatischen und grünen Symphonie im ganz eigenen Rhythmus.
Kühl umspielen die Töne und somit ist „In a northern Wood“ vielleicht sogar ein Gegenstück zur zitrischen Sommerduftwelt: Entführt es doch in einen hellen Schattenwald mit viel Lichtspiel und dunkleren Duftgeheimnissen, die sich Schritt für Schritt offenbaren und so zu einem harmonisch klingenden Ganzen werden.

Sillage und Haltbarkeit sind Marken-typisch; wobei zu viel davon vielleicht auch eher Kopfweh verursachen könnte: Diese klare Kühle könnte für sensible Sinne auch recht anstrengend sein.

Nun ist dieser duftvolle Spaziergang sicher nicht für jeden Tag gedacht.
Ich könnte mir „In a northern Wood“ aber gut als eine Auszeit aus einem stressgeplagten Tag vorstellen:
Die Augen schließen und einfach einmal einen Moment durchatmen und die frische kühle Morgenluft dort oben in nordischer Reinheit und Stille genießen.

Und wieder stellt sich die Frage: Ich das nun schon Parfum oder ist es noch Aromatherapie?
Die möge jeder, der eine Zeit mit „In a northern Wood“ erleben durfte, für sich selbst beantworten.
Ist es nicht eigentlich egal, unter welchem Begriff duftende Ruhe und Stille für eine gewisse Zeit unseren Lebensrhythmus beeinflussen?
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