Barberia - Agua de Colonia Concentrada 2012

TheScent
28.01.2022 - 16:46 Uhr
17
Top Rezension
10
Preis
7
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Die Anzugshose sitzt im Schritt etwas zu körperbetont.

Angeregt durch eine charmante Unterhaltung hier auf parfumo, gibt es jetzt mal eine Rezension zu einem meiner All-Time Klassiker für den Sommer.
Nun das Thema Zitrus&Holz aus dem Barber Shop kennen wir und viele Häuser haben dieses in ihrem Repertoire. Dem Hause Acqua di Parma gibt dieses Thema fast seine komplette Existenzberechtigung. Die Duftrichtung ist ein Klassiker in der „Herrenpflege“ und seit ca. 200 Jahre, mit Höhen und Tiefen, ein Dauerbrenner.
Die Grundzutaten sind recht simpel, Zitrus Noten, mal süßlicher, mal herb-bitter, dazu etwas kräuteriges / gewürztes und das ganze gerne aufgefangen von einer holzigen Basis.
Wie bei vielen Dingen, die aus wenigen Zutaten bestehen, ist es eine Kunst aus dem Wenigem etwas Besonderes zu machen.
Wir alle kennen den Klassiker des Vanilleeises und erinnern uns, wie viele schlechte Vertreter dieses Klassikers wir schon gegessen haben. Wir erinnern uns aber auch immer wieder an das eine, das eine wirklich unglaubliche Vanilleeis, welches wir in einer unscheinbaren Eisdiele in irgendeiner Stadt in irgendeiner Gasse gegessen haben.
In etwa so verhält es sich mit Barber Shop Düften.
Nun zum Agua de Colonia Concentrada von Álvarez Gómez. Er ist ein Spanier, das riecht man. Nicht so geleckt und akkurat wie ein Italiener und schon gar kein Franzose.
Die braunen Glattlederschuhe haben noch etwas Straßenstaub, die Anzugshose sitzt im Schritt etwas zu körperbetont (geknöpfte Hosenträger) und wenn er lächelt blinkt irgendwo im Mundwinkel ein Goldzahn auf.

Fisch zitrisch ist das Opening auch hier. Zitrone, Bitterorange und Bergamotte bestimmen den Auftakt in gewohnter Manier und geben mit den ersten Spritzern den gewünschten Kick am Morgen nach der Rasur (oder was Mann, sonst so morgens macht). Doch unterschwellig spürt man schon eine säuerliche Würze, die der Zitrus Noten einen fruchtig und dunkleren Ton hinzufügt und mit zunehmender Entwicklung eine immer deutlicheres Bild zeichnen. Rhabarber, nicht der frische, quietschige aus dem Garten, nicht der zu Kompott gekochte, sondern der Duft des Rhabarbergrüns an einem heißen Sommertag. Diese schwere säuerlich süße. Manche Apfelsorten ähneln sehr diesem Aroma und so bekommt mach fast einen Gourmand Eindruck. Nicht falsch verstehen, wir sind weit weg von einem echten Gourmand Duft und doch kann man sich diese zitrisch-süß-säureliche Note gut als Zutat in einem Dessert oder einer Tarte vorstellen.
Aber doch sind wir im Barber Shop und nicht in der Pastelería. Das glänzende Palisanderholz der Spiegelablage vor mir ist frisch poliert worden und dieser cremig-harzige Duft der Politur schwebt noch in der Luft. Vermischt sich mit dem Rhabarber, etwas Rasierseife und bekommt in dieser Mischung eine sehr verwegene Unbekümmertheit. Etwas sehr alltägliches, ja fast banales. Wie eine Kugel Vanilleeis. Und wie es bei diesem einen Vanilleeis, dass wir alle schon mal gekostet haben, fällt uns erst viel später seine wirkliche Qualität auf und jede weitere Kugel, irgend eines weiteren Vanilleeis, lässt uns in Gedanken zu diesem eine zurückkehren. So ist es bei mir und dem Agua de Colonia. Ich habe viele, sehr viele andere Barber Shop Colognes getestet und auch getragen. Doch ich bin immer zu diesem einen zurückgekehrt. Weil er eben ein sehr besonderer und unverwechselbarer Duft ist, der dieses bisschen anders, dieses ein wenig mehr hat, welches die anderen nicht haben.
Dieser Duft der nach dem Verlassen des Barber Shops, irgendwann in der Hitze des Tages, sich angenehm holzig mit einer Prise Zitronenpuder, noch deutlich wahrnehmbar, ein Teil meines eigenen Duftes geworden ist. Und selbst am Morgen danach, sich so unwiderstehlich mit dem Duft unserer Kissen verbunden hat.
Der Duft ist schon eindeutig mit diesem maskulinen Ritual verbunden. Er ist kein crowd pleaser. Ich bekomme Komplimente, nicht für den Duft, das Parfum, sondern dafür, dass ich toll rieche. Diese Art von Duft der clean und gepflegt aber dabei doch immer ein bisschen „verschwitzt“, ein bisschen verwegen riecht.
Diesen Duft sollte man zum ersten Mal im Sommer testen/ tragen, wenn es heiß ist. Am besten auf Reisen. Ich wette, dass man im gesamten Urlaub den Duft nicht sonderlich außergewöhnlich wahrnimmt. Doch wenn man zuhause ist,…..dann merkt man plötzlich, dass man ihn vermisst, vermisst wie dieses eine Kugel verdammt guten Vanilleeises….man nimmt ein verschwitzen, getragenen Hemd aus dem Koffer und ist wieder da.
8 Antworten