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Lyric Man 2008

Eisbaer
28.08.2020 - 08:14 Uhr
31
Top Rezension
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Das Leben von Arthur Rosepetal

Dies ist die Geschichte von einem Musiker namens Arthur Rosepetal. Während der zweite Weltkrieg wütete, wurde er in den USA geboren und ging im Staat New York zur Schule. Als er elf Jahre alt war, explodierte in dieser Schule ein Ofen. Das Feuer tötete mehrere seiner Mitschüler, ihm selbst wurden am ganzen Körper schwere Brandwunden zugefügt. Noch im Krankenhaus erhielt Arthur seine erste eigene Gitarre und begann darauf zu spielen. Mehr und mehr von der Folkmusik der 60er Jahre eingenommen, reiste Arthur Rosepetal im Jahr 1965 schließlich nach England, um dort ein eigenes Album aufzunehmen.

Noch im Dezember desselben Jahres erschien ein nach ihm benanntes sehr melancholisches Folkalbum. Fast ausnahmslos nur seine Gitarre und sein Gesang sind darauf zu hören. Leider verkaufte sich das Album nicht sehr gut und schon im nächsten Jahr fiel Arthur in tiefe Depressionen, die sich über lange Zeit hinweg nicht besserten. Sehr bald war er in die USA zurückgekehrt, heiratete und wurde Vater eines kleinen Sohnes. Leider wurde dieser Sohn schwer krank und verstarb sehr früh. Arthurs Depressionen verschlimmerten sich daraufhin so sehr, dass er sich einweisen lassen musste. Die 1970er Jahre waren nicht leicht für ihn. Seine seelischen Probleme und seine Mittellosigkeit machten ihm zu schaffen.

In den 1980er Jahren wurde Arthur Rosepetal obdachlos. Fälschlicherweise wurde bei ihm eine Schizophrenie-Krankheit diagnostiziert, die ihn mehrmals in geschlossene Einrichtungen brachte und ihn durch die Hölle gehen ließ. Erst zu Beginn der 1990er fand er endlich einen engen Freund, der sich um ihn kümmerte und sich seiner Probleme annahm. Er organisierte Arthur ein Dach über dem Kopf. Während dieser eines Tages auf einer Bank auf seinen Freund wartete, schossen plötzlich einige Halbstarke mit Luftgewehren wahllos auf Passanten. Sie trafen Arthur am linken Auge, woraufhin er auf ebendiesem erblindete.

Mitte der 1990er Jahre - das erste Mal seit vielen, vielen Jahren - begann Arthur Rosepetal wieder mit dem Schreiben von Songs und dem Gitarrespielen. Zu mehr kam es jedoch leider nicht mehr. Arthur Rosepetal wurde krank und starb einen Tag nach seinem 56. Geburtstag. Was er hinterlässt, sind melancholische Kompositionen - traurige Melodien mit ernsten und nachdenklichen Songtexten.

Warum schreibe ich diese Geschichte in einem Kommentar zu Amouages Duft "Lyric Man"? Zunächst einmal: Die erzählte Geschichte ist keine Geschichte, sondern Fakt. Arthur Rosepetal war eine reale Person - nur war sein richtiger Name Jackson Carey Frank. 2011 lernte ich ihn, seine Musik und seine traurige Biographie kennen. Sein Album "Jackson C. Frank" aus dem Jahr 1965 strahlt eine ungeheure Schönheit und Melancholie aus. So wie es auch der Amouage "Lyric Man" zu tun vermag. Ich fühle mich umgeben von den rotesten, schönsten und frischsten Rosenblättern - seifige, etwas holzige und fruchtige Noten runden den Duft ab. Er verzaubert mich, er nimmt mir die Sprache. Er lässt mich innehalten und dankbar sein für die Dinge, die ich habe. Die ich erlebt habe und noch erleben werde. Der "Lyric Man" zeigt mir meine eigene Stärke - aber führt mir auch die Stärken meiner Mitmenschen vor Augen, die teilweise so viel mehr Lasten im Leben zu tragen haben als ich und trotzdem niemals aufgeben. Sich selbst einfach niemals aufgeben.

Eigentlich bin ich seit Jahren schon in den "Interlude Man" verliebt und habe mir lange Zeit geschworen, dies würde der erste Amouage-Duft sein, der als Flakon bei mir einziehen würde. Doch dann roch ich "Lyric Man" und er ließ mich nicht mehr los. Noch nie zuvor und nie wieder danach habe ich einen so wundervollen und frischen Rosenduft vernommen. Und noch nie habe ich Traurigkeit, Melancholie und Hoffnung in einem Duft wahrnehmen können. Ich behandelte die 2ml-Probe mit größter Sorgfalt, trug den Duft nur zu ganz besonderen Anlässen - nicht nur in Gesellschaft, sondern auch dann, wenn ich ganz alleine und für mich war. Dann wirkt er für mich besonders stark. In diesem Sommer war es so weit und ich konnte dem "Lyric Man" nicht mehr widerstehen und kaufte mir einen 100ml-Flakon. Nun ist also er der erste Amouage, den ich mein eigen nennen darf und es fühlt sich unglaublich gut an. Ich kann mir gut vorstellen, dass es im Himmel so riechen muss.

Ich wünschte, Jackson C. Frank hätte diesen Duft kennenlernen dürfen. Vielleicht hätte er auch ihm neuen Mut gegeben und ihm seine unglaublich große Stärke und Willenskraft vor Augen führen können. Meiner Meinung nach gibt es für "Lyric Man" keinen schlechten Zeitpunkt. Er macht immer eine gute Figur - im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In traurigen und aufwühlenden, aber definitiv auch in lustigen und fröhlichen Zeiten. Bei schwerem Gewitter und bei strahlendem Sonnenschein. Zu einem Morgenkaffee und zu einem guten Whisky am Abend. Wenn er gebraucht wird, ist er da - und das auch noch sehr lange. Etwa zehn Stunden bleibt er meiner Haut treu. Die Sillage ist genau richtig - wahrnehmbar, aber nicht raumfüllend. Der tiefrote auf einer Säule ruhende Flakon und die mit Rosen bedruckte Umverpackung - wunderschön. Ich liebe "Lyric Man" und er liebt mich.

"Like a rose trellis in the wind of winter
shaking out the dry petals to the ground
it takes a man from his woman to tear
the world destroyers down."

Dies ist ein Gedicht von Jackson C. Frank, das er in seinen späteren Lebensjahren auf einer alten Schreibmaschine schrieb. Er hatte geplant, eine Melodie dazu zu komponieren, kam aber leider nicht mehr dazu. Ich verneige mich vor diesem Mann. An meinem eigenen Leben und meinem eigenen Glück arbeite ich seit einiger Zeit. Auch daran, dass ich wieder gesund und glücklich werde. Amouages "Lyric Man" begleitet mich dabei. Und es bleibt mir nur, danke zu sagen.

Musik zu Amouage "Lyric Man":

"Blues Run The Game" von Jackson C. Frank
"Milk And Honey" von Jackson C. Frank
"Cover Me With Roses" von Jackson C. Frank
6 Antworten