Emerald Green

Floyd
29.10.2023 - 18:24 Uhr
45
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Boulevard de Clichy, 1886

Da ist eine Stelle in Deiner Berylle aus Fenchelrau und Bitterminzen, worin Blütenwurzeln wie weißer Tau in kühler Morgenluft tanzen. Im grünen Leuchten aus den Absinth-Kelchen seh ich frierend die Lakritzschnecken kriechen, durch die brennenden Nelken, das knirschende Laub und den Pfefferstaub auf den Teppichen. Ach, es glüht meine Kehle wie Medizin. Der Cognac steht flirrend im schummrigen Raum, im Licht einer Funzel aus herbem Galbanum und diffusen würzig-balsamischen Nebeln. Mein Kopf getragen von den hölzernen Tischen, silbern schimmernd von Kardamom glimmt die Nacht durch die Fenster des Le Tambourin wie Zimtsterne in dunklem Labdanum.
***
Anna Zworykina erschafft eigenen Angaben nach olfaktorische Landschaften aus zu 100% natürlichen Materialien. Ihre Düfte seien angehaltene Momente, Fluchtwege in Träume und Märchen, Verbindungen ins Langzeitgedächtnis, sie machten den Träger zum Co-Autor ihrer Geschichten.
In "Emerald Green" tauche ich durch einen Schleier aus hellen Wurzeln und Blüten (v.a. Jasmin, Veilchenblatt, Moos) in die Absinth-typischen Fenchel-Anis-Minze-Noten, bitteres Wermutkraut, das von würzig-grünen, pfeffrig-krautigen Noten (Galbanum, Veilchenblatt, Angelikasamen) sowie scharfer Gewürznelke potenziert wird. Als Co-Autor finde ich mich in einem Pariser Absinth-Café gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder. Die Luft ist Cognac-geschwängert und trotz verschiedener Weihrauchharze wirkt das bis tief ins Herz sehr medizinisch herb und bitter. PallasCC beschrieb das unten sehr treffend als bitteren Kräuterlikör. Frische Wacholderhölzer und silbrig-würziger Kardamom bilden die Brücke zur Basis, in welcher die Gewürznelke zimtartiger wirkt, dem nun lieblich wärmenden dunklen Labdanum scharfe Würze verleiht. Der Aufenthalt im Café Le Tambourin projiziert moderat über viele Stunden.

(Mit Dank an Seejungfrau)
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