Anabasis 2015 Eau de Parfum

Serenissima
03.02.2024 - 00:16 Uhr
9
Sehr hilfreiche Rezension
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Verweilen im Augenblick

Minze breitet sich gern aus, über und gern auch unter dem Boden; wer sie einmal im Garten oder in einem Blumentopf hatte, der weiß: Minze ist ein Dauerbrenner, zäh und überlebensfähig.
Sie dehnt sich aus, nimmt alles, was sie erreichen kann, in Besitz; keine ihrer vielen duftintensiven Sorten macht hier eine Ausnahme.

So ist auch bei „Anabasis“, dem würzig-kühlen Duft von Apoteker Tepe, diese krautige Großfamilie federführend: Meinem Empfinden nach ist es mehr als nur eine Sorte, die hier die Komposition anführt und auch später immer wieder lebhaft an sich erinnert.
Wie herrlich grün und Licht durchflossen ist dieses Duftbild, das nach dem Aufsprühen langsam auf meiner kühlen Haut entsteht:
Der Minzeteppich zu meinen Füßen, der mich mit kräftigen Aromen wie von selbst in die richtige Richtung zu entspannender Ruhe führt: Einem lichten Wäldchen, von sich unterhaltenden Vögeln bewohnt, aus hohen Kiefern und Sonnenlicht umtanzten Birken mit lebhaftem Licht- und Schattenspiel in den kleinen Blättern, die wie geschliffene Glasfacetten in einer leichten, kaum wahrnehmbaren Brise flirren und glitzern.
Aromatisches harziges Nadelholz duftet unter der Sonneneinstrahlung nach Sommer, seine ätherischen Öle werden aber durch das herbe helle Grün der Birken angenehm gemildert und sind dadurch nicht so dominant und Kopfweh verursachend wie vorher befürchtet.
Im Duftverlauf finde ich herb-würziges Grün in unterschiedlichen Schattierungen, über und neben mir, auch meine Füße umspielend; denn Shiso, eine nesselähnliche Pflanze, die ich unter dem Namen Perilla aus Naturheilkunde kenne und deren helles Öl (aus den Samen) meine anfänglichen Beschwerden durch den frühen Pollenflug doch etwas mildert, wuchert hier, sich weit ausbreitend, wie Nesseln es gern tun, und webt im Zusammenspiel mit Minze einen dichten, von würzigen Aromen durchzogenen Teppich, die Schritt für Schritt begleiten und etwas rustikal ursprünglich umspielen.
„Anabasis“ entführt an einem sommerlich warmen Nachmittag aus der Sonne in eine kühle stille Oase aus lichtem Schatten, in eine Kathedrale aus schlanken Bäumen mit dichten Kräuterteppichen, in der Weihrauchschleier und Zedernholzwürze diesen Eindruck noch unterstreichen und so einen Ort der Ruhe und Entspannung entstehen lassen, der zum Verweilen einlädt.
Hier können Gedanken gedacht und geordnet werden, damit sie sich entfalten und endlich fliegen können; an einem Ort, an dem die Verbindung zur Natur und der Rhythmus der Erde spürbar sind.

„Anabasis“: Ein herb-frisches, wohl komponiertes Duftkunstwerk oder ein Heilmittel der Seele?
Ich bin mir nicht ganz sicher; auf jeden Fall ist es eine grünwürzige Umarmung!
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