Majd al Sultan

GusPolinski
18.08.2022 - 11:13 Uhr
12
Hilfreiche Rezension
10
Preis
7
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft

Des Sultans harziger Teppich

Das mir bis vor kurzem gänzlich unbekannte "Majd al Sultan", das ich im Rahmen eines Kombiangebots im hiesigen Souk quasi umsonst dazu bekam, amüsierte mich von Beginn an durch seine clownesque große Verpackung. Und auch der mit braunem Plastik-Samt umspannte Flakon mit der für arabische Parfums üblichen theatralischen Aufmachung übte schon beim Auspacken eine kindergartigen Charme auf mich aus, erinnerte er mich doch stark an die He-Man-Figur Mossman (Unwissende mögen einen Blick auf mein Profilbild werfen(!)); die fühlte sich ähnlich an, roch aber nach Kiefer...

Wie dem auch sei, der erste Sprüher ging wie üblich auf einen Papierstreifen, der erste Eindruck sofort Richtung Kindheit (passt insofern zu Mossman): Zwischen den rauchigen Nebelschwaden, die sich auftaten, mäanderte tatsächlich eine - wie Mischa99 bereits feststellte - mandelige Note, die im Zusammenspiel mit etwas, das mich an zu stark erhitzten Zucker erinnert, sofort an gebrannte Mandeln denken ließ. Dabei wies der Auftakt eine solche Dichte und Undurchdringlichkeit auf, dass sich mir unwillkürlich Erinnerungen an meine zahlreichen und leidenschaftlichen Geisterbahnbesuche auf dem Hamburger Dom aufdrängten, wo der Einsatz von Trockeneis in den ausklingenden 1980er-Jahren ein zentrales Mittel der vermeintlich Grusel erregenden Effekthascherei war, und wo einen ein ähnliches Gefühl der latenten Atemnot begleitete - alles eben stets gerahmt vom Duft kandierter Schalenfrüchte.

Nach kurzer Zeit lichtete sich dieser Rummelplatzakkord ein wenig und schuf Raum für eine feinstaubige Wolke aus würzigen Harzpartikeln, die bei mir für die Erkenntnis sorgte, dass die braunsamtige Aufmachung des Flakons insofern prognostischen Charakter hat, als der Duft tatsächlich leicht angeraut daher kommt, was der Komposition eine grundsätzliche sandige Trockenheit verleiht.
Nunmehr erzeugte der Duft in meinem Kopf das Bild eines zeremoniell beweihräucherten Perserteppichs, der irgendwo als Exponat in einem Gewürzmuseum sein Dasein fristet.
Da sich dieser Dufteindruck jedoch auch über Stunden hinweg nicht wesentlich verändern wollte, außer dass die Harzigkeit zunehmend knarzigere Züge annahm, stellte sich mir immer lauter die Frage, wo zum Donnerdrummel ich dieses Zeug denn bitteschön verwenden sollte!?

Glücklicherweise bot sich mir an einem der Folgetage aber doch die Möglichkeit eines ersten Hauttest im stillen Kämmerlein (viele weitere sollten folgen). Und siehe da: Der "Ruhm des Sultans" kommt nicht von ungefähr!
Denn bereits nach wenigen Minuten ziehen sich die mandelige Intro-Note und die etwas überfordernden rauchig-harzigen, mitunter sogar leicht teerigen Obertöne des Auftakts auf die ihnen zugedachten Plätze zurück und die Entwickelung des Duftes nimmt Fahrt auf. Um nicht missverstanden zu werden: "Majd al Sultan" bleibt auch auf der Haut ein schmauchender Haudegen; die gemächliche Erwärmung lässt jedoch diejenigen seiner Bestandteile zur Geltung kommen, die der Wand aus staubig-würziger Harzigkeit Paroli bieten sollen (im hiesigen Millieu würde man wahrscheinlich von 'Ambrierung' sprechen, also die durch einen 'Weichmacherakkord' erreichte Abrundung eines ansonsten eher schurwollartigen Dufterlebnisses - ungefähr sowas passiert hier jedenfalls). Dabei ist es mitnichten der Fall, dass die sich auftuende Vanillenote die übrigen Bestandteile einfach miteinander verklebt, wie es (vor allem im orientalischen Bereich) so häufig der Fall ist - dafür ist sie viel zu trocken! Ihre Funktion besteht vielmehr darin, zum einen einen wärmenden Gegenpol zu dem sich nunmehr klar abzeichnenden distanziert-kühlen Weihrauchakzent zu bilden und hierdurch zu verhindern, dass dieser allzu sehr ins sakrale abdriftet. Zum anderen dient sie dazu, dem Konglomerat aus rauchig-harzigen und holzigen Noten die säuerlichen bzw. splittrigen Unebenheiten abzufräsen. Beides gelingt hier ganz hervorragend! Hierdurch entsteht ein langanhaltendes beinahe hypnotisches räucherharzig-holzig-würziges Equilibrium, das genau die richtige Portion abdämpfende Wärme aufweist, um niemals stechend oder lästig zu wirken.

Nach einigen Stunden büßt der Weihrauch schließlich schrittweise seine allumfassende Präsenz ein. An seine Stelle tritt ein sanfter - und hier verwunderlicherweise von vielen vermisster - Duftkleks frisch geschnittener Tannentriebe, der sowohl den harzigen Gesamteindruck als auch die balsamische Kühle aufrecht erhält. Dieser 'Twist' lässt die nordeuropäische Durchschnittsnase tatsächlich schnell Assoziationen zu so etwas wie Kaminfeuer oder Weihnachtsmarkt herstellen, zumal die Vanillenote für umso mehr Behaglichkeit sorgt.
Und in der Tat: Der Duft wäre eine hervorragende Wahl für einen winterlich bestiefelten Ausflug! Erstaunlicherweise zeigt die Praxisanwendung jedoch, dass auch hochtemperierte Sommertage keinen Grund darstellen, den Sultan im Schrank zu lassen, besitzt er doch das Potenzial je nach Bedarf und Umgebungstemperatur die jeweils erforderlichen Duftaspekte zu betonen und auf wundersame Weise entweder wärmend oder kühlend zu wirken. Aus demselben Grund wirkt er trotz seiner enormen Dichte nie erschlagend, sondern lässt einen selbst wie auch der Umwelt (wobei letzteres eine völlig bodenlose Behauptung meinerseits ist) stets genug Luft zum atmen.

Wie bereits meine Vorredner feststellten, bekommt man hier für sehr wenig Geld sehr viel Duft - der obendrein auch qualitativ ordentlich was hermacht. Ob's am Ende gefällt ist natürlich Geschmackssache. Für Liebhaber harzverklebter Edelholzgewürzschränkchen aber allemal einen Test wert!
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