Brûme Cuivrée

Meggi
11.02.2018 - 13:52 Uhr
14
Top Rezension
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Roll call

Als ich anno ’88 auf Austausch in Australien war, gab es jeden Morgen in der Klasse einen „roll call“. Deutsche Amtlichkeit am anderen Ende der Welt… Ich komme darauf, weil es mir hier scheint, als würden erstmal zügig die grundsätzlich Anwesenden aufgerufen.

Eine brotig-pilzige Note mit moschushaften Ambitionen – das muss einfach Ambrette sein. Ganz kurz, nur für ein paar Minuten, wirkt sie wie karamellig umhüllt – Benzoe? Das ist auf aparte Weise gourmandig, ohne essbar zu werden. Erinnert mich im Stil (nicht als Zwilling!) an Castaña von Cloon Keen Atelier, wo süß glasierte Röst-Kastanien strikt parfümig dargeboten werden. Egal, der Eindruck ist ohnehin schon wieder weg.

Hinter dem Pseudonym „Puder“ verbirgt sich Iris, sogar inklusive ein bisschen Karotte. Beim zweiten Test macht sie dann übrigens direkt nach dem Auftragen für einige Sekunden aus dem Transport-Alkohol eine Art Karottenschnaps.

Bald dringt die Zitrusnote durch, herb, rau und stumpf; bergamottig passt. Sogleich kontrastiert sie mit Creme; Sandelholz an der Schwelle zu Wachs und Plastik, Vanille ist zweitreihig, aber jedenfalls „gift“. Das ist ebenfalls ein Bezug zum „roll call“, die Jungs in Australien (eine reine Jungenschule) antworteten nämlich, dem angelsächsischen Faible für Wortspiele folgend, gelegentlich mit „gift“ statt mit „present“.

Und als ginge es mit dem Aufrufen nicht flott genug, wird Vetiver spürbar. Jetzt warten wir bloß noch aufs Labdanum zum Abhaken. Na ja, einer ist halt immer krank. Lässt sich heute von einem Holz vertreten, Zeder vielleicht. Und damit sind wir nach Beendigung der Anwesenheits-Prüfung nun beim eigentlichen Geschehen:

Wer (wie ich) in Anbetracht der Angaben zur Herznote in eine, sagen wir, … „wabernd madamige“ Richtung denkt, erlebt eine Überraschung. Dies ist ein stabiler, cremig-herber Iris-Holz-Duft. Vornean geradezu bitter, denn die Reste der Bergamotte sowie mutmaßlich irgendwas am Vetiver verleihen ihm einen Anflug von Tauer-Gummi, der sich erst im Laufe des Vormittags verliert. Ansonsten gibt es nur wenig Wandel, vor allem beschränkt sich die sandelig-vanillige Süße auch im Fortgang auf eine dezente Assistenzfunktion, bis der Duft nach etwa sechs Stunden gen Haut entschwindet, mich allerdings dort bis abends begleitet.

Fazit. Herb und eher iris-holzig als iris-pudrig. Was das mit dem Brennen von Kupfer (siehe Name) zu tun hat, erschließt sich mir nicht, doch den Duft finde ich gelungen. Der originellste, wahlweise mutigste aus dem insgesamt sehr klassischen Portfolio von Asklöv; sechs von sieben der auf Parfumo gelisteten Düfte konnte ich testen. Und damit sind wir bereits mitten in einem…

…Marken-Fazit: Ich hatte mit „Skandinavischerem“ gerechnet. Kühle Nadelwälder, Harz und so; eine Erwartungshaltung, die nicht zuletzt von den Bildern im Internet genährt worden war. Nichts davon findet sich in den Düften. Frau Asklöv sieht sich vielmehr selbst in französischer Tradition – „French Tradition & Swedish design“ heißt es auf den kleinen Zetteln zu den Pröbchen. Und wenn der heutige Kandidat schon der abseitigste war, dürfen die Düfte per saldo sicherlich „klassisch“ genannt werden.

Ein weiteres Charakteristikum ist, dass die pyramidalen Ansagen einerseits überwiegend ganz gut nachvollziehbar sind, andererseits aber auch wenig darüber hinaus zu riechen ist. Es mag dem Einsatz facettenreicherer natürlicher Aromen zu verdanken sein, dass die Düfte trotzdem rund sind. Ein Gegenbeispiel: Erik Kormanns ‚August‘ mit seinen erklärtermaßen lediglich genau acht (synthetischen?) Zutaten wirkt demgegenüber in meinem Empfinden skizzenhaft unfertig, als fehlten Bindeglieder oder Übergänge.

Mithin bietet Asklöv für einige gängige Parfüm-Grundgedanken gute, natürliche Alternativen an. 50ml kosten knapp 100 Euronen.
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