Floyd
11.01.2024 - 10:18 Uhr
46
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Auf der Suche nach der vergangenen Zeit

Die Zeit im Ashram, fern und vergangen, sie liegt hier im Hall der Klangschalen, den meditativen Endlosschleifen ihrer verstreuten Gedanken. Beseelt irrt sie durch den Indienladen. Sie stöbert nach Erinnerungen in den Gerüchen an den Dingen, dem herb-strengen Duft der kunstvollen Kisten aus alten roten Zedern. Was sie früher darin wohl aufbewahrten. Zimtrinden vielleicht, oder schwarze Nägelchen. Wie hießen die gleich. Ich hab's wohl vergessen, in den grünen Schalen, den silbernen Streifen von kampferkühlem Kardamom. Ihre faltige Haut haucht noch Reste von Rosen zwischen Schachteln indischer Räucherstäbchen. Ihre Holzpulver machen Kohlenstaubwölkchen, die duften nach Champakablüten, Patchouli und Nelkenzigaretten. Sie verkleckert ein paar Weihrauchöltropfen aus den kleinen braunen Fläschchen. Dann flackern Bilder von früher, vom Ashram. Sie starrt ins Leere. Ein Lächeln.
***
Im Jahr 2008 tauchte das Pariser Unternehmen Astier de Villatte, das ursprünglich vor allem Möbel, Keramik und Geschirr fertigte (von Intersport in seiner Rezension zu "Tucson" so schön als neo-retro-bourgeois bezeichnet), in die Welt der Düfte ein, zunächst mit Hilfe der Parfumeurin Françoise Caron, später in Kooperation mit Nathalie Feisthauer, Alexandra Monet und Christophe Raynaud. Seitdem entstand eine Reihe beachtenswerter Düfte, welche sowohl an die Tradition klassischer Colognes anknüpfen als auch den Weg modernerer Nische gehen. Einige davon gibt es auch in der Raucherstäbchenversion.
Passenderweise trifft das auch auf "Delhi" zu, einem EdP, welches sich den Düften Indiens widmet, vieles in sich vereint, was man hierzulande üblicherweise mit Indienläden verbindet, dabei aber nicht die gängigen Klischees überstrapaziert, eher im Subtilen bleibt. Es dauert eine Weile, bis sich der Duft entwickelt. Da sind zunächst würzige Aromen von Zimtrinde, Zimtblatt und Gewürznelke auf herb-strengem rotem Zedernholz, leicht kampferartige, zitrisch-würzige Noten (Kardamom, Bergamotte), bevor die Champakablüten auf den Hölzern typische Räucherstäbchendüfte entfalten, Nag Champa ist naheliegend, wie Yatagan in seinem Statement bereits erwähnte, aber auch Patchouli-Stäbchen sind dabei. Mit zunehmender Dauer klärt eine Weihrauchöl-ähnliche Nuance (Myrrhe, unsüß, heller als gewohnt) sowie ein Hauch von Rose die oberen Töne, schafft mehr Raum für Assoziationen von Nelkenzigaretten, die zwischen den nicht angezündeten Räucherstäbchen liegen. "Delhi" projiziert moderat bis hautnah über viele Stunden.

(Mit Dank an Gandix)
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