No. 1 Extreme 2013

Serenissima
10.08.2019 - 04:10 Uhr
14
Top Rezension
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

"Wenn Du schon kein Stern am Himmel sein kannst,

... sei wenigstens eine Leuchte im Haus."
Zugegeben: im ersten Moment klingt dieses chinesische Sprichwort vielleicht etwas abwertend.
Aber, was nutzt mir ein Stern unter so vielen, die dort oben unterwegs sind, wenn ich im Dunkeln sitze?
So ist mir die Leuchte im Haus sehr viel willkommener; schon, weil sie mir die Möglichkeit zu lesen gibt (das ist ganz wichtig!).

Für mich ist "Aus Liebe zum Duft N° 1 Extreme" eher eine anheimelnde Leuchte, als ein strahlender Stern am Dufthimmel.
Auf der firmeneigenen Website lese ich, dass Marc vom Ende den Vorgängerduft nicht nur zum zehnten Geburtstag des Unternehmens, sonders besonders für sich selbst kreierte.
Ich dachte eher, dass dieser Duft ein Ergebnis jahrelanger Erfahrung mit Kundenwünschen darstellt.
So wie bei Van Cleef & Arpels für "First" die Kundinnen im Juwelentempel als "Testnasen" eingesetzt wurden, bis dieses Schmuckstück rund und geschmeidig wurde und so heute noch viele Sinne berührt.
Oder - um in der Gegenwart zu bleiben: hat nicht Shirin David "created by the Community"?
Gut, bei ALzD kennt man die Historie dieses Duftes; ich ließ nach einigen Tests und vor dem Lesen erst einmal meine eigenen Gedanken dazu wandern.

"N° 1 Extreme" ist bei mir ein angenehm gleichmäßig verlaufender Duft; zugleich maskulin und feminin anmutend: "Für Männer gemacht, aber durchaus für Frauen gedacht" (Zitat: ALzD) trifft genau.
Aber, um beim Zitieren zu bleiben: einen "Waffenschein" brauche ich jedenfalls nicht, um diesen Kreation zu tragen.

Dieser Duft ist vorrangig in dunklen Tönen angelegt: ein Lederakkord durchzieht die gesamte Komposition - mal mehr, mal weniger kräftig.
Ein Thema, das mit jeder neu hinzukommenden Duftnote wechselt - mal Richtung Dur, meist leicht zu Moll tendierend.

Die Ouverture mit sehr starkem, kräftig gewürzten Earl Grey-Tee ist eigenwillig; bildet aber mit der auch nicht zurückhaltenden Ledernuance eine interessante Variante der Dufteröffnung.
Zitrone, Limette und Grapefruit (erstaunlicherweise keine Extradosis Bergamotte - und das ist gut so!), parfümieren diesen Teeaufguss etwas erfrischend, wobei Kardomom und Ingwer gleich darauf für Wärme sorgen.
Ein Feuerchen im Kamin ist an den ersten Herbsttagen bekanntlich sehr willkommen; genauso wie der warme Lichtschein eine Leuchte.
Die hier doch recht dunklen mit gewürztem Tee geschwängerten Ledertöne werden heller und leichter, wenn Maiglöckchen und Jasmin die Bühne betreten.
Ihre typischen Blütendüfte schmeicheln dem bisherigen Duftverlauf: dann und wann blitzt ein blumiges Leuchten auf: diese Duftsymphonie wird lebendiger, die lichten Töne schwingen nach und mildern die ersten Eindrücke der würzigen Schwere.
Auch der silberne Zedernholz-Duftfluss tut gut: aromatisch, aber nicht zu kräftig verbindet er das bisherige Dufterleben zu einem sehr tragbaren Etwas.
(Zum Glück wurde hier auf Iris verzichtet, was mir gut gefällt.)
Die geschickt dosierte Vetivergabe bringt den vorher etwas sanfteren Lederakkord wieder deutlicher und tiefer ins Spiel.
Vanille und Sandelholz kitzeln die Sinne und machen neugierig auf das Finale.
Dorthin führen das Dreigestirn Leder, rauchig-würziges Benzoe und goldener Amber und lässt so dieses doch recht dunkle Werk strahlend ausklingen.
Jetzt entsteht ein wohlduftendes Klangerlebnis!

"ALzD N° 1 Extreme" wird für mich zierliche Blondine ein durch seine Ausgewogenheit angenehmer Weggeselle für kühlere Tage werden.
Schon jetzt staune ich, wie sympathisch sich die doch recht dunkle Lederspur meiner doch etwas schwierigen Persönlichkeit anpasst.
Hier ist zu meiner Überraschung nichts lästig; denn dunkles, kräftiges Leder ist bekanntlich nicht unbedingt ein Freund meiner Nase - ganz im Gegenteil!
Präsent, aber sich immer wieder verändernd, erinnert diese Duftnote hier an ein Chamäleon: ich weiß nie, wie sie sich mir als nächstes präsentiert und das reizt die Neugier natürlich immer wieder.

"Aus Liebe zum Duft N° 1 Extreme" ist aus Liebe zum Duft und als Geschenk für Parfümeur, Unternehmen und auch Kunden entstanden.
Ein gelungenes Präsent zum 10. Firmenjubiläum, das überaus tragbar, aber auch speziell ist.
Für Duft-Neulinge und junge Menschen sicher eine Spur zu kräftig, zu dunkel, zu anspruchsvoll!

Ich schließe mich hier den Durchschnitts-Bewertungen an; bei mir führt dieses Opus nicht zu größeren Ausschlägen - weder positiver, noch negativer Natur!
Tragbar ist er, dieser Duft, langanhaltend und auf seine dunkle Art auch unterhaltend: eben wie ein Stückchen Musik, das gut "durchkomponiert", flüssig und elegant spielbar ist.

So werde ich diesem Dufterlebnis eine Probezeit zubilligen; um diese "N°1 Extreme" sofort auf die Wanderschaft zu schicken, ist sie zu komplex und es gibt sicher noch einige Facetten zu entdecken.
Die ersten Begegnungen waren, meist in den späten Nachmittagsstunden, wenn endlich Ruhe in die zurzeit sehr lauten Tage einkehrt, angenehm behütend: ein warmer dunkler Raum, der von einer einzigen Leuchte und den im Kamin tanzenden Flämmchen erhellt wird.
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