Bentley for Men Absolute 2014

MattRacer
09.01.2024 - 07:31 Uhr
12
Sehr hilfreiche Rezension
9
Preis
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft

Das ist kein Brett, das ist ein Baumarkt!

Hier ist er also, der kleine Geheimtip, insbesondere für Fans des alten eingestellten Gucci pour homme, dessen Geist hier von Michel Almairac zu neuem Leben erweckt wurde. Der Duft fristet sein durch und durch ruhiges Dasein im Schatten seines bekannteren Bruders "Bentley for men Intense", und offenbart sein angenehmes Wesen nur denen, die etwas tiefer in die Materie eintauchen, die über den Tellerrand der üblichen Influencer Top10-Listen hinaus schauen.

Während der Intense insgesamt eher laut und auffällig daherkommt, ist der Absolute der deutlich ruhigere, introvertierte Vertreter der Gentleman-Düfte dieser Marke.

Bereits in der Eröffnung offenbart der Duft wes Geistes Kind er ist. Er zeigt sich in erster Linie holzig. Die hier bereits vermerkten Assoziationen mit frisch angespitztem Bleistift sind klar erkennbar.
Wer Süße in Düften sucht, ist hier fehl am Platze, und sollte eher beim Intense sein Glück versuchen. Der Absolute wirkt dermaßen trocken, dass er gefühlt auch Räume von Luftfeuchtigkeit befreien kann. Die Holznoten wirken so, als hätte man das Material vor der Verarbeitung 10 Jahre lang in der Wüste Gobi trocknen lassen. Findet man in anderen Düften die Holznote eher subtil vor, so kriegt man hier das Kantholz mit voller Wucht gegen die Visage gescheppert: Das ist kein Brett, das ist ein Baumarkt!
Zudem macht die angegebene Note "Papyrus" hier durchaus Sinn und wirkt nachvollziehbar. Sie geht harmonisch Hand in Hand mit der Holzigkeit, und weckt Assoziationen mit alten Schriftrollen, Bibliotheken und dem Geruch von altehrwürdigen fetten Büchern.
Weiterhin versprüht der Duft noch ein gewisses Maß an Harzigkeit und Erdigkeit. Die Vorstellung, im (trockenen) Sommer durch einen dichten Wald zu stapfen, geht mit dem Duft einher. Etwas Staub von trockener, aufgelockerter Erde liegt in der Luft, die Bäume um einen herum dünsten leicht harzig aus.
Weihrauch verleiht dem Duft noch mehr Charakter, gibt ihm einen Hauch von angenehmer niemals kratziger Rauchigkeit, aber beruhigt und erdet die Komposition zugleich noch weiter. Die hier gelesene sakrale Stimmung die der Duft dadurch hervorzurufen vermag, kann ich bestätigen.
Pfeffer oder Ingwer sind für meine Nase allenfalls nur ganz dezent am Rande wahrnehmbar. Auch hier, wenn Ingwer, dann 3 Jahre lang schrankgetrocknet, keinesfalls mehr ölig ätherisch wirkend.
Der Pfeffer spielt ebenso eher die zweite Geige und kommt sehr sanft, geradezu gedämpft daher, weit davon entfernt, einen spicebomb-artigen Nießanfall auszulösen.

Wir haben hier einen insgesamt sehr ruhigen, dezenten Vertreter seiner Zunft, der stets souverän, distinguiert und unaufdringlich wirkt.
Auch wenn dufttechnisch klar anders, so erinnert mich der Absolute dennoch irgendwie an einen Encre Noir, da er mit ihm gewisse Charakterzüge teilt. Die betonte Holzigkeit, gepaart mit Duftnoten, die Erinnerungen an die Natur und/oder Erde wecken, die ähnliche Richtung an Stimmung an denen die Düfte Anwendung finden, oder die sie kreieren...

Leider, und so kommen wir zum größten Kritikpunkt zum Duft, passen auch Haltbarkeit und Sillage in das eher chice, souveräne und ruhige Gesamtbild dieser Kreation. Könnte man der eher subtilen Ausstrahlung noch etwas positives, anlassbezogen sehr adäquates abgewinnen, so bleibt die Haltbarkeit so oder so etwas dürftig. In Zahlen gesprochen, ist er auf meiner Haut etwa 4 Stunden wahrnehmbar, wovon aber nur 2-3 eine wirklich nennenswerte Sillage ausbilden. Die Haltbarkeit ist somit auf dem Niveau eines durchschnittlichen frischen Duftes. Ob der hier zu Grunde liegenden DNA hätte man sich etwas mehr gewünscht.
Sei es drum. Aufgrund der tollen Preisgestaltung, die die Edel-Auto-Marke hier erwähnenswerter weise an den Tag legt, ist auch ein Übersprühen/Auffrischen kein Drama. Zumal der wirklich sehr chice und edel anmutende schwarze Flakon, der einfach massiv, maschinell, industriell und maskulin daherkommt, einfach derart solide wirkt, dass einem auch bei dessen Mitnahme nicht gleich Angst und Bange wird.

Ich sehe den Duft für alle möglichen Anlässe geeignet, mal abgesehen von der Party an der Strandbar, wo er doch eher als seltsamer Spaßbremser auftreten könnte. Von Herbst bis Frühling, Arbeit, Freizeit, offizielle Anlässe - go for it. Im Sommer bei wirklich warmen Temperaturen würde ich ihn auch eher meiden. Nicht weil er erdrückend wirken könnte, sondern vielmehr aufgrund der eher sachlichen, ruhigen, ggf. ernsten Stimmung die er erschaffen kann.
Ein Duft für Gentlemen oder die die es werden wollen, für eloquente Männer von Welt, die einen stilvollen Duft gegenüber einem sehr lautstarken bevorzugen, die ein subtiles aber elegantes Statement auftragen wollen.
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