MattRacer

MattRacer

Rezensionen
1 - 5 von 11
MattRacer vor 11 Monaten 7 3
9
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Frankensteins Monster und die eierlegende Wollmilchsau
Hard Candy Elixir aus dem Hause Aaron Terence Hughes: Ein Duft, so auffällig und interessant wie der kreative Kopf dahinter.

Das erste mal an der Abfüllung gerochen, wusste ich den Duft überhaupt nicht einzuschätzen. Aufgesprüht, Nase dran… what the Fu* ?! Erstmal ruckartig ‚ne halbe Armlänge nach hinten ausweichen.
Ich wurde förmlich überfallen von den Sinneseindrücken und der Intensität dieser Duftexplosion, die hier meine Nasenschleimhäute penetrierte. Hard Candy Elixir ist wie ein Korb voll allerhand Süßigkeiten, in flüssiger Form herunter komprimiert auf klitzekleiner molekularer Ebene, geeignet die Rezeptoren und das olfaktorischen Cortexareal temporär gehörig wegzugrillen.
Ok. Kurz mal sacken lassen, den Duft kurz ruhen lassen, auf ein Neues. Was rieche ich hier? Der Duft eröffnet für meine Wahrnehmung süß, fruchtig und frisch. Ich nehme allerlei Früchte, allen voran Mandarine wahr. Stellt euch aber eher ein Multivitamin Früchtekompott vor. Dabei aber nicht nur natürliches Obst, sondern auch stattlich mit synthetischen Aromen ala Brausetablette und Gummibärchen garniert. Das Ganze ist direkt gekoppelt mit einer Pfefferminze und Lavendel. Auch Zimt oder etwas Artverwandtes meine ich wahrzunehmen. Stellt euch die fruchtigen Noten nicht einzeln herausriechbar oder betont fruchtig ala Erba Pura vor. Sie sind eher Teil einer Gesamteröffnung, und werden stark eingebettet in das süß-würzige Opening. Die angegebene Erdbeere rieche ich als Einzelkomponente nur unterschwellig raus.
Und nochwas: Dieser Obstkorb wird euch aber nicht behutsam und manierlich übergeben, nein, er wird euch mit voller Breitseite ins Gesicht geschmettert!

Mich erinnert das Opening an eine Mischung aus JPG Ultra Male und Versace Eros EDT, um hier mal einen Vergleich zu bekannteren Düften zu ziehen. Beide Düfte für sich genommen schon durchaus laut und präsent, setzt Hard Candy Elixir somit nochmal ordentlich einen oben drauf. Das ist in etwa so, als wäre man mit der Lautstärke eines AC/DC Konzerts in der Hallenmitte noch nicht ganz zufrieden, und würde sich lieber Manowar mit 138 Dezibel in Reihe 1 herbeiwünschen.
Nach und nach, wenn die Früchte sich langsam setzen (also nach etwa 3 Tagen bei diesem Duft), zeigt der Duft, woher seine ausgeprägte Süße stammt: Vanille/Tonkabohne setzen sich allmählig gegen die Früchte durch. Den angegebenen Honig nehme ich persönlich nicht wahr. Ich hätte eher gesagt, es geht in Richtung Karamell oder Schokolade.
Und hier wandelt sich der Duft nun auf interessante Art und Weise. Nachdem der Duft seinen frisch würzigen Frucht-Minz-Blast etwas beruhigt hat, offenbart er nach und nach eine warme, kakao-artige, weiche Gourmand-Basis. Durchaus sanfte Moschusnoten betten den Duft fluffig ein. Nun zeigt sich auch ein hauchzart im Hintergrund mitwaberndes Oud, welches den Duft mit etwas Tiefgang und Wärme untermalt. Auch wenn er das fruchtig-frische Opening nie ganz ablegt, hat der Duft somit schon einen facettenreichen und interessanten Verlauf. Hier ist in puncto olfaktorischer Darbietung also gut was los!
Bzgl. Drydown habe ich hier in den Statements die Assoziation mit AXE – Dark Temptation gelesen. Auch wenn letztgenanntes Deo-/Duschgel-Aroma natürlich nicht mit der gleichen Qualität daherkommt, so lässt sich eine grundlegende Ähnlichkeit jedoch tatsächlich nicht ganz negieren. Ich persönlich fände auch den Vergleich zu cremigem Keksteig mit Schokostückchen durchaus angemessen.
Ambroxan sollte man nebenbei bemerkt mögen, um Gefallen an diesem Duft zu finden.

Im Schulterschluss zu meiner gewählten Überschrift sei zu sagen, dass Hard Candy Elixir durchaus eine extreme Kreation ist. Der Duft kann als eierlegende Wollmilchsau gesehen werden, der versucht (und auch schafft!), vieles an Dufteigenschaften gleichzeitig abzudecken, wodurch für die menschliche Nase vielleicht ein nicht ganz von der Hand zu weisendes Wirrwarr an Noten und Charakterzügen entsteht. Der Duft ist exzentrisch, schrill und aufmerksamkeitserregend. Er ist in etwa so dezent und adäquat wie ein oben erwähntes Manowar Konzert im idyllischen Luft-Kurort Bad Reichenhall.
Spaß bei Seite. Zur Relativierung muss man sagen, dass der Duft für die meisten Nasen gefällig anmutet, sofern er denn sparsam aufgetragen wird. Er ist durch sein Reichtum an Facetten durchaus versatil, da er zugleich süß und frisch ist, duschgelig bis Gourmand. Um dies zu erreichen sollte man jedoch einen, maximal zwei Sprüher auftragen.
Ich bin kein Freund davon die Düfte in bestimmte Anwendungskategorien zu unterteilen. So sehe ich auch einen UltraMale oder Eros keinesfalls als reine „Party-Düfte“ an. Doch müsste man einen Anlass zu HardCandy Elixir zuordnen, dann wäre es wohl am ehesten die laute bunte Disko Party.
Die Sillage ist allgegenwärtig.
Ein Wort zur Haltbarkeit: Ja. Punkt.
Das größte Augenmerk an Performance liegt jedoch bei der Projektion. In Puncto Haltbarkeit gibt es durchaus noch ausdauerndere Charaktere innerhalb der Duftwelt.

Aaron ist hier wirklich auf’s Ganze gegangen und hat ein olfaktorisches Monster erschaffen, das radioaktiv in allen erdenklichen Farbmustern ausstrahlt. Dieses Monstrum ist aber weniger abschreckend als durchaus faszinierend und fesselnd.

Wenn man den grundlegend lauten Charakter des Duftes mag, bleiben noch weitere Kritikpunkte übrig. Dies sind zum einen die so gut wie nicht vorhandene Verfügbarkeit innerhalb der EU sowie insbesondere die groteske Preisgestaltung.
Ich glaube keinem anderen Haus mehr, dass hier wirklich hochwertigste Rohstoffe verwendet werden, und der Weg bis zum fertigen Parfum sehr lange und arbeitsreich ist. Aaron wirkt hier in seinen nebenbei bemerkt sehr sehenswerten Videos sehr transparent und authentisch auf mich. Natürlich wird auch er, da es sein Beruf ist, genug Geld mit den Düften machen. Trotzdem sehe ich insbesondere hier durchaus plausibel, dass die Düfte in der Herstellung eine Stange Geld kosten, nicht zuletzt auch aufgrund der verhältnismäßig kleinen Auflagezahlen. Nichtsdestotrotz ist ein Preis von round about 300 Euro für 50ml eine harte Ansage. Vor allem für einen Duft, dessen einzelne Facetten man so oder ähnlich schonmal woanders in einem deutlich günstigeren Preissegment gerochen hat.
Bei wem Geld keine Rolex spielt und die Suche nach DEM einen alleskönnenden „Partyduft“ bislang anhielt, der wird bei Hard Candy Elixir womöglich fündig und glücklich.

Für mich ist er kein Kaufkandidat. Neben dem hohen Preis finde ich, für meinen Geschmack, sein Anwendungsfeld derart schmal bemessen, dass der Flakon in meiner Sammlung keine wirkliche Daseinsberechtigung hätte. Zudem brauche ich auch keine 50ml davon, da ich nicht die Intention habe, den Duft bis ins Jahr 2067 zu tragen oder, bei zu ausschweifender Besprühung vorprogrammiert, die Stratosphäre damit zu kontaminieren.
Wird er also dem Hype gerecht? Jain, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Einen Test für das olfaktorisch interessierte Individuum auf Duftentdeckungsreise ist er aber definitiv wert!
3 Antworten
MattRacer vor 1 Jahr 7 4
9
Flakon
5
Sillage
3
Haltbarkeit
6
Duft
Energiekrise und Sinnkrise
Auch wenn nunmehr 2-3 Wochen nach Marktstart alles gesagt ist, wollte ich auch mal meine Meinung zu dem neuesten Release aus dem Hause Versace kund tun.

Nachdem der Duft bereits, wenn ich mich recht entsinne, im Mai angekündigt wurde, war die Spannung in weiten Teilen der "Szene" sehr groß. Bei mir ebenso. Die bereits bekannten Kopfnoten lasen sich sehr gut, was die Erwartungen recht weit hochschraubte. Ich persönlich dachte, Versace versucht hier einen sommerbetonten Designer-Elysium zu kreieren. Auch etwas in Richtung Aventus war vielleicht anzunehmen. Jedoch erwartete ich von einem Haus, welches durchaus tolle und bedeutsame Designerdüfte hervorbrachte, etwas mehr als einen lieblosen uninspirierten reinen Abklatsch bereits bestehender Abklatsche eines bereits bestehenden und totgeklonten Dufts (Creed Aventus). Gerade beim klangvollen Namen Eros, der der Marke im letzten Jahrzehnt wie ich finde zu recht stramme Verkaufszahlen einbrachte, hätte man etwas mehr erwarten dürfen. Doch dazu später...

Was bekomme ich hier?
Das Opening ist wirklich sehr gelungen und ja, trotz der oftmals in frischen (Sommer-)düften verwendeten Zitrusnoten, sogar in gewisser Weise eigenständig und kreativ. Man kriegt eine belebende Kombination und Komposition an spritzigen Zitrusfrüchten um das Näschen geschmettert, was bei mir ebenso die viel zitierte Assoziation mit gelben Nimm2 Bonbons auslöst.
Das Ganze wirkt erstmal wirklich erheiternd und energiegeladen. Allerdings hält diese Kopfnote, zumindest bei mir, ebenfalls nur ungefähr so lange an wie das oben zitierte Bonbon bis zur Füllung im Mund verweilt.
Danach nimmt der Eros Energy den direkten Shortcut in Richtung Drydown. Und eben jener dürfte Allen die sich ein wenig mehr mit Düften beschäftigen hinlänglich bekannt sein. Es handelt sich um das subtil kratzig würzige birkenholz-artige, eichenmoosige, minimal patchouli angehauchte Moschusbett eines Creed Aventus. Hier jedoch etwas weniger kratzig/rauchig und ohne Ananas. Und genau diese Basis haben wir alle schon x-mal gerochen: Montblanc Explorer, Armaf Club de Nuit, Afnan Supremacy... um nur mal drei von ohne Übertreibung vermutlich 35 Parfums zu nennen.

Der Eros Energy wirkt insofern jedoch eigenständig, als dass ihm verglichen mit der Konkurenz deutlich eher die Puste ausgeht. Auch der Drydown ist nach einer Stunde hautnah. Nach einer weiteren Stunde ist die Messe dann vollständig gelesen. Ich hätte den Duft eher Eros Cologne oder Eau Fraiche getauft. Der Name "Energy" wirkt hier eher wie den Käufer verhöhnender Sarkasmus. Hier ist nix mit Atomkraft und Plutonium Sillage. Stellt euch mal eher auf ein SolarPanel bei aufziehender Schlechtwetterfront im September ein.
Und hier kommen zwei weitere Probleme des Duftes: Er wurde zu spät für die Parfumwelt veröffentlicht, und er wurde zu spät im Jahr 2024 veröffentlicht.

Insgesamt muss ich leider sagen dass ich den Release sowohl olfaktorisch als auch marketing-mäßig für einen ziemlichen Fail halte.
Verkaufen wird er sich wihl trotzdem: Die Kopfnote wird auf den Teststreifen gut funktionieren, den Rest wird Channing Tatum schon richten...

Als Fazit kann ich als enttäuschter Eros-Fan sagen, dass der an sich nett und gefällig riechende Duft neben dem tollen aber kurzatmigen Opening und seinem totchicen Flakon (!!!) leider keinerlei Kaufargumente aufweist, in einer Welt wo schon 30 sehr ähnliche aber oft bessere Alternativen existieren.

Selbst das Jahr 24 hat viele tolle Alternativen an geilen Zitrusdüften zu bieten. Ich denke hier beispielsweise, an der Kopfnote des Eros Energy schnüffelnd, an eine Acqua di Parma Mandarino di Sicilia oder Rammstein Nitroglyzerin.
Sorry Versace, aber ihr habt eure Hausaufgaben nicht gemacht.
4 Antworten
MattRacer vor 1 Jahr 4
10
Flakon
6
Sillage
2
Haltbarkeit
7.5
Duft
PUREistische Erfrischung
Mein Verhältnis zu dem Duft ist geprägt durch ein Auf und Ab, durch eine Art Hass-Liebe, bis ich mir nach nun geraumer Zeit hiermit ein finales Urteil erlauben möchte. Zugegebenermaßen auf ihn aufmerksam geworden durch den nunmehr Stand-Jetzt bizarr wirkenden Jeremy Fragrance, der den Duft einst auf den Promenaden in Florida getestet und promotet hat, musste er irgendwann mal zum Testen her. Nicht zuletzt ob der doch recht hoch eingestuften Bewertungsniveaus hier auf Parfumo sowie der Erwähnung bei etlichen anderen Youtube Fragheads.

Irgendwann vor einem Jahr besorgte ich mir also voller Erwartung die erste Abfüllung von dem Duft. Aufgesprüht... what the fu#k?! Hat mir hier jemand Autan Insektenspray in den Zerstäuber gekippt? 'Ne Packung Desinfektionstücher ausgewrungen und abgefüllt?
Ich kann auch Stand heute nicht umhin, diese Assoziationen gänzlich zu verwerfen. Ich verstehe jeden der den Duft aufgrund dieser ersten Verknüpfungen ablehnt oder ihn naserümpfend bei Seite stellt. Denn tatsächlich hat der Duft, auf den ersten Riecher, gewisse Ähnlichkeit zu einschlägigen Insekten-Sprays. Ob er auch als solches geeignet ist? Ein Test meinerseits steht noch aus, ihr seid herzlich eingeladen eure Erfahrungsberichte in den Kommentaren preiszugeben ;-)
Auch besagte Erfrischungs- bzw. Desinfektionstücher wirken oberflächlich betrachtet ähnlich zum Artisan Pure. Hauptverantwortlich dürfte hier die Duftnote Petitgrain sein, denn diese gibt es hier bei John Varvatos mit voller Breitseite serviert. Es handelt sich um eine zitrische Note, die, um mit Farben zu arbeiten, in meiner Nase eher grün statt gelb anmutet. Es wirkt zunächst wie unreife, grüne Zitrone, wie ein Extrakt aus den Blättern eines Zitronenbaums. Zudem etwas grasig bzw. pflanzlich.
"Pure" ist im Sinne des Purismus hier wirklich Programm, denn andere Duftkomponenten sind nur beiläufig erkennbar. Holzige und weitere allgemein zitrische Noten sind dezent vorhanden, spielen aber bei dem Duft, zumindest in meiner Nase, eine eher untergeordnete Rolle. Weiterhin ist hier Iris als Duftnote aufgeführt. Diese Note nehme ich in anderen Parfums eher als pudrig ala Lippenstift wahr, als seifig und weich. Für mich ist diesbezüglich hier Fehlanzeige angesagt. Vor allem im Hinblick auf pudrig weich, denn der Artisan Pure eröffnet für zarte Näschen durchaus stechend. Sicherlich gibt es unterschiedliche Arten von Iris-Noten und den verwendeten (synthetischen) Rohstoffen in Parfums. Wenn sie hier vorhanden sind, dann jedenfalls ebenso untergeordnet und andersartig als in typischen Vertretern der typischen Iris-Düfte.
Kurzum, der Artisan Pure liefert euch vor allem grüne, erfrischende, betont zitrische Duftnoten.

Es hat ein Weilchen gebraucht bis ich ihn zu schätzen wusste. Anfänglich dachte ich, "darum dreht sich all der Hype?! Wo kommen die guten Bewertungen her? Beeinflussung durch (bezahlte) Influencer? Marketing?", und konnte die Welt nicht recht verstehen. Wer möchte denn 30 Euro ausgeben um am Ende nach Autan zu riechen?
Aber bei längerem Testen, teils mit gebührendem Zeitabstand dazwischen, ergab sich nach und nach ein neues positives Gesamtbild. Irgendwo zwischen Nebenhöhlen, Reichnerven und Gehirn entwickelte sich eine ausreichende Abgrenzung zu Insektenabwehr und Klosteinen. Ich kam nicht umhin im Rahmen der Tests und Anwendungen immer wieder an meinem Arm zu schnüffeln, da irgendwelche Facetten dieses grundsätzlich simpel gestrickten Dufts sehr fesselnd waren.

Der Flakon kam irgendwann. Im Rahmen einer Sammlungs-Ausmistung musste der Duft irgendwann gehen, aufgrund seiner eklatant schwachen Haltbarkeit. Im Ernst Leute, 6,5er Bewertung?? Sechs Komma Fünf was? Minuten? ;-) Nein ehrlich, auf meiner Haut hält der Duft bei einer typischen Anwendung eines frischen sommerlichen Duftes, sprich 5-6-7 Sprüher, in etwa 1,5 bis 2 Stunden. Von Sillage reden wir eine bis eineinhalb Stunden, von Wahrnehmbarkeit auf der Haut etwa zwei bis zweieinhalb. In meiner Welt ist das keine 6.5. Was müsste denn dann ein Interlude von Amouage bekommen? Eine 30? Die Skala 0-10 ist hier irgendwie ad absurdum geführt.
Doch ebenso wie beim Duftcharakter als solchen, habe ich gelernt den Artisan Pure zu verstehen. Ich hatte ihn vermisst, da der Duft irgend etwas simpel charmantes an sich hat, was ich wieder haben musste. Also ist wieder ein Flakon eingezogen. Und auch hier: Ihr müsst ihn und seine Eigenheiten verstehen lernen. Im Rahmen einer euphorischen emotionalen Totaleskalation hab ich einfach mal aus Jux und Dollerei 25 Sprüher aufgetragen, bis die Suppe am Arm runter lief, und Voila siehe da, der Duft hielt seine drei Stunden :-D

Kommen wir zum Flakon: Kurzum, das Teil macht in meiner Welt eine nicht unerheblichen Faktor FÜR den Artisan Pure aus. Es ist einfach eine Augenweide, die auch qualitativ durchaus hochwertig daherkommt. Die legere helle Korb-Optik über dem leicht getrübten Glas, der holzig korkig anmutende Deckel, all das unterstützt den lockern sommerlichen Stil des Parfums.

Nach nunmehr etwa zwei Jahren Parfum-Entdeckungen darf bzw. muss es auch manchmal einfach ein schlichter, kurzzeitig erfrischender, belebender Duft wie der Artisan Pure sein. Ich muss mir keine Gedanken machen ob ich nach 4-5 Stunden immernoch so riechen möchte, nein, ich möchte einfach einen temporären kurzzeitigen gut gelaunten Energieschub aus der Sprühflasche haben, für 2-3 Stunden einfach mal fresh riechen, und gut ist. Ich sehe den Artisan Pure somit eher als klassisches Cologne und würde ihn auch entsprechend einsetzen.

Also, auf in die anstehende Mückensaison und mal sehen ob der Duft noch zu anderen Dingen taugt, als unkompliziert, frisch und schlicht gut zu duften...
0 Antworten
MattRacer vor 2 Jahren 16
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Günstige eindrucksvolle Reise in die orientalische Welt
Hier haben wir sie, die nächste beachtliche Entdeckung im Bereich der günstigen arabischen Düfte mit wirklich eindrucksvollem Duftcharakter.
Stand jetzt, ist der Wafa aus dem Hause Ard Al Zaafaran offenbar noch ein Geheimtip. Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn dieser Orient-Express hier in nächster Zeit mit Volldampf auf den Schienen des Hype-Trains abfährt. Das Zeug dazu hat er Meinung nach jedenfalls.

Zunächst einmal bekommt man hier eine dick auftragende, wertig anmutende, kunstvolle Präsentation auf den Tisch, die jedoch, typisch für die ein oder anderen arabischen Dufthäuser, tendenziell auch kitschig anmutet. Goldenes Bling Bling und persönlicher Geschmack hin oder her, für zwanzig Euronen ist dieses Maß an detailreicher Umverpackung jedenfalls nicht selbstverständlich. Der Karton zum Aufschieben fängt das Auge mit einem kunstvoll geschwungenen und verzierten -W- auf der Front ein, welches recht aufwendig anmutend dreidimensional vertieft auf dem Cover thront, und eine Vorschau auf den Inhalt gibt. Der Flakon präsentiert sich dann hübsch in einer Vertiefung eingefasst im inneren Karton. Alles posiert leicht angeberisch und extrovertiert inmitten von inflationär eingesetzter goldener Farbe. Trotzdem, objektiv betrachtet, wirkt das Ganze liebevoll gestaltet.
Der Flakon selbst ist von der wuchtigen, soliden und durchaus wertigen Sorte. Er wirkt massiv und stabil. Die schwere Metallkappe mitsamt Verzierungen am Rand und auf der Kappe komplettiert die hochwertige Präsentation.
Das samtige Frontcover des Flakons ist hier der größte objektive Kritikpunkt, da es am Rand, bedingt durch die Einfassung im Karton, offenbar zu leichtem ablösen neigt. Hier zeigt sich dann dass das Cover recht plump aufgeklebt wurde. Bei der insgesamt fetten optischen und materiellen Darbietung ist das aber zu verschmerzen.

Zum Saft selbst... Ihr bekommt hier ein Parfum, welches euch in vielerlei Hinsicht in die orientalische Duftwelt katapultiert und einen recht umfassenden Einblick in diese offenbart. Zunächst wird einem hier eine Pflaume um die Ohren (und Nase) gehauen, die wie gesüßtes Trockenobst daherkommt. Die Fruchtsüße kommt hier sehr umgänglich und frei von Säure daher. Allerdings ist dieses Steinobst hier schon stattlich gezuckert.
Geerdet und abgerundet wird das Ganze dann aber gekonnt durch eine erdige, holzige und auch leicht rauchige Basis. Ein betont harziges Weihrauch-Räucherwerk gibt dem Duft eine warme Basis. Zugleich lässt es den Duft recht düster und edel erscheinen. Man könnte hier auch etwas Tabak als Duftnote vermuten.
Die klassisch dunkle, erdige Patchouli Note untermalt den Duft durchweg und erdet ihn sprichwörtlich. Weiterhin schwebt da immer eine dezente, cremige Vanille im Duftschleier mit, die ihn etwas verspielt, vor allem aber gefällig daherkommen lässt.
Die angegebene Rose nehme ich unterschwellig war, was dem Duft etwas edles und zugleich mysteriöses verleiht. Glücklicherweise ist diese Note hier äußerst subtil angelegt, in einem Außmaß, welches für einen Duft dieser Machart adäquat erscheint.
Insgesamt erwartet euch ein Duftcharakter, der kurz als süß-würzig-orientalisch beschrieben werden kann, und dabei warm, dunkel und etwas verrucht auftritt. Der Duft hat Charakter, der jedoch bei den meisten Anwendern und Wahrnehmern nicht zu arg anecken wird. Die Süße wirkt hier stilvoll und gut austariert. Sie gibt dem Duft meiner Meinung nach eine solide Gefälligkeit, wirkt allerdings niemals übersteuert oder quietschig.

Das Ganze mutet, zumindest für meine Nase, von der Qualität auf einem Level an, welches man für diese Preisgestaltung nicht erwarten würde. Der Duft ist rund, weich und die Noten harmonisch ineinander verwoben. Der Duft ist interessant und wirkt nicht zu synthetisch. Selbst 50-60-70 Euro wären hier vollkommen ok. Ehrlich gesagt könnte auch ein teures Nischen-Haus den Duft rausbringen, und würde damit nicht großartig negativ auffallen. Hoffentlich liest Ard Al Zaafaran nicht mit. Aber vielleicht wird auch der Hype-Train die Angebot- und Nachfrage Kurve mit Schmackes durchfahren und sein übriges tun.

Aufgrund seiner Opulenz würde ich den Duft eindeutig in der kühlen Jahreszeit verorten. Die gänzlich schlechteste Verwendung wäre bei 30 Grad im Sommer, vor einem Saunabesuch, um mal ein Negativ-Bild zu kreieren, damit ihr euch eine andersgeartete Verwendung selbst erörtern könnt ;-)

Geschlecht? Aufgrund seiner Harzigkeit, Würzigkeit und Rauchigkeit würde ich den Duft schon eher an Männern sehen. Allerdings ist diese gourmandige Fruchtsüße gepaart mit der Vanille und der leichten Cremigkeit des Duftes durchaus geeignet, ihn auch für eine Dame tragbar zu machen, sofern diese charakterstark, verrucht oder düster genug ist, sich in dieser mysteriösen Duftwolke einhüllen zu wollen. Die Vorstellung den Duft an einer Frau wahrzunehmen, finde ich jedenfalls recht spannend.

Gefälligkeit? Bestimmt! Meine Frau fand den Duft richtig gut und hat mich eigeninitiativ darauf angesprochen, was aufgrund ihrer nur rudimentär ausgeprägtem Parfum-Affinität nicht allzu häufig vorkommt.
Haltbarkeit und Sillage sind nicht auf der Beast-Mode Seite, aber schon gut vorhanden. Ich bekomme hier etwa 6-7 Stunden Haltbarkeit und eine wahrnehmbare Sillage für 3-4-5 Stunden.
Andere arabische Düfte können das noch ein Eckchen besser, allerdings finde ich das Level an Stärke hier durchaus angebracht, da es zu dem warmen, chicen, edlen und mysteriösen Duft passt. Er schreit nicht meterweit "Hier bin ich!", sondern weiss seine Wahrnehmer im näheren Umfeld zu verführen.

Assoziationen und Vergleiche zu Artgenossen ergeben sich bei mir z.B. in Richtung Parfums de Marly Carlisle, auch wenn dieser noch eine Nuance mehr in der Luft "knistert" und noch ein wenig facettenreicher anmutet. Den hier zitierten Black Phantom durfte meine Nase noch nicht riechen, weshalb ich hier nichts zu einer Vergleichbarkeit sagen kann. Was sich mir jedoch noch aufdrängte, war die Erinnerung an einen Argos - Triumph of Bacchus. Letzterer wirkt natürlich noch eine ganze Ecke kunstvoller, harmonischer und "teurer", und kommt mit einer geil verspielten Alkohol Note daher. Allerdings kam ich nicht umhin mich diesem Vergleich ausgesetzt zu sehen. Wo der Bacchus eher mit Pfirsich triumphiert, nimmt hier halt die artverwandte Pflaume die Stelle des Steinobstes ein. In puncto Würzigkeit, Tabak/Rauch, Vanille und grundsätzliche "Orientalik" beschreiten die Düfte jedoch ähnliche Wege.

In diesem Sinne: Der Wafa ist für Fans dieser Duftrichtung definitiv einen Test wert! Ich würde ihn als absoluten Preis-Leistungs-Knüller beschreiben, der in vielerlei Hinsicht positiv überrascht hat, und von der Qualität, sowohl Umverpackung als auch Duft selbst, in einer oberen Liga mitspielt.
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MattRacer vor 2 Jahren 25 9
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Das ist kein Brett, das ist ein Baumarkt!
Hier ist er also, der kleine Geheimtip, insbesondere für Fans des alten eingestellten Gucci pour homme, dessen Geist hier von Michel Almairac zu neuem Leben erweckt wurde. Der Duft fristet sein durch und durch ruhiges Dasein im Schatten seines bekannteren Bruders "Bentley for men Intense", und offenbart sein angenehmes Wesen nur denen, die etwas tiefer in die Materie eintauchen, die über den Tellerrand der üblichen Influencer Top10-Listen hinaus schauen.

Während der Intense insgesamt eher laut und auffällig daherkommt, ist der Absolute der deutlich ruhigere, introvertierte Vertreter der Gentleman-Düfte dieser Marke.

Bereits in der Eröffnung offenbart der Duft wes Geistes Kind er ist. Er zeigt sich in erster Linie holzig. Die hier bereits vermerkten Assoziationen mit frisch angespitztem Bleistift sind klar erkennbar.
Wer Süße in Düften sucht, ist hier fehl am Platze, und sollte eher beim Intense sein Glück versuchen. Der Absolute wirkt dermaßen trocken, dass er gefühlt auch Räume von Luftfeuchtigkeit befreien kann. Die Holznoten wirken so, als hätte man das Material vor der Verarbeitung 10 Jahre lang in der Wüste Gobi trocknen lassen. Findet man in anderen Düften die Holznote eher subtil vor, so kriegt man hier das Kantholz mit voller Wucht gegen die Visage gescheppert: Das ist kein Brett, das ist ein Baumarkt!
Zudem macht die angegebene Note "Papyrus" hier durchaus Sinn und wirkt nachvollziehbar. Sie geht harmonisch Hand in Hand mit der Holzigkeit, und weckt Assoziationen mit alten Schriftrollen, Bibliotheken und dem Geruch von altehrwürdigen fetten Büchern.
Weiterhin versprüht der Duft noch ein gewisses Maß an Harzigkeit und Erdigkeit. Die Vorstellung, im (trockenen) Sommer durch einen dichten Wald zu stapfen, geht mit dem Duft einher. Etwas Staub von trockener, aufgelockerter Erde liegt in der Luft, die Bäume um einen herum dünsten leicht harzig aus.
Weihrauch verleiht dem Duft noch mehr Charakter, gibt ihm einen Hauch von angenehmer niemals kratziger Rauchigkeit, aber beruhigt und erdet die Komposition zugleich noch weiter. Die hier gelesene sakrale Stimmung die der Duft dadurch hervorzurufen vermag, kann ich bestätigen.
Pfeffer oder Ingwer sind für meine Nase allenfalls nur ganz dezent am Rande wahrnehmbar. Auch hier, wenn Ingwer, dann 3 Jahre lang schrankgetrocknet, keinesfalls mehr ölig ätherisch wirkend.
Der Pfeffer spielt ebenso eher die zweite Geige und kommt sehr sanft, geradezu gedämpft daher, weit davon entfernt, einen spicebomb-artigen Nießanfall auszulösen.

Wir haben hier einen insgesamt sehr ruhigen, dezenten Vertreter seiner Zunft, der stets souverän, distinguiert und unaufdringlich wirkt.
Auch wenn dufttechnisch klar anders, so erinnert mich der Absolute dennoch irgendwie an einen Encre Noir, da er mit ihm gewisse Charakterzüge teilt. Die betonte Holzigkeit, gepaart mit Duftnoten, die Erinnerungen an die Natur und/oder Erde wecken, die ähnliche Richtung an Stimmung an denen die Düfte Anwendung finden, oder die sie kreieren...

Leider, und so kommen wir zum größten Kritikpunkt zum Duft, passen auch Haltbarkeit und Sillage in das eher chice, souveräne und ruhige Gesamtbild dieser Kreation. Könnte man der eher subtilen Ausstrahlung noch etwas positives, anlassbezogen sehr adäquates abgewinnen, so bleibt die Haltbarkeit so oder so etwas dürftig. In Zahlen gesprochen, ist er auf meiner Haut etwa 4 Stunden wahrnehmbar, wovon aber nur 2-3 eine wirklich nennenswerte Sillage ausbilden. Die Haltbarkeit ist somit auf dem Niveau eines durchschnittlichen frischen Duftes. Ob der hier zu Grunde liegenden DNA hätte man sich etwas mehr gewünscht.
Sei es drum. Aufgrund der tollen Preisgestaltung, die die Edel-Auto-Marke hier erwähnenswerter weise an den Tag legt, ist auch ein Übersprühen/Auffrischen kein Drama. Zumal der wirklich sehr chice und edel anmutende schwarze Flakon, der einfach massiv, maschinell, industriell und maskulin daherkommt, einfach derart solide wirkt, dass einem auch bei dessen Mitnahme nicht gleich Angst und Bange wird.

Ich sehe den Duft für alle möglichen Anlässe geeignet, mal abgesehen von der Party an der Strandbar, wo er doch eher als seltsamer Spaßbremser auftreten könnte. Von Herbst bis Frühling, Arbeit, Freizeit, offizielle Anlässe - go for it. Im Sommer bei wirklich warmen Temperaturen würde ich ihn auch eher meiden. Nicht weil er erdrückend wirken könnte, sondern vielmehr aufgrund der eher sachlichen, ruhigen, ggf. ernsten Stimmung die er erschaffen kann.
Ein Duft für Gentlemen oder die die es werden wollen, für eloquente Männer von Welt, die einen stilvollen Duft gegenüber einem sehr lautstarken bevorzugen, die ein subtiles aber elegantes Statement auftragen wollen.
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