Coney Island 2007

Zereangel
10.06.2018 - 16:10 Uhr
26
Top Rezension
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Aquatisch frischer Sommer-Cocktail mit Ausdauer

Prolog:
Ein paar Worte zur Durchschnittsbewertung Note 5.9.

Die Marke Bond No 9 wird des häufigeren hier verrissen - manchmal zu Recht angesichts (zu) hoher Retailpreise und der (zu) synthetisch aufgedrehten Performance. Manchmal aber auch zu unrecht wie in diesem Fall. Der Duft ist um einiges besser als die hier vergebene Bewertung. Viele Einzelbewertungen < 4 ziehen ihn leider massiv in die Trashecke, obwohl er vielerorts zu gefallen weiß. Als Vergleichsmaßstab: es werden bei Parfumo auch diverse stinkende animalische Zirbet- und Oudbomben mit einer 8er Bewertung in den Himmel gelobt, die mehr an Kuhstall erinnern als an olfaktorische Virtuosität. Die schlechte Note hat vermutlich auch mit der Marke und nicht nur mit dem Parfüm zu tun: anfangs empfand auch ich Bond Düfte als laute, überteuerte Synthetikbomben. Mittlerweile weiß ich deren DNA aber auch zu schätzen. Im Quervergleich haben sie häufig eine gute bis sehr gute Performance und manche Düfte sind auf ihre Weise doch einzigartig. Die besseren Bonds erfordern etwas Geduld und Zeit, bis sich der Duft nach einer provozierenden oder unrunden Eröffnung sortiert. Mit Online Discounts kommen sie zudem in preislich akzeptable Regionen.

Der Duft ist nicht unbedingt der Liebling von Feinnasen und Parfümsnobs, die jedes Limettenblatt einzeln erschnüffeln wollen samt Duftverlauf von Saat über Ernte, Verkostung und finalen Kompostierung. Gourmandliebhaber, die Cocktails mögen, aufgepasst! Und für die, die einfach nur einen lang anhaltenden, fröhlichen und speziellen Sommerduft wollen: traut euch. Er knallt, er erfrischt und differenziert sich dadurch von vielen Toilettenzitrussen und vom Standard-Sunny, der mit langweiliger Bescheidenheit allen gefallen möchte.

Zum Duft:
Morgens 8:30
Er startet relativ scharf mit einem zitrisch-grünen Mix aus Limone, Melone und weiteren Früchten. Was davon der Guave oder dem Margaritaakkord zuzuschreiben ist, kann ich nicht wirklich trennen. Manchmal schimmert ein Hauch von Grün durch, was mich an Basilikum erinnert und kaum nähere ich meine Nase dem Duft ist das Grüne auch schon wieder weg. Sein Eröffnungsstatement lautet „Aufwachen Leute. Die Sonne ist schon da, hier ist die Party, hier gibt es die Cocktails. Nicht so schüchtern. Und keine Sorge, wir haben den ganzen Tag lang auf.“ Wem er anfangs zu scharf ist, ist Geduld anzuraten - er wird noch runder ;)

Mittag 12:00
Die angegeben Herz- und Basisnoten rücken langsam nach und entfernen dem Duft im Verlauf von ca. 2-3 Stunden Stück um Stück die Kanten. Zu keiner Zeit dominiert jedoch einer dieser süßeren Gourmand-Noten den Duft. Er ist und bleibt am Strand. Um die Mittagszeit herum überlässt Coney Island freiwillig der Sonne die Rolle des präsenten Hauptakteurs, die jetzt senkrecht steht und knallt. Der Duft schaltet zum Wohle des Trägers um auf Erfrischung: Er lädt zu einem leichten maritimen Snack mit Melone ein. Zusätzlich erzeugt er eine transparente maritim-aquatische Aura, ganz leicht salzig ohne irgendwie algig
mit Meersalz zu wirken. Ich bekomme Hunger und möchte Melone mit Parmaschinken essen. Leider gibt‘s das hier nicht :( Das gibt Punkteabzug für die Location!

17:00
Wo in der Regel bei vielen Sommerdüften nur noch die Erinnerung an die einstmalige Frische bleibt, ist Coney Island weiterhin spürbar. Gar nicht schlecht bei den flüchtigen Noten.

20:00 Abends
Auf der Haut befindet sich noch ein Hauch aquatischer Frische. Spätestens jetzt ist klar, dass die Haltbarkeit nicht nur Markenversprechen ist, sondern real.

Morgens, nächster Tag 8:30
Auf der Haut ist nichts mehr spürbar, aber das T Shirt riecht noch deutlich vom Vortag.

Verwandtschaften:
Der Duft ist nicht gleich, aber vom Thema her vergleichbar mit Creed VIW oder Tommy Bahamas Set Sail St. Barts minus Kokos, plus Margarita und auf einem anderen Lautstärkeniveau. Anfangs trennen die Dezibel, später fragt Coney Island die zwei mit einem leichten Lächeln: „Wie, jetzt schon schlapp?“

Warum kann er missfallen:
Der Formel 1 artige Start mit lautem pieksenden Zitrus auf hoher Drehzahl. Das riecht zunächst synthetisch, bis sich die Aromen legen. Das melonige mag nicht jeder. Er ist von Bond No. 9 und qualifiziert sich damit automatisch als olfaktorisches Feindbild für die Bondhasser ;)

Bewertung:
Duft: 9,0. Insbesondere im Verlauf der ersten Stunden macht er was her und signalisiert dem Umfeld „Happy. Summer. Beach. Party. Ich bin bereit! Ihr auch?“.
Sillage: in den ersten Stunden zieht sich der Schweif zunächst lockere 2-3 Meter.
Projektion: Nicht ganz so stark wie die Sillage aber spürbar über die Armlänge hinaus.
Haltbarkeit: Am oberen Ende und erstaunlich für einen Zitrus. 8h plus auf der Haut je nach Situation und Temperatur. Auf der Kleidung können 24h und mehr erreicht werden.
Flakon: Ein herrlich strahlendes blau. Definitiv ein Eyecatcher.
Preis: Bond Normalpreise sind heftig - so wie deren Performance - aber häufiger für die Hälfte oder weniger online zu haben. Angesichts der Duftidee und Haltbarkeit reduziert sein Geld voll wert.
Blind buy: für mich und abenteuerlustige Parfumos ja.

Fazit: Unbedingt testen und nicht von der schlechten Parfumobewertung abschrecken lassen.
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