07.09.2016 - 14:13 Uhr
Cravache
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Cravache
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Von Zwingli und Engeln mit Lederfetisch – Rojas Ode an Zürich
Roja nennt O auch „Ode an die Freude“. Und O ist eine olfaktorische Freude. Orientalisch-warm, reich, opulent, selbstbewusst und kraftvoll. O startet floral-frisch, wird rasch sehr warm und würzig mit holzigen, harzigen und leicht animalischen Facetten.
Auch wenn O von einer Roja-typischen perfekt komponierten Symphonie der Duftnoten beseelt ist, ist O anders als die meisten Rojas – nicht im Himmel schwebend, sondern vielmehr auf dem noblen Pflaster der Zürcher Bahnhofstrasse verhaftet. O ist ein dichter, schwerer, zu Beginn geradezu ein förmlicher Duft. O startet beinahe harsch, erfährt im weiteren Duftverlauf jedoch Auflockerung.
Am ehesten verwandt innerhalb der Roja-Familie ist O mit Musk Aoud (mein liebstes Roja-Oud, da am wenigsten gefällig) und Fetish p.H., wenngleich mit weniger lüsternen Lenden als letzterer.
Roja Dove widmet O primär München und Zürich (und etwas auch Berlin). Nicht von ungefähr widmet Roja Dove O Zürich. Geben doch die Schweizer weltweit pro Kopf mit Abstand am meisten Geld für Parfums aus. Und nicht etwa die Araber. Roja Dove schreibt: „Ich habe die Oper immer geliebt. Auf all meinen Reisen versuche ich das lokale Opernhaus zu besuchen. Bei meinem ersten Besuch in der Schweiz war ich deshalb hoch erfreut als mich ein Freund in das Zürcher Opernhaus einlud - ein geradezu majestätisches Gebäude, das 1834 erbaut wurde. Jedes Element des Hauses ist so liebevoll erhalten und gepflegt, dass es fast scheint, als hätte es gerade gestern eröffnet. Das Dach ist mit Engeln geschmückt - den Anblick werde ich nie vergessen.“
Das Zürcher Opernhaus wurde im Wiener Prunkstil erbaut und 1891 (und nicht 1834) am Zürichsee eröffnet. Und in der Tat wachen wie geflügelte Wächter einige meterhohe Engel über das Gebäude und den benachbarten Sechseläutenplatz. Einer der Prachtengel hält einen O-förmigen Lorbeerkranz in Händen. Zudem ist der Name des Parfums, O, eine heitere Anspielung auf den Namen der Zürcher Parfumerie, die den Duft in der Schweiz exklusiv vertreibt (neben O-berpollinger in München): O-sswald. Die Parfümerie Osswald, diese einzigartige Bijou an der Zürcher Bahnhofstrasse gilt nicht nur als eine der ältesten Nischenparfümerien weltweit. Sie gilt auch als die interessanteste und bestsortierteste in Europa. Einzig Harrods mag da flakonmäßig noch etwas mehr bieten, wenngleich Osswald, ganz schweizerisch, in Sachen Freundlichkeit, Flair, Bescheidenheit und Fachkompetenz die Nase vorn hat.
Auch wenn Roja im dem Flakon beigelegten Booklet spekuliert, ob denn die Münchner und Zürcher auch so in Engel vernarrt seien wie er, so kann man dies meinetwegen für die katholischen Weißbiertrinker bejahen, nach Zürich passen allerdings Engel so gut wie die Bremer Stadtmusikanten nach Hamburg. Zürich ist die Stadt Zwinglis, da sind Engel suspekt.
Wer an Zürich denkt, denkt meist an Banken, Uhren, den wunderbar urigen Käseladen am Münsterhof - und vielleicht sogar an Zwingli. Aber nicht an Engel. Trotz dieses Wohlstandes in Zürich, ist Zürich ein sehr entspannter und freundlicher Ort. Bescheiden, bodenständig, emsig, weltoffen.
Nach rund 3500 getesteten Parfums bin ich anspruchsvoll und skeptisch zugleich. Kann mich ein Duft, in dem Oud, Leder und Rosennoten die erste Geige spielen noch begeistern? Um es vorweg zu nehmen: Ja, Roja Dove schafft es. Ich bin verzaubert. Nicht nur vom allabendlichen Anblick des Opernhauses, das sich in der Dämmerung im Zürichsee spiegelt, sondern auch von Rojas kraftvollem Parfüm.
Roja Dove selbst ist kein Parfümeur, sondern Marketingmensch. Er ist gewissermaßen der Djagilew der Parfümerie. Ob er selbst schöpferische Nase dahinter ist oder Mitarbeiter von ihm, spielt wie bei dem mittelmäßigen Tänzer Djagilew letztlich keine Rolle. Das ästhetische, künstlerische Produkt zählt. Und das ist auch hier zum Niederknien schön und ergreifend.
O startet floral-frisch mit einer frischen Rosengeranie und einem Strauß hell strahlender Mairosen. Die Rosengeranie ist hell- bis mittelrot, frisch, leicht süßlich. Etwas zitrisch-frische Bergamotte unterstreicht die florale Morgenfrische der Geranie. Rasch tritt Mairose hinzu. Die Mairose riecht voll, süßlich, berauschend, warm und nach einer leisen Note von Nektar. Der Duft der Mairose erinnert an die ersten warmen Sonnenstrahlen. Fast gleichzeitig sind mitteldunkles, dichtes Oud zu riechen, kaum animalisch, sowie mitteldunkles, festes Leder. Das edelholzige Oud und das Leder könnten in ihrer fast förmlichen Strenge dem Beratungszimmer einer altehrwürdigen Zürcher Privatbank entstammen.
Alsbald gesellen sich engelsweiße Blüten und Blumen dazu. Vollbusig, betörend, geküsst von etwas Nektar. Eine helle, sehr schöne Note einer schlanken Birke bildet ein gewisses Gegengewicht zum schweren Oud und dem festen Leder.
Anders als die meisten Roja-Düfte, die im Duftverlauf sehr klar in vier Duftnoten (eine kurze Kopfnote, eine nicht sehr lange anhaltende Herznote, Basisnote und eine fast ewig haltende tiefe Basisnote) eingeteilt werden können, zeigt O nur relativ wenig Entwicklung.
Mit der Zeit nimmt eine hintergründige, fruchtig-frische Himbeernote dem Duft etwas das Förmliche, das unmittelbar nach dem Aufsprühen für einen kurzen Moment beinahe zwinglianische Strenge verbreitet. Doch das Kraftvolle, Selbstbewusste, mit dem Zürcher Bsetzisteinboden verhaftete bleibt.
Allmählich wird O etwas warmharziger und sandholz-cremiger. Eine Prise Pfeffer unterstreicht jedoch den orientalischen, würzig-warmen Charakter von O.
Eine warme, etwas weichere, dennoch mit einem animalischen Knutschfleck versehene opulent-orientalische Basis von holzigem Oud, warmem Leder, warmem Harz und wiesellendenhautanimalischem Labdanum lässt O ausklingen.
O ist ein weiteres Meisterwerk von Roja Dove. Eine perfekt durchkomponierte Duftnotensymphonie. Von der ersten Duftnote bis in die letzte Duftnote der tiefen Basis. Nichts franst aus, keine Duftnote verwässert - wie in so vielen arabischen Düften (ich denke da zum Beispiel an Black Prestigium von Mancera).
O ist mitnichten ein klassischer, schon oft gerochener Rosen-Oud-Leder-Duft. Trotz dieser überragenden Qualität, der perfekt orchestrierten Harmonie der Duftnoten und der Opulenz des Parfüms, die es geradezu in die dritte Dimension wachsen lässt, ist O kein Parfüm nur für besondere Momente. Sicherlich, der Preis ist auf den ersten Blick nicht bescheiden. 50ml Parfüm - O ist ein Extrait - kosten 555 Franken (Stammkunden erhalten freilich einen Rabatt im zweistelligen Prozentbereich). Allerdings kosten 30ml Mitsouko Extrait um 360 Franken. Vergleicht man mit derselben Konzentration, ist Roja Dove nicht teurer als ein Mainstream-Extrait von Guerlain. 1 bis 2 Sprühstösse des Roja-Duftes reichen für eine wahrnehmbare Parfümierung für einen Arbeitstag - samt einer oder zweier Überstunden.
O von Roja Dove ist umwerfend schön, in olfaktorischer Perfektion komponiert. Selbstbewusst, wärmend, harmonisch – wie das Gemüt der Eidgenossen. O, das ist ein Tag im mondänen, weltoffenen, emsigen Zürich. Zürich, die Insel der Glückseligen – wenn man deutschen Leitmedien Glauben schenken will.
Auch wenn O von einer Roja-typischen perfekt komponierten Symphonie der Duftnoten beseelt ist, ist O anders als die meisten Rojas – nicht im Himmel schwebend, sondern vielmehr auf dem noblen Pflaster der Zürcher Bahnhofstrasse verhaftet. O ist ein dichter, schwerer, zu Beginn geradezu ein förmlicher Duft. O startet beinahe harsch, erfährt im weiteren Duftverlauf jedoch Auflockerung.
Am ehesten verwandt innerhalb der Roja-Familie ist O mit Musk Aoud (mein liebstes Roja-Oud, da am wenigsten gefällig) und Fetish p.H., wenngleich mit weniger lüsternen Lenden als letzterer.
Roja Dove widmet O primär München und Zürich (und etwas auch Berlin). Nicht von ungefähr widmet Roja Dove O Zürich. Geben doch die Schweizer weltweit pro Kopf mit Abstand am meisten Geld für Parfums aus. Und nicht etwa die Araber. Roja Dove schreibt: „Ich habe die Oper immer geliebt. Auf all meinen Reisen versuche ich das lokale Opernhaus zu besuchen. Bei meinem ersten Besuch in der Schweiz war ich deshalb hoch erfreut als mich ein Freund in das Zürcher Opernhaus einlud - ein geradezu majestätisches Gebäude, das 1834 erbaut wurde. Jedes Element des Hauses ist so liebevoll erhalten und gepflegt, dass es fast scheint, als hätte es gerade gestern eröffnet. Das Dach ist mit Engeln geschmückt - den Anblick werde ich nie vergessen.“
Das Zürcher Opernhaus wurde im Wiener Prunkstil erbaut und 1891 (und nicht 1834) am Zürichsee eröffnet. Und in der Tat wachen wie geflügelte Wächter einige meterhohe Engel über das Gebäude und den benachbarten Sechseläutenplatz. Einer der Prachtengel hält einen O-förmigen Lorbeerkranz in Händen. Zudem ist der Name des Parfums, O, eine heitere Anspielung auf den Namen der Zürcher Parfumerie, die den Duft in der Schweiz exklusiv vertreibt (neben O-berpollinger in München): O-sswald. Die Parfümerie Osswald, diese einzigartige Bijou an der Zürcher Bahnhofstrasse gilt nicht nur als eine der ältesten Nischenparfümerien weltweit. Sie gilt auch als die interessanteste und bestsortierteste in Europa. Einzig Harrods mag da flakonmäßig noch etwas mehr bieten, wenngleich Osswald, ganz schweizerisch, in Sachen Freundlichkeit, Flair, Bescheidenheit und Fachkompetenz die Nase vorn hat.
Auch wenn Roja im dem Flakon beigelegten Booklet spekuliert, ob denn die Münchner und Zürcher auch so in Engel vernarrt seien wie er, so kann man dies meinetwegen für die katholischen Weißbiertrinker bejahen, nach Zürich passen allerdings Engel so gut wie die Bremer Stadtmusikanten nach Hamburg. Zürich ist die Stadt Zwinglis, da sind Engel suspekt.
Wer an Zürich denkt, denkt meist an Banken, Uhren, den wunderbar urigen Käseladen am Münsterhof - und vielleicht sogar an Zwingli. Aber nicht an Engel. Trotz dieses Wohlstandes in Zürich, ist Zürich ein sehr entspannter und freundlicher Ort. Bescheiden, bodenständig, emsig, weltoffen.
Nach rund 3500 getesteten Parfums bin ich anspruchsvoll und skeptisch zugleich. Kann mich ein Duft, in dem Oud, Leder und Rosennoten die erste Geige spielen noch begeistern? Um es vorweg zu nehmen: Ja, Roja Dove schafft es. Ich bin verzaubert. Nicht nur vom allabendlichen Anblick des Opernhauses, das sich in der Dämmerung im Zürichsee spiegelt, sondern auch von Rojas kraftvollem Parfüm.
Roja Dove selbst ist kein Parfümeur, sondern Marketingmensch. Er ist gewissermaßen der Djagilew der Parfümerie. Ob er selbst schöpferische Nase dahinter ist oder Mitarbeiter von ihm, spielt wie bei dem mittelmäßigen Tänzer Djagilew letztlich keine Rolle. Das ästhetische, künstlerische Produkt zählt. Und das ist auch hier zum Niederknien schön und ergreifend.
O startet floral-frisch mit einer frischen Rosengeranie und einem Strauß hell strahlender Mairosen. Die Rosengeranie ist hell- bis mittelrot, frisch, leicht süßlich. Etwas zitrisch-frische Bergamotte unterstreicht die florale Morgenfrische der Geranie. Rasch tritt Mairose hinzu. Die Mairose riecht voll, süßlich, berauschend, warm und nach einer leisen Note von Nektar. Der Duft der Mairose erinnert an die ersten warmen Sonnenstrahlen. Fast gleichzeitig sind mitteldunkles, dichtes Oud zu riechen, kaum animalisch, sowie mitteldunkles, festes Leder. Das edelholzige Oud und das Leder könnten in ihrer fast förmlichen Strenge dem Beratungszimmer einer altehrwürdigen Zürcher Privatbank entstammen.
Alsbald gesellen sich engelsweiße Blüten und Blumen dazu. Vollbusig, betörend, geküsst von etwas Nektar. Eine helle, sehr schöne Note einer schlanken Birke bildet ein gewisses Gegengewicht zum schweren Oud und dem festen Leder.
Anders als die meisten Roja-Düfte, die im Duftverlauf sehr klar in vier Duftnoten (eine kurze Kopfnote, eine nicht sehr lange anhaltende Herznote, Basisnote und eine fast ewig haltende tiefe Basisnote) eingeteilt werden können, zeigt O nur relativ wenig Entwicklung.
Mit der Zeit nimmt eine hintergründige, fruchtig-frische Himbeernote dem Duft etwas das Förmliche, das unmittelbar nach dem Aufsprühen für einen kurzen Moment beinahe zwinglianische Strenge verbreitet. Doch das Kraftvolle, Selbstbewusste, mit dem Zürcher Bsetzisteinboden verhaftete bleibt.
Allmählich wird O etwas warmharziger und sandholz-cremiger. Eine Prise Pfeffer unterstreicht jedoch den orientalischen, würzig-warmen Charakter von O.
Eine warme, etwas weichere, dennoch mit einem animalischen Knutschfleck versehene opulent-orientalische Basis von holzigem Oud, warmem Leder, warmem Harz und wiesellendenhautanimalischem Labdanum lässt O ausklingen.
O ist ein weiteres Meisterwerk von Roja Dove. Eine perfekt durchkomponierte Duftnotensymphonie. Von der ersten Duftnote bis in die letzte Duftnote der tiefen Basis. Nichts franst aus, keine Duftnote verwässert - wie in so vielen arabischen Düften (ich denke da zum Beispiel an Black Prestigium von Mancera).
O ist mitnichten ein klassischer, schon oft gerochener Rosen-Oud-Leder-Duft. Trotz dieser überragenden Qualität, der perfekt orchestrierten Harmonie der Duftnoten und der Opulenz des Parfüms, die es geradezu in die dritte Dimension wachsen lässt, ist O kein Parfüm nur für besondere Momente. Sicherlich, der Preis ist auf den ersten Blick nicht bescheiden. 50ml Parfüm - O ist ein Extrait - kosten 555 Franken (Stammkunden erhalten freilich einen Rabatt im zweistelligen Prozentbereich). Allerdings kosten 30ml Mitsouko Extrait um 360 Franken. Vergleicht man mit derselben Konzentration, ist Roja Dove nicht teurer als ein Mainstream-Extrait von Guerlain. 1 bis 2 Sprühstösse des Roja-Duftes reichen für eine wahrnehmbare Parfümierung für einen Arbeitstag - samt einer oder zweier Überstunden.
O von Roja Dove ist umwerfend schön, in olfaktorischer Perfektion komponiert. Selbstbewusst, wärmend, harmonisch – wie das Gemüt der Eidgenossen. O, das ist ein Tag im mondänen, weltoffenen, emsigen Zürich. Zürich, die Insel der Glückseligen – wenn man deutschen Leitmedien Glauben schenken will.
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